Von Schimpff das 382.

[228] Diogenes aß Kraut, aduliert nit.


Uf einmal was ein Tyran in der Stat Siracusana, ein groser Her, der hieß Dionisius. Der het vil armer Lüt gemacht, und under denen het er auch ein Philosophum verderbt, der hieß Diogenes, darumb das er im die Warheit sagt. Und uff einmal wüsch Diogenes Krut oder ein Salat und wolt in für den Hunger essen, das sahe ein Diener desselbigen Dionisy und sprach zů demselbigen Diogenes: ›Wan du woltest thůn, was[228] mein Her Dionisius wolt, so bedörfftestu nit Kraut essen und hettest wol besser Ding zů essen.‹ Diogenes sprach: ›Woltestu Krut essen, so bedörfftestu deinem Herren Dionisio nit adulieren und Schmeichlerei treiben.‹

Das ist war; wan an der Fürsten Höff da schmeichlen sie allein den Herren, das sie zů essen und zů trincken haben und sie betriegen umb das Ir und geston den Herren alles, das sie sagen. Loben die Herren ein, so loben sie in auch; schelten die Herren ein, so schelten sie in auch. Und die Schmeichler, die Pfefferlecker und Dellerschlecker sein arme elend Lüt und sein darzů unglückhafftige Fögel; sie tragen Wasser uff beiden Achßlen und schleiffen Scheren und wenden und reiten uff zweien Sätlen, sie dienen zweien Herren und sein keinem günstig, und etwan dreien.

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 228-229.
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