37. Räuber mahlen.

[156] Ein Müller hatte einen gottlosen Mühlknappen, dem er die Mühle nicht gern anvertraute, wenn er des Sonntags mit seiner Familie zur Kirche ging, denn er heiligte den Sonntag nicht und pflegte immer gegen das Gebot der Obrigkeit und seines Meisters am Feiertage zu mahlen. Einst ließ der Müller den Knappen aber doch wieder an einem Sonntage unter der Kirche allein und ging mit den Seinen durch das thauige Feld zur Kirche; da kamen viele Räuber an und krochen in's Mühlrad, denn die Mühle stand still und sie vermeinten, daß sie dort am Sonntag sich verborgen halten, dann aber unversehens in die Mühle gelangen und zur Nachtzeit den Müller berauben könnten. Da ward aber die Sonntagsruhe dem Mühlknappen bald zu still, darum schlug er die Mühle los. Alsbald fiel aus jeder Speiche des Mühlrades ein Räuber in's Wasser, dadurch entstand[156] ein solches Geplätscher, daß die Leute in der nahen Stadt den Müller bei der Obrigkeit verklagten, weil seine Mühle am Sonntag ginge. Die Obrigkeit merkte sogleich, daß wieder der gottlose Mühlknappe daran schuld war, eilte hinaus und fragte ihn barsch, was er am Sonntag zu mahlen hätte? Da sagte der Mühlknappe: »Ratten!« und wollte die Obrigkeit höhnen; aber als die an's Mühlrad kam und eine ganze Räuberbande todt im Wasser fand, wurde er nicht gestraft, weil er den Sonntag entweiht hatte, und auch der fromme Müller freute sich sehr, als er mit Weib und Kind aus der Kirche heimkehrte und dankte Gott, daß sein Hab und Gut so wunderbarlich aus der Hand der Räuber gerettet war.

Quelle:
Heinrich Pröhle: Märchen für die Jugend. Halle 1854, S. 156-157.
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