4. Von einem Edelmann der in einer Begegnus zu Nachts umgebracht wurde.

[14] Die Mitternächtische Völcker seynd dem Sauffen mehr / als die Mittägige ergeben / und dieses verursachet unter ihnen blutigen Ausgang.

Ein Edelmann aus einer Provintz bürdig / welche vor Zeiten durch die Ritter Teutsches Ordens zum Christlichen Gebrauch bekehret wurde / kame nach Leiden / und bekam daselbst grosses Ansehen / so wohl seines Muths / als seiner Geschicklichkeit in den Exercitien halber. Er bewiese seinen Muth offt in vielen Gelegenheiten / daß ihn dafür jederman zum Freund haben[14] wolte. Nach dem Er etliche Jahr in dieser Stadt Leiden zugebracht / unn entschlossen in Teutschland zu reisen / zu der Schwedischen Armee /welche damahls der Protestierenden Hoffnung ermunderte. Davon wurd er abgehalten durch folgendes Unglück.

Er wurde zur Mittags-Malzeit von etlichen Dänischen Edelleuten gebeten / welche ihn so starck mit dem Trunck zusetzten (dann diß ist der gröste Spaß in dem gantzen Norden / wann man seine Gäste voll sauffet) daß er kaum wieder nach Hauß gehen kunte. Die jenige nun / welche ihn gastieret / gaben ihm auch das Gleit nach Hauß / in dem Er an seiner Thür anklopffete / daß man ihn aufmachen solte / nahmen sie in der eil Abschied und lieffen davon / aus Forcht / er möchte sie nöthigen mit ihm hinein zu kommen / wie Landes Gebrauch ist / Er liesse ihnen nach sampt seinem Diener / einem jungen ungefähr von zwantzig Jahren alt / und war eben so finstere Nacht / daß man gar nichts sehen kunte. Er traff einen Holländer[15] und Frantzosen an / an welche Er aus Unachtsamkeit stiesse / wie ihnen auch von den andern geschahe / die davon geloffen. Sie griffen alsbald zu den Degen /und dieser Edelmann beschädigte sie beede sehr gefährlich; aber sein Diener lieffe davon. Der Frantzoß fiele von dem Stoß / welchen Er nahe bey dem Hertz bekommen / stund aber wieder auf / und gab diesem Edelmann einen Stoß in den Arm / der sich gleich zu dem Holländer gewendet / mit solchem Stoß schnitte er ihm die Puls-Ader ab / also daß Er in einer Viertheil Stund sich gantz verblutet / weil er vom Wein gar zu erhitzt / und erzürnt war / daß Er sein Blut in der finstern Nacht so unglücklich vergossen. Er wurde in sein Haus getragen / ohne Puls / ohne Bewegung /in einer Schwachheit / die ihn umb eilf Uhren umb das Leben gebracht. Vier und zwantzig Stund vorher /sahen zween glaubwürdige Studenten ein Gespenst vor der Thür dieses unglückseligen Edelmanns / welches schiene / als hätte es[16] dieses Unglück geprophezeyet: Solches bezeugten sie zween Tag hernach.

Solch ein Ende nam dieser Edelmann / der noch zu hohen Ehren hätte kommen können / wann die Parcen ihme den Faden seines Lebens nicht so bald abgeschnitten hätten. Wann sein Diener gestanden wäre /so wäre dieser Edelmann allem Ansehen nach der andern Meister worden / und hätte seine Feinde dahin gebracht /daß sie ihn hätten durch passieren lassen müssen. Aber die Versehung von oben ist stärcker /als die Menschliche. Wann wir wüsten / was uns begegnen soll / so würden wir Fleiß anwenden / alles Unglück / das auf uns gerichtet ist / abzukehren.

Quelle:
Parivall, J[ean] N[icolas] d[e]: Sinnreiche / kurtzweilige und Traurige Geschichte [...]. Nürnberg 1671, S. 14-17.
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