|
[55] Nikomedien, im Februar 303.
Das Gewitter zieht sich von allen Seiten zusammen. Bald ist es nicht mehr möglich, seinen Schlägen auszuweichen; so werde ich ihnen denn mit männlichem Muthe[55] begegnen. Gestern ließ der Präfect der Leibwache mich rufen. Vielfache Neckereien, in denen der Sinn des kaiserlichen Edicts überschritten wurde, haben die lange Geduld der unglücklichen Christen ermüdet. Es sind hie und da unruhige Auftritte vorgefallen, und diese wahrlich natürlichen Regungen der Selbsterhaltung brandmarkt die Tyrannei mit dem Namen Rebellion. Man bot die bewaffnete Macht gegen sie auf – mit ungleichem Erfolge. An einigen Orten wurden die Verfolgten das Opfer der Uebermacht, an andern mußte der kleine Haufe der Soldaten der Ueberzahl der Unglücklichen weichen, die ihr Theuerstes und Höchstes mit der Wuth der Verzweiflung vertheidigten. Man hat nun beschlossen, wirksamere Maaßregeln zu ergreifen, und ich sollte mit ein paar Centurien, die ich mir aus den geprüftesten Kriegern selbst auswählen durfte, nach Cäsarea, wo die Mißhandlungen des Stadtpräfecten dem Bischof, einem ehrwürdigen Greis, bereits das Leben gekostet, und alle christlichen Einwohner zur Empörung gezwungen hatten.
Hier zu schweigen war unmöglich. Aber die Pflicht des Sohnes gebot, das nicht mehr zu verhehlende Geheimniß dem Vater wenigstens zuerst zu entdecken. Ich bat mir Bedenkzeit aus, und kündigte meinem Vater meinen Entschluß, den Auftrag nicht zu übernehmen, und die Ursache desselben an. Er wüthete – das hatte ich vorhergesehen – er drohte mit Enterbung und Fluch – ich war darauf vorbereitet, es schreckte mich nicht – er verbannte mich zuletzt aus seinen Blicken, und verbot mir, sein Haus je wieder zu betreten. Ich würde unwahr seyn, wenn ich behaupten wollte, daß mich dies Betragen nicht geschmerzt habe; aber es schmerzte mich mehr[56] um seinetwillen, denn ich fürchtete die schädliche Wirkung des Zorns für den abgelebten Greis. Von ihm ging ich zum Präfecten der Leibwache, und erklärte ihm, warum ich unmöglich gegen die Christen streiten könnte. Er schien eben so erstaunt als aufgebracht, und nachdem er sich in Drohungen mit der Ungnade des Kaisers, mit Verlust meiner Stelle, und in leerer Wiederholung aller der seichten Beschuldigungen gegen das Christenthum, die man gewöhnlich vorbringen hört, erschöpft hatte, machte er zuletzt einen Versuch, mich zu bekehren. Ich hatte meines Vaters Zorn und Fluch ertragen, kaum konnte das Beginnen des Präfects mir mehr als ein Lächeln abnöthigen. Ich bat ihn zu thun, was seine Pflicht in diesem Falle von ihm fordern würde, und das Uebrige meiner Ueberzeugung zu überlassen. So verließ ich ihn.
Als ich in dem Quartier meiner Kameraden angelangt war, brachten die Sclaven meines Vaters alle meine Gerätschaften, Bücher, Waffen, Kleider. Mein Vater wolle nichts mehr von mir wissen, er habe keinen Sohn mehr; diese Botschaft gab er den Sclaven mit, und dachte mich dadurch sehr tief zu kränken. Mich rührte die Trauer und Liebe, die diese guten Menschen mir zeigten, und mein Herz öffnete sich mildern Empfindungen. Am Abend langte ein Brief aus Nicäa an. Theophania war verschwunden, Niemand wußte wohin. In Lysias Hause wird ein tiefes Schweigen darüber beobachtet. Heliodor hat sie begleitet. Marcius Alpinus ist einige Tage vorher nach Cäsarea abgereist. Sollte sie ihm dahin gefolgt seyn? Unmöglich! Heliodor kann die Frau, die sich seinem Schutze übergab, die er in's Haus seiner Verwandten brachte, nicht einem Marcius[57] Alpinus in die Arme führen; sey sie übrigens, wer sie wolle! Ihr Geschick beunruhigt mich. Ich kann den Gedanken, den ich einmal von ihr gefaßt habe, nicht aufgeben, und jetzt, da sie auf's Neue für mich verloren scheint, wird er mir wahrscheinlicher als jemals.
Wahrlich, es hätte dieses Zusatzes nicht bedurft, um meine Lage höchst unangenehm zu machen. In dessen soll nichts mein Bewußtseyn erschüttern. Ich weiß, was ich zu thun habe – ob es schwer oder leicht sey, darf ich nicht fragen – es muß geschehen! Jeder, der in dieser Zeit sich als Christen bekennt, hat einen viel härteren Stand, als die längstbekannten Glaubensgenossen. Man sieht ihn gleichsam als einen trotzigen Rebellen, als einen offenbaren Verächter des kaiserlichen Gebotes an. So geht es mir – so würde es Constantin gehen, der auch in diesen entscheidenden Augenblicken dem Augustus seine wahre Gesinnung entdecken müßte, wäre er nicht der Sohn des Cäsars. Mißtrauen und Haß umlauert uns von allen Seiten, selbst die Briefe sind nicht sicher. Solltest du lange keinen erhalten, so denke, daß es mir unmöglich war zu schreiben, oder das Geschriebene sicher abzusenden. Leb' wohl!