Von Ernst das 262.

[167] Den Acker wolt er nit umbhacken.


Es was ein junger Brůder, der wer gern selig worden. Der kam zů einem alten bewerten Brůder und sprach zů im: ›Vatter, ich wil recht widerumb in die Welt gon. Es ist so vil zů thůn in dem Gottesdienst, das mir ist, ich mög es nit als erfüllen; es ist mir zů schwer.‹ Der alt Vatter sprach zů im: ›Nit also, lieber Brůder. Du solt thůn, als einmal ein Sun thet.‹ Es was ein Vatter, der het ein Sun, zů dem sprach er: ›Sun, nim die Hawen und gang und hack den Acker umb, so wöllen wir etwas Gůtz daryn seigen.‹ Der Sun gieng hinuß und sahe den Acker an, das er so lang und so groß was, und sprach zů im selbs: ›Wie kanstu das Feld allein umbhacken!‹ Und legt sich nider und schlieff, biß das es Zeit was wider heimzůgon. Das thet er drei oder fier Tag und werckt nichtz. Der Vatter sprach uff einmal zů dem Sun: ›Ich můß gon lůgen, was du gewerckt hast.‹ Und da er hinuß kam, da het er es noch nit angefangen. Da strafft er den Sun. Der Sun sprach: ›Vatter, wie wolt ich ein semlich Feld alein hacken!‹ Der Vatter sprach: ›Sun, nit also. Mach allen Tag nit me, dan als lang und breit du bist! So würt es bei langem gemacht.‹ Der Sun thet es, und in kurtzen Tagen sahe er, wie im das Erdtreich wůchs und zůnam, und ward lůstig, und in wenigen Tagen ward der Acker umbgehackt. ›Also thů du auch, stel alle Tag etwas ab, und nim alle Tag zů! So würstu lüstig, und würt dir von Tag zů Tag der Gottesdienst je leichter.‹ Also thet er, und geschahe auch.

Es klagt Sant Augustin, das wir selber unsern Stat und unsern Glauben und Gesatz zů vil beschweren, und sprach, es wer böß Regieren; darumb, wie jetzt gesagt ist. Wer er erst jetz uff Erdtreich, was würd er dan sprechen! Es ist wol elfhundert Jar, das er das gesagt hat. Und die Zeit her sein kumen das Decret, das Decretal, Sext, Clementin, die Extravagantes und so vil Statuten, Constitutiones, Sinodalia und Gewonheiten des Chors, das Advent, und sein so vil Nußschalen, das man kum den Kernen, das ist das Gottes Gebot, darunder finden kan. Und legen unß selber so vil Strick, wa einer hinuß wil, so findet er Strick, das einer nit weiß, was er thůn sol. Doch bleib bei dem alten rechten Glauben und laß dich kein nüwen Propheten irren! etc.

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 167-168.
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