Von Schimpff das 320.

[197] Die Beurin gab Sant Martin ein Han, als in der Falck holet.


Doctor Felix Hemmerlin schreibt, wie ein Frau was in einem Dorff, die het Sant Martin ein lebendig Opfer verheischen; das het sie lang lassen anston und verzogen wol ein Jar oder zwei. Es fügt sich, das sie uff einmal het ein Hanen verloren. Da sie in lang gesůcht, da sahe sie in uff einem Huß sitzen; da růfft sie im so lang, das er uff Sant Martins Kirch flog, da růfft sie im so lang, das er uff das Glockenhauß flog; da růfft sie alwegen, er wolt aber nit herab. Und da er lang da oben gesessen was, da kam ein Sperwer oder ein Falck und erwüst den Hanen und fürt in mit im hinweg. Da fieng die Bürin an zů schreien, und sprach: ›O heiliger Her Sant Martin, ich bin dir ein lang Zeit ein lebendig Opffer schuldig gewesen. Darumb nim recht den Hanen zů einem Opffer, und laß dir in angenem sein!‹

Dis Exempel bringt Felix Hemmerlin herfür wider die Klosterlüt, die an dem letsten, so sie sterben sollen, so wöllen sie resignieren und iren Öbern das Gůt uffgeben, so sie es nit mer brauchen mögen, als die Frauw mit dem Hanen thet.

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 197.
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