Von Ernst das 111.

[76] Der Leybrüder sprach, die Warheit blibe in dem Faß.


Uf ein Zeit was ein Roßtüscher, der wolt in dem Alter sein Leben bessern und gieng in Sant Bernhartz Orden und ward ein Brůder, ein Berting. Uff einmal sprach der Apt zů im: ›Brůder, nemen das Pfert, das Gromenlin und füren es in die Stat, da ist ein Jarmarckt, und verkauffen es! Es ist ansichtig, es solt zů dem minsten noch zwölff Guldin gelten.‹ Der gůt Brůder, als er ein Roßtücher was gewesen, der fůr zů Marck mit dem Pferd. Da man es besahe, da fragten sie den Brůder: ›Wie wöllen ir[76] das Pferd geben?‹ Der Brůder antwurt: ›Umb zwölff Guldin.‹ Man sprach: ›Ist es jung?‹ Der Brůder sprach: ›Nein, es ist wol 16 Jar alt.‹ Man sprach: ›Gesicht es wol.‹ Der Brůder sprach: ›Nit fast wol.‹ Er sagt alwegen die Warheit. Es wolt es nieman kauffen, er fürt es widerumb heim. Der Apt sprach: ›Warumb hastu das Pferd nit verkaufft?‹ Der Brůder sprach: ›Es wil es niemans kauffen, da ich inen sagt, wie jung es was, wie es Brillen uff die Nassen bedörfft‹. Der Apt sprach: ›Warumb hastu es dan gesagt?‹ Der Brůder sprach: ›Ich hab in der Welt gelogen und betrogen, und bin in den Orden gangen, mein Leben zů bessern, und mein Seel ist mir lieber dan ein alt Roß. Ich wil niemans me betriegen; darumb bin ich geistlich worden.‹

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 76-77.
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