20. Von einem Edelmann / der zu Leiden enthauptet worden / weil er einen jungen Studenten umbgebracht.

[83] Ein Mensch / der einen Todschlag begangen / mag immer hin lauffen / und mit Cain vor dem Angesicht der Gerechtigkeit fliehen / er schleppet seine Halffter immer nach sich: Er kommet spat oder bald darzu /und wer das Schwerdt anrühret / der solle auch mit dem Schwerdt ümbkommen.

Ein junger Edelmann aus Holland bürdig / hatte einsten Händel mit einem vornehmen Mann / den griffe er bey der ersten Gelegenheit an / und schickte ihn in die andere Welt mit einem Stoß / den er ihme in den Leib gegeben. Diese Mordthat geschahe ungefehr umb drey Uhren Nachmittag in der Stadt Leiden vor vieler Leute Augen / der Thäter erwischte das Thor /und kame durch / dann niemand wolte ihn aufhalten. Er war etliche Jahr ausser seinem Vatterland / und seine Freunde erhielten[84] bey den Fürsten Gnade / wie auch bey dem Gegentheil einen Vertrag / aber ohne Gewissen. Er kame nun ungeändert wieder / allezeit mit unruhigem Kopf / und mit einem Wurm / der ihn ohne Aufhören plagte / und Gesellschafften zu suchen veranlaste / umb Ergötzlichkeit zu haben. Wann er nüchtern war / redete Er gar vernünfftig / und brachte schöne Sachen vor. Aber wann er betruncken war / so waren Hader und Zanck sein Element. Darum flohen ihrer viel seine Compagnie. Der letzte Handel / den Er hatte / entstunde bey dem Trunck; dann er fienge an wider einen zu murren / der ihm mit tractirte; aber nachdem dieses Ungewitter fast gestillet war / und die Zeit kam fortzugehen / nahme er den Degen in die Hände / und stiesse ihn den Bruder dessen / auf welchen er einen Neid hatte / in den Leib. Dieser junge Mensch war auf den Tod verwundet / wurde auf sein Bett gelegt / und der Thäter gienge zu einen Burger schlaffen / und bekümmerte sich über den begangenen[85] Mord gar nicht / ausser daß er seinen Wirth bate / er solte nicht offenbaren / daß er in seinem Hause wäre. Der Stadt-Richter vernahme die That und den Ort /wohin er geflohen / gienge hin / der Wirth verlaugnete ihn. Aber er liesse die Kammer öffnen / und fand ihn in seinem Bette. Er befiehlet ihm aufzustehen / und sich anzuziehen. Er gehorchte / wiewohl ungern / und nahme ein ander Losament. Unterdessen starb der arme Beschädigte / der von gutem Herkommen war /und muste solche Schmertzen erleiden / daß alle Umbstehenbe darüber weinten / er hatte aber vorher nochmal ausgesagt / daß der Gefangene der Thäter seye. Er verlaugnete es dennoch / und hatte gute Freunde / die umb seine Erledigung / und umb Gnade baten. Die Zeugen wurden abgehöret / welche alle aussagten / wie der Verstorbene vor seinem Ende. Er bestunde dannoch auf seinem Ablaugnen / die Richter / welche nun von der That genugsamen Bericht hatten / die boten ihme die Tortur an / umb ihn zu bekennen[86] zu machen / was Er nur gar zu wol wuste. Der Edelmann sahe nun / daß es rechter Ernst wäre / und wolte auf seiner Verstockung nicht länger bleiben / sondern bekandte seinen Fehler frey / mit Bezeugung seines grossen Mißfallens. Er hatte noch etliche Tage Zeit sich auf den harten Gang zubereiten / und schriebe einen Trostbrief an seine arme Mutter / bate / sie wolte ihm seinen Ungehorsam verzeihen / und was Er ihr sonst alles zuwider gethan. Er stiege auf die Bühne / mit grossem Muth / bate Gott / die Justitz /und die Umbstehende umb Verzeihung: Verrichtete ein schönes Gebet / und wartete des Streichs mit sonderbarer Standhafftigkeit.

Es war diß ein wackerer junger Mensch / der gutes Gemüts war / aber von bösen Begierden / die ihn von der rechten Bahn weggebracht / welches jemand wohl in acht genommen / wie ich hab erzehlen hören / er sahe ihme streng in die Augen / sagte / er werde keines natürlichen Todes sterben. Es war grosser[87] Schad /dann hätte er seine Begierden gemässiget; So hätte er noch mit der Zeit ein Mann werden können. Sehet die Gewalt der Göttlichen Verhängnus.

Quelle:
Parivall, J[ean] N[icolas] d[e]: Sinnreiche / kurtzweilige und Traurige Geschichte [...]. Nürnberg 1671, S. 83-88.
Lizenz:
Kategorien: