[204] Die Sagen vom wilden Jäger aus dem Sagengebiete, welches dieses Buch umfaßt, wie die von der Frau Holle u.s.w. ziehen wir vor so viel als thunlich in eigenen Abschnitten zusammenzustellen, anstatt sie nach der sonst von uns gewählten Folge nach den Orten mitzutheilen.
Bei der großen Wichtigkeit der Sagen aus der Grafschaft Stolberg ist es interessant, daß dort auch der wilde Jäger ganz besonders zu Hause ist.
In Petersdorf in der Grafschaft Stolberg erzählt man: Christus kam mit dem Kreuze vor eines Juden Thür, dort zu rasten. Der aber ließ ihn dort nicht ruhen, da sprach Christus, der seiner Kreuzigung entgegen ging: »Ich will ruhen und Du sollst wandern!« Von der Zeit an ziehen umher der ewige Jude, der ewige Fuhrmann und der ewige Jäger. Der ewige Fuhrmann zeigt sich in der preußischen Grafschaft unweit Hochstädt und ruft: »Har! Har!« wie Fuhrleute thun. Gastliche Aufnahme der Götter bei ihrem Umzuge über die Erde wurde von diesen belohnt, ungastliche bestraft. Dieser Gedanke hat sich demnach vielleicht auch an Christi Kreuzesgang angeheftet. Zugleich zeigt die vorliegende Sage, wie nicht allein die Sagen vom ewigen Jäger viel leicht, sondern auch vom ewigen Juden und ewigen Fuhrmann zusammenhängen mit Mythen vom Wandern und Fahren der Götter über die Erde.
Der wilde Jäger erscheint in Stolberg mit zwei Hunden, reitend auf einem kleinen Pferde ohne Kopf. Durch das Grumschlacht (? Grubenschlacken?), ein großes Hüttenwerk, ist er hindurch geritten und man hat die Fußtapfen seines kleinen Pferdes nachher gesehen.
Auch im Walde, welcher der Jenteich heißt und wo sich in katholischen Zeiten ein Fischteich befand, hauste er. Er erschien dort einer Frau.
Ein halbes Stündchen von Stolberg, links an der Allee nach dem Eichenforst, über dem Hunnenrodt (welches angeblich Hunnenrode bedeuten soll), liegt Hätschels Wiese. An einem bei dieser Wiese entspringenden Wässerchen zeigte sich ein braunes Pferd und ein Reiter ohne Kopf, welches[205] der wilde Jäger gewesen sein soll. An mehreren Stellen des Wässerchens haben sich auch kleine Kinder gezeigt. Man sah zwei mit einander nackend tanzen. Auf dem Hunnrodt (vergl. auch S. 160) sind zwei große Flecken, darin soll eine Riesenjungfrau und ein Riese begraben sein. Vor mehreren Jahren wurde dort gegraben, aber nichts gefunden.
Der wilde Jäger kam in der Grafschaft Stolberg von Rodishageu her und zog wie ein Hund über den herrschaftlichen Teich nach Rottleberode zu, über's Feld.
Andere sagen: Der wilde Jäger kommt von der Aue her und zieht über Rodishagen fort nach dem Eichenforst, jetzt einem bekannten Vergnügungsorte.
Der wilde Jäger hat 6 Hündchen (andere sagen 8-12 Teckelhündchen) bei sich, die haben Schellchen an. Mit ihnen zeigt er sich z.B. am Bäckersberge. Er ist grün gekleidet und trägt den Kopf unter'm Arm.
Köhler bei Wida, was bei Braunlage (vergl. S. 152-155) und Lauterberg (vergl. Harzsagen S. 197 bis 199, 295) liegt, hatten ein Reh und sprachen, ob's wohl einen wilden Jäger gebe. Da trat ein Jäger herein und entstand vor der Köthe ein furchtbares Hundegebell und Jagen. Plötzlich wird die Köthe aufgerissen, und zwanzig bis dreißig Jäger stehen da. »Alle guten Geister loben Gott den Herrn,« sprachen die Köhler. Ich bin Hackelberg, zweifelt nicht an mir, sagte Einer der Jäger, ihr sollt alle Wochen ein Reh haben. Ich komme nur alle 50 Jahr. Der Köhlermeister gibt seine Hand, Hackelbergs Finger drücken sich ein. Im Nu ist Hackelberg umringt vom Jagdgefolge und geht gleich wieder in die Luft.
Ueber die Himmelpforte in der Grafschaft Wernigerode (vergl. S. 81-92) kam der wilde Jäger nach Veckenstedt zu und warf auf einer Wiese die Pferdelende herunter.
Die Geschichte von der Pferdelende und dem wilden Jäger soll auch vor Drübeck geschehen sein.
Vom Oberharze ist diese Sage bereits mitgetheilt Harzsagen S. 125 und nochmals S. 125; vergl. daselbst S. 12 und S. 268. Schwartz hat sie auf Blitz und Donner bezogen (vergl. W. Müller's Abhandlung »zur Sage von dem wilden Jäger«, N.S.S.S. 420).
Im Bodethale hörte ich Folgendes vom wilden Jäger:[206] Er erscheint im Sommer, Mittags zwischen 11-12, und ruft Ohät; die Holzhacker halten dann in der Arbeit an.
Der wilde Jäger (sagt man zu Altenbrak im Bodethale), zeigte sich am Meisten im kleinen Mühlthale bei Altenbrak und zwar Aschermittwoch.
Auf dem Rübelande im Bodethale jagte der wilde Jäger auch. Er trieb Frauen aus dem Holze (vergl. Harzsagen S. 124) und warf Lenden herunter.
Verschiedene Sagen zeigen Zusammenhang des wilden Jägers mit dem Wasser (vergl. auch oben die Sage von Hätschels Wiese). Im Wasser zu Elbingerode jagt er alle 7 Jahr (wo er dann auch nach der Susenburg kommt), mit dem Kopf unter dem Arm, herauf und herunter. Sein Hund klafft.
Auch wird in Elbingerode erzählt: Der wilde Jäger zieht durch die Luft und verschwindet mit Hundegeklaff im Teichloche. Man sagt, daß die Kinder aus diesem Teichloche gezo gen würden. Er patscht auch von der Mühle aus in Elbingerode.
Der wilde Jäger trank aus dem Jägerborn am Brücknerstieg. (Dies, wie auch daß am alten Stolberg, vergl. die Abhandlung über den Hirsch, der wilde Jäger zieht, zeigt den Zusammenhang der Sagen vom Hirsch aus Venedig mit dem wilden Jäger). Die dies erzählen, setzen hinzu: Der wilde Jäger fliegt in der Luft und hat einen Hund bei sich, der bellt immer.
Einst fragte der wilde Jäger irgendwo im Vorüberziehen: »Habt Ihr keinen Wagen mit 9 Mühlsteinen gesehen?«
Auf dem Berge um Goslar geht Nachts ein feuriger Mann und zeigt sich auch aus den Gebüschen. Der Aussage der Leute nach bezöge sich dies auf den wilden Jäger.
Der wilde Jäger träumte auch: ein Steinadler würde ihn nachher verzehren. Er wurde auch wirklich in den »Steinadler« zu Wülperode gebracht.
In Wülperode, in einem Zimmer des alten Amtes, liegt jede Nacht der Hund des wilden Jägers und schüttelt sich.
Als Nachtrag zu der Sage vom Hackelberg, welche Harzsagen S. 10-12 mitgetheilt und S. 245-248 besprochen[207] ist, stehe hier noch folgende Sage aus der Gegend des Hackels, welche Caspar Abel hat in seiner »Sammlung etlicher noch nicht gedruckten alten Chroniken« (1732) S. 86:
»Eyn Grave to Eghelen de reyt jagen an den Hart na Wiltwarcke, unde reyth uth in des Düvels Namen, unde sprack, he wolde Wild vanghen, dat scholde ome noch Got effte de Duvel weren, do he an den Hart kam, do bejegende öme eyn swart wilt Swin, darvor vorferde sick sin Perd, dat se allbeyde stortten, unde bleven allbeyde dot, he unde sin Pert.«
Wir kommen zur Frau Holle, mit Bezug auf welche es schon von Wichtigkeit ist, zu wissen, wo sie überhaupt vorkommt.
Zu Buchholz in der Grafschaft Stolberg sagt man: »Frau Wulle kommt.« Auch in Rodishayn in der Grafschaft Stolberg ist Frau Wulle bekannt. Eben so in Sorge. In Stolberg sagt man: Die Wulle.
In Elbingerode sagt man: Fru Rolle. Fru Holle kommt in Elend zu Neujahr.
Siehe auch in meinem Schriftchen: »Harzbilder. Sitten und Gebräuche aus dem Harzgebirge. Leipzig, F.A. Brockhaus, 1855« den 23. Abschnitt: »Frau Holle; die Kinderbrunnen; der wilde Jäger; Stepke« (S. 76-78), wo sich bereits weitere Nachweisungen finden.
Fru Wulle, sagt man irgendwo, kommt in einer bestimmten Zeit, wo man aufhören muß zu spinnen.
Sagen von Kinderbrunnen stehen in den vorliegenden unterharzischen Sagen unter Nr. 9, 10, 78, 242-245, 357, 358, 374. Vergl. auch J.W. Wolf, hessische Sagen, S. 133, 210 und 211.
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