Von Schimpff das 321.

[197] Die Beurin wolt kein Linsen geben.


Es het ein Beurin einmal ein Linsenmůß gekocht. Und da sie dem Gesind bald solt anrichten, da kam ein armer krancker Jacobsbrůder und bat die Frau umb Gottes willen, sie solt im ein Schüsel mit Můß geben; er meint, er würd gesunt werden, wan er sie gessen het. Die Fran[197] wolt im nichtz geben und schnawet in an; der Brůder gieng widerumb hinweg. Und bald darnach nam die Frau den Haffen mit dem Linsenmůß und wil in in die Stuben tragen, da zerstieß sie den Haffen und zerbrach in, da ließ sie den Haffen mit Můß in den Dreck fallen. Da lieff sie dem Betler nach und růfft im und sprach, er solt kumen, sie wolt im Můß geben.

Also sein vil Menschen, die nichtz umb Gottes willen geben, dan wan es verdirbt; als seigern Wein, den gibt man zů Meßwein, so man doch Got dem Herren das best geben solt; wan er gibt unß das best. Wan du einem Erenman etwas schenckest, es sei Wein, Öpffel oder Trübel, und es wer ful, und wem er es zögt und wer es sehe, der sprech: ›Da er euch nichtz Bessers wolt geben dan das, so het er es wol underwegen gelassen‹, und legtest Schand yn, da du meintest Eer yn zůlegen. Also ist es mit Got auch; was du hie umb Gottes willen gibst, das würt er seinen Englen und Heiligen zögen, als er Sant Martins Mantel thet; und ist ein arm ellend Ding, so wiltu dich sein schamen. Gib, das du sein hie und dort nit beschamen darffest, und laß nichtz verloren werden in deinem Huß! Der Her spricht: (Luc. 11. Quod superest, date elemosinam.)

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 197-198.
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