Fünfzehnter Auftritt


[120] Man hört einen Marsch. Alles Volk erscheint und stellt sich in einen halben Zirkel, dessen Mitte frei bleibt. Die Frauenzimmer stehen vorne und unverschleiert. Wenn alles steht, erscheint Veritatius mit seiner Tochter Modestina. Aladin. Wachen. Dann Eduard und Florian.


CHOR.

Stellt euch um der Wahrheit Thron,

Sprecht der frechen Lüge Hohn.

VERITATIUS besteigt mit Modestina seinen erhabenen Stuhl. Volk dieser Stadt! Ich habe dich versammeln lassen, um Zeuge zu sein bei der Verbannung eines Geschöpfes, welches schon seit langer Zeit durch ausgelassene Manieren die Gebräuche unserer Insel mit Füßen tritt.[120]

ALLE. Hoch lebe Veritatius!

VERITATIUS. Doch bevor wir den Vorhang dieser unangenehmen Szene eröffnen: Aladin, führe den Fremden vor. Aladin geht und bringt Eduard und Florian. Sei mir willkommen, Fremdling. Du bist also der Herr vom Lande der Aufrichtigkeit? – Was ist denn das für eine pitoyable Figur, die dort an deiner Seite steht?

EDUARD. Es ist mein Diener. Deutet Florian, daß er sprechen soll.

FLORIAN. Bin so frei, meine ergebenste Aufwartung zu machen.

VERITATIUS. Das ist ein spaßiger Kerl, ich muß über ihn lachen. Lacht. Zu den Übrigen. Man lache auch ein wenig über ihn.


Alle lachen.


FLORIAN. Das ist eine dumme Nation!

VERITATIUS. Und nun zur Sache. Ich habe gehört, daß du dir eine Braut erkiesen willst, und weil du mir so wohl gefällst, auch aus vornehmem Stande bist, so stelle ich dir hier meine Tochter vor.

MODESTINA. Fremdling! Gewohnt, den Befehlen meines Vaters zu gehorchen, reiche ich dir mit Freuden meine Hand, wenn du mich vorher überzeugest, daß dein Edelmut sie verdient.

FLORIAN. Ui jegerl, ich freu mich schon.

EDUARD. Nimm meine Huldigung, Holdeste deines Geschlechtes.


Ergreift ihre Hand. Florian empfindet großen Schmerz, sucht ihn aber durch unartikulierte Töne und Lippenbeißen zu verbergen. Eduard sieht auf Florian, dieser deutet: Nein! er laßt ihre Hand mit Anstand los.


MODESTINA. Er gefällt mir recht wohl.


Dumpfer Lärm von außen, man hört.


AMINENS STIMME. Laßt mich, laßt mich!


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 120-121.
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