Von Ernst das 544.

[310] Herenius riet, die Figent ledig ze lon.


Franciscus Petrarcha schreibt, wie Poncius, ein Künig oder Keiser der Sanniter, het die zwen Hauptman mit allem irem Folck umgeben und belegert bei einer Stat, die hieß Caudium, das sie sein Gefangner můsten sein und in seinem Gewalt waren. Diser Poncius schreib seinem Vatter Herennio, der was nit weit von im, wie er sich mit den Römern halten solt, sie weren also in seinem Gewalt. Er embot im, er solt sie ledig lassen on alle Entgeltnis früntlich, fridlich und inen gůte Wort geben und Schencke und Gaben mit inen teilen. Poncius und ander Hauptlüt, die in dem Leger waren, da sie den Rat horten, da sprachen sie: ›Das ist ein dorlicher Rat. Hetten sie unß also, wie wir sie haben, so würden sie anders mit unß umbgon; sie würden unß alle zů Dot schlagen und gefangen nemen.‹ Und sprachen: ›Wer wolt seine grimisten Feind also lassen gon!‹ Und embotten Herennio widerumb, ob er keinen andern Rat het; dan der gefiel inen nit. Herennio embot inen, sie solten sie alle zů Dot schlagen, das keiner darvon kem; das wer sein Rat. Da sie den Rat horten, da sprachen sie zůsamen: ›Der Alt ist nit witzig, er gat in der Aberwitz, er ist wanwitzig worden, der also von einer Sach zwei Eck rat und kein Mittel treffen künt.‹ Und wolten im zů dem drittenmal entbieten und in nit verachten; wan er den Namen der Weißheit het in allen Landen.

Der gůt Herennio ließ ein Wagen oder ein Roßbar zůrichten und kam selber zů inen. Da sie in nun sahen kumen, da waren sie fro und machten ein Ring und schruwen alsamen und sprachen: ›Da kumpt ein nüwer Rat.‹ Er antwurt inen, sprach: ›Ich bring euch keinen nüwen Rat, aber ich wil euch ein Ursach geben des vorigen Ratz. Ich hab euch zů dem ersten geraten, ir sollen die Römer frei ledig hinweg lassen ziehen. Wan ir das thůn, so thůn ir euch und denen, die noch von euch geboren werden, Gůtz; wan ir machen euwere Feind, das sein die Römer, die die besten Kriegßlüt sein, zů Fründ. Wie möchten sie euch Feind sein, so ir inen ir Leben schenckten und inen Gaben darzů geben! Zů dem andern hab ich euch geraten, wöllen ir sie nit frei und ledig lassen gon, so sollen ir sie alle erstechen. So thůn euch dieselbigen kein Schaden me; ir müssen Rach von iren Kindern und von denen, die noch zů Rom sein, warten. Thůn ir inen aber etwas Schmachlichs an und schäntlich mit inen handlen, so machen ir erst rechte Feind; wan ire Kindßkind werden wider euch sein.‹ Also fůr er widerumb uff sein Schloß und sprach: ›Thůn, was ir wöllen!‹[311]

Also gieng der Rat der Jungen für sich, und sie schmechten die Römer und namen inen alle ire Gewer, Harnisch, gůte Kleider und was sie hetten, und můsten also werloß und halber nackent darvonziehen. Aber der Rat des Herren ward war. Wan die Römer überzogen sie und gewunnen Land und Lüt und schlůgen sie alle zů Dot und legten inen ein groß Joch uff ire Rucken.

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 310-312.
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