Von Ernst das 448.

[264] Der Tüfel prediget in eim Kloster.


In einem Predigerkloster was ein Leßmeister, ein Predicant, und uff ein Groß Hochzeit da solt man predigen. Und da man das ander Zeichen lütet, da ward der Leßmeister kranck, das er nit predigen kunt. Der Prior was betrübt, das er kein Predicanten het. Da er also in dem Crützgang gieng, da gieng ein Brůder desselben Ordens zů dem Prior und sprach: ›Her, wie sein ir so trurig?‹ Der Prior sprach: ›Das Folck laufft mit groser File herzů, und ich hab kein Predicanten.‹ Er sprach: ›Das lassen euch nit bekümern! Ich bin ein Landßprediger, ich kan ein Predig uß einem Ermel schütlen.‹ Der Prior was fro und hieß in predigen. Er fieng an zů predigen und predigt von dem Rüwen, das alle Welt weint.

Da was ein heiliger Man an der Predig, der erkant, das es der Tüffel was. Da die Predig uß was, da gebot er dem Tüffel in der Krafft Gottes, er solt im sagen, warumb er von dem Rüwen predigt, so er den Rüwen haßt und hindert in. Da sprach der Tüffel, er thet es darumb, wan sie jetz über ire Sünd rüweten und sie darnach wider theten, so weren ire Sünd dester schwerer. Also verschwand der Predicant da.

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 264.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Schimpf und Ernst
Sinnreiche Und Unterhaltende Geschichten Aus Frater Johannes Pauli's Schimpf Und Ernst
Schimpf und Ernst