17. Von einem jungen Edelmann / der in die Maaß fiele / und ertrancke.

[69] Der Mensch ist so vielen unglückseligen Zufällen unterworffen / daß es kein Wunder ist / wann er unter einem bleibet / nach dem er andern entgangen. Das Feuer kürtzete dem jenigen das Leben ab / von welchem wir allererst gesagt; und diesen ersteckte das Wasser / beede in der Blüt ihres Alters. Dieser junge Edelmann war von Roterdam verreiset / in Gesellschafft seines Bruders / und gienge gegen dem Abend auf Briel zu. Die Bots-Leute waren in der Arbeit die Segel aufzuziehen / da Er auf das Schiff stiege / vielleicht daß er sein Wasser lassen wolte. Aber sein Unglück war so groß / daß er mit seinen Sporn an einem Seil hangen blieb / und hinter sich in die Maaß hinein fiele. Sein Bruder rauffte sich die Haare aus / bate die Schiffleute /[69] sie wolten ihn erretten / versprach ihnen zehen tausend Thaler: Aber es war nicht müglich ihme zu helffen / wegen der Fünstere in der Nacht /und des Winds. Dieser arme Cavallier schwimmete lang genug / aber die Finsternus und seine Stiefel hinterten ihn an das Port zu kommen: Also daß die Müdigkeit und der Fluß des Wassers ihn fortführten / und sein Leben samt aller Hoffnung erstickten. Jederman /der ihn kennete / betaurete ihn / so wohl seiner guten naturalien halber / als umb der schönen Gaben willen / die er hatte / welche neben seinem hohen Herkommen ihme Hoffnung machten / in der Republic wohl fortzukommen. Ach! du unersättliche Parce / wirstu nimmermehr aufhören / die Tugend zu verfolgen? Warumb nimmestu die Frommen vor der Zeit hin /und lässest die Bösen leben? Vielleicht daß sie dir zu deiner Grausamkeit helffen? Du bist der Mißgeburt gleich / welche sich nicht sehen liesse / als vor Jungfrauen: Du bringest die Tugendhafften umb / damit[70] die Leute möchten ausgerottet werden / und verschlingest nur die jenigen / welche einsten der Zwietracht widerstehen könten / die die Boßheit anzurichten beginnet. Du wirffst den Steuermann in das Meer /damit das Schiff zerscheitere an den Felsen und Sandbäncken.

Eben solch ein Unglück begegnete einem Studenten von meiner Bekanntschafft vor kurtzer Zeit auf dem Meer von Mittag zwischen Ambsterdam und Harling. Die jenige / welche in dieser Stadt gewesen / wissen /daß alle Abend / ehe man den Schlagbaum vorziehet /welcher ein grosses Holtz ist vor dem Hafen / umb zu verhindern / daß kein Schiff hinein komme; nach allen Städten Schiffe fortfahren / die an demselben Meer liegen. Dieser Student nun / der kurtz zuvor sein studieren zu Leiden absolviret / und Doctor der Rechten worden / stiege auf das Schiff / umb seine Nohtdurfft zu verrichten: Aber entweder durch Erschitteren des Schiffs / oder vom Wind geschahe es / daß Er in das Wasser fiele / und also umbkame.[71] Der Wind nahme sein Geschrey fort: und das Wasser gab seinen Leichnam etliche Tage hernach wieder. Aber die arme Eltern / die nur diesen einigen Sohn gehabt / wolten sich nicht trösten lassen / biß die Zeit und Gedult durch Gottes Gnade sie gestillet. Sehet das traurige Ende dieser beeden wackeren Menschen / welche mich etliche Zähren gekostet / umb der Liebe willen / die ich ihnen gelobet hatte.

Was wollen wir von der Unbeständigkeit der Dinge in dieser Welt sagen / welche uns verwehret / auf unsere Jugend / auf Reichthum / Glück / und auf die Menge unserer Freunde zu verlassen? Das Glück hat so eine vollkommene Herrschafft über uns / daß menschliche Vernunfft dieselbe nicht kan ändern noch mindern. Darumb / wie der Apostel saget / wer stehet / der sehe zu / daß er nicht falle / und sey stets in Furcht und Mißtrauen.

Quelle:
Parivall, J[ean] N[icolas] d[e]: Sinnreiche / kurtzweilige und Traurige Geschichte [...]. Nürnberg 1671, S. 69-72.
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