Fünftes Kapitel.

[237] Wie die Contour-Vögel auf dem Läut-Eiland stumm sind.


Er hätt die Wort noch nicht ausgesprochen, als zu uns an fünfundzwanzig bis dreyssig Vögel geflogen kamen, von Farb und Federn, wie ichs noch nicht auf dem Eiland gesehen. Ihr Gefieder changirt' allstündlich wie die Haut des Chamäleons und wie die Blum Tripolion oder Teucrion und alle hatten unterm linken Flügel ein Contour und Zeichen als wie von zween Diametris die einen Zirkel schneiden, oder eines geraden Strichs, auf den ein andrer senkrecht einfällt. Bey allen war es ziemlich gleich gestaltet, doch nicht gleich gefärbt bey allen: an manchen war es weiß, an andern grün, an andern roth, an andern blau. Wer, frug Panurg, sind die da, und wie heißt ihr sie? – Es sind, sprach der Aedituus, Zwitter.

Wir nennen sie Contouren, und in eurer Welt besitzen sie eine grosse Meng reicher Contoureyen. – O laßt sie, sprach ich, doch etwas singen, daß wir hören wie sie bey Stimm sind. – Sie singen niemals, sprach er, aber dafür frißt jeder für ihrer zwey. – Und wo, frug ich, sind ihre Weiblein? – Sie haben keine, antwortet' er. – Wie kommt es aber, warf ihm Panurg ein, daß sie so grindig und vom fränkischen Uebel zerwurmt sind? – Das, sprach er, ist die ser Vögel-Gattung eigen, und die Schuld des Meers wo sie mitunter zu schwärmen pflegen.

Weiter sagt' er: der Grund der sie hie zu euch führt, ist: nachzusehen, ob sie etwa in eurer Mitt noch eine stolze Linger-Sipp fänden, das gar erschreckliche Stösser sind,[238] doch weder nach dem Luder, noch des Falkonirers Handschuh fragen; und, wie sie sagen, in eurer Welt zu Haus seyn sollen: etliche von diesen trügen schöne reiche Geschüh an den Beinen mit einer Innschrift im Wappenring, die Jeden der dabey übels dächt, stracks über und über beschissen zu werden verurtheilt': andre trügen vorn an den Federn das Tropäum eines Verleumders, wieder andre ein Widderfell. – Herr Aeditue, sprach Panurg, 's ischt wahr, allein wir kennen sie nit.

Wohlan, sprach der Aedituus, es ist nunmehr genug geschwätzt; kommt itzt zur Tränk. – Nicht auch zum Trog? frug ihn Panurg. – Ey wohl, und Trog! antwort Aedituus, zu Trog und Tränk nach Herzens Lust, halb Pasch halb Puff. Nichts ist so theuer und edel als die Zeit; laßt uns die Zeit zu guten Werken nutzen. – Und wollt uns erst noch in die schönen wunderherrlichen Thermen der Cardinling führen, und sodann uns nach dem Baad von den Alipten mit köstlichem Balsam salben lassen.

Pantagruel aber bedeutet' ihn daß er auch ohne dieß zum Trinken wohl aufgelegt wär. Also bracht er uns in ein grosses prächtigs Refectorium und sprach zu uns: Der Kläusner Hosian hat euch vier Tag lang fasten lassen: hie sollt ihr nunmehr im Contrapunkt vier Tag lang ohn Absatz essen und trinken. –

Nicht auch schlafen dazwischen? frug Panurg. – Ganz nach Gefallen, antwort der Aedituus, denn wer schläft trinkt auch. – Ey heiliger Gott, wie wir da demmten! O des kreuzbraven Biedermannes!

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 237-239.
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