Siebenter Auftritt


[281] Das Ritornell eines fröhlichen Liedes beginnt. Hans tritt fröhlich auf. Vorige.


HANS.


Lied.


Schön ist der Wald,

Lustig erschallt

In ihm der Finken- und Nachtigallsang.

Drum ging ich bald

Draußen im Wald

Auf ein schöns Vögerl gleich aus auf den Fang.


Kaum ich mich setz,

Fliegt mir ins Netz

Gleich ein recht lustiges Vögerl hinein.

Gschwind ohne Weil

Denk ich in Eil,

Wünsch doch zu wissen, was hab ich denn gfischt.


Ich schau hinein,

Steh wie ein Stein,

Hab statt ein Vögerl ein Weiberl erwischt.

Drum sing ich halt,

Schön ist der Wald,

Wo man so pfiffige Vögelein fangt.


Ritornell von Mirzels Lied, sie springt fröhlich herein.[281]


MIRZEL.


Lied.


Sag mir, mein Manderl, was laufst denn voraus,

Singst wie ein z'brochener Krug?

Ists vielleicht mit deiner Lieb zu mir aus,

Hast an dein Weiberl schon gnug?

Was ist der Mann für ein schrecklicher Tropf!

Hat 's schönste Weib auf der Alm,

Hab ich denn nicht ein schöns Augerl im Kopf,

Bin schlank wie ein aufgschoßner Halm!

Und auf den Kirchtag, welch glückliches

Los, Geht mir der Atem nie aus.

Zwar meine Füßerl, die sein a weng groß,

Aber da mach dir nichts draus,

Drum steht bei mir auch die Treue so fest,

Weich dir nicht um einen Fuß.

Mir ist mein Mandel das einzige Fest,

O Hansel, geh, gib mir an Kuß!


Hans küßt sie und springt freudig in die Höhe.


HANS.

Vivat der Wald,

Vivat der Wald,

Wo ich das Vögerl hab gfangt!


Beide.


HANS.

Vivat der Wald, wo ich das Vögerl hab gfangt!

MIRZEL.

Vivat der Wald, wo ich mein Mandel erlangt!

MIRZEL. Geh, geh, ich soll recht bös auf dich sein. Du bist ein sauberer Mann, laufst voraus und schaust dich gar nicht um um mich. Wie ich noch ledig war, da bist hinter mir her gwesen auf einen jeden Schritt, jetzt – aber die Nachbarin hat mirs vorausgsagt. Das ist das sicherste Zeichen, daß ein Paar verheuratet sind. Heute werden s' kopuliert, da geht sie voraus, den andern Tag laßt er sie schon hintnach gehn.[282]

HANS. Aber liebe Mirzel –

MIRZEL. Willst dus etwa leugnen? Zuerst kommst du, hernach dein Spitzel, nachher ich, ich und der Hund, wir gehen immer miteinander. Au contraire, seinen Spitzel pfeift er doch manchmal, aber bei mir da denkt er sich, du kommst mir so nach Haus, dich verlier ich nicht.

HANS. Ich weiß gar nicht, ich hab den Hund recht gern bei mir, ob wir jetzt unser zwei ausgehn oder unser drei?

MIRZEL. Nu, neulich sind wir gar unser vier gwesen. Da hast zwei Spitzeln mitghabt. Einen hast du aus den Wirtshaus nach Haus tragen, und der andere ist so mitglaufen.

HANS. Nu, und wie er neulich verlorengegangen ist, so hat ihn doch kein Mensch finden können als du.

MIRZEL launigt. Ja, das macht, weil ich sehr spitzfindig bin.

HANS. Aber jetzt hören wir einmal auf, wir disputieren wegen die Spitz wie die kleinen Buben, das ist eine völlige Spitzbüberei.

MIRZEL. Ich bin ja schon wieder gut, das ist ja nur mein Spaß, ich hab dich viel zu lieb. Du bist ja mein guter Mann.

HANS. Und du mein guts Weib. Kurzum, wir sein halt von der besten Gattung.

MIRZEL. Freilich, wir sind gut, und alles wär gut, wenn wir nur mehr zu essen hätten.

HANS. Laß nur gut sein, der liebe Gott wird uns schon helfen. Haben wir doch jetzt unser Grundsteuer wieder zum Amtmann hineintragen. Acht Gulden alle Jahr ist kein Spaß. Schau nur, wie die Sonn so freundlich scheint. Schau dich nur um. Erblickt Alzinde. Du, was liegt denn dort für ein altes Weib? die wird krank sein, sie weint, ich werd s' trösten.

MIRZEL. Die Alte? nun die kannst schon trösten.

HANS geht zu ihr. Du Alte, hörst!

ALZINDE hebt sich empor, erblickt beide, springt erschrocken auf und ruft. Menschen! Will entfliehen.

HANS hält sie zurück. He, wo laufst denn hin? So wart, wir meinen dirs ja gut.

MIRZEL. Freilich. Willst ein Stückel Brot?[283]

ALZINDE sieht sie erstaunt an. Seid ihr wirklich Menschen?

HANS. Nun, du wirst uns doch für keine Maikäfer anschaun?

ALZINDE. Menschen seid ihr, und ihr habt Erbarmen?

MIRZEL. Du lieber Himmel, warum denn nicht? Wir erbarmen uns selbst manchmal.

ALZINDE mitleidig. Also seid ihr unglücklich?

MIRZEL. I bewahre, wir sind recht glücklich.

HANS. Wir haben nur kein Geld.


Gluthahn läßt sich am Fenster sehen und horcht.


ALZINDE. Das versteh ich nicht.

HANS zu Mirzel. Weißt, sie ist taub. Zu Alzinde ins Ohr laut. Wir haben kein Geld! wie kannst denn das nicht verstehn, das kann ich mit Händen greifen, wann ich in den Sack fahr.

MIRZEL. Weißt, wir sind halt glückliche Unglückliche, sowie manche Leut unglückliche Glückliche sind.

HANS. Das ist eine gute Explikation. Weißt, wir sind arme Steinbrecher, wir arbeiten im Steinbruch da hint und leiden oft Hunger, daß sich ein Stein erbarmen möcht. Aber nur im Winter, im Sommer gehts uns besser.

MIRZEL. Was redst denn so viel mit der Alten, trag ihr etwas heraus und laß sie gehn.

HANS. Nein, mir gfallt s', sie hat zwar noch nichts gredt, aber ich find, daß sie recht eine unterhaltliche Person ist. Zu Alzinde. Weißt, ich und mein Weib haben uns halt gar so gern, und das ist unser Glück.

ALZINDE zu Mirzel. Also liebst du deinen Mann?

MIRZEL. Von ganzen Herzen.

ALZINDE. Und wenn du ihn verlieren müßtest?

MIRZEL. Ich mein Mann?

ALZINDE. Wenn er dir auf ewig entrissen würde?

MIRZEL. Das überlebet ich nicht.

ALZINDE. Weh mir, und ich lebe noch – sie stirbt für diesen Bettler, und ich lebe noch – Weint heftig. O mein Gemahl, mein königlicher Herr!


Ihre Tränen fallen in Hansens Hut, der ihn absichtslos aufhält.


HANS. Jetzt, warum weinst denn? Jetzt weint sie mir gerad in den Hut hinein. Du Mirzel, schau, was ist denn das,[284] der ihre Tränen sind von Glas. Die weint ja lauter kleine Steiner.

MIRZEL. Warum nicht gar!

HANS. Auf die Letzt hat s' gar einen Steinbruch in die Augen.

MIRZEL. Was weinst denn du da?

ALZINDE. Ich weine Diamanten.

HANS. Mich trifft der Schlag, das hab ich noch mein Leben nicht ghört, daß eine Amanten weint. Wann s' noch wegen einen Amanten weinet, aber einen Amanten selbst, das ist entsetzlich.

ALZINDE. Sagt mir, haben Diamanten auf eurer Welt hier einen Wert?

MIRZEL. Nun, ich wills hoffen. Unser Herr, bei dem wir arbeiten, hat einen Ring, da ist ein einziger Stein mehr wert als sein ganzer Steinbruch.

ALZINDE. So hört mich an, vielleicht kann ich durch meine Tränen euch beglücken. Des einen Glück bedingt ja leider oft des andern Unglück. Behaltet mich bei euch, gebt mir nur magern Unterhalt. Schützt mich vor der Mißhandlung eurer Brüder. Und nehmet meine Tränen hin als Eigentum, welche reichlich fließen werden, weil ich mein Schicksal nicht genug beweinen kann.

GLUTHAHN am Fenster. Das Weib laß ich nicht aus. Mein Herz ist z' gut, die nehm ich auf.

HANS. Aber wer hat dir denn das glernt? Du bist doch nicht etwan eine Hexe?

MIRZEL. Nun, fragen möcht ich s' noch.

ALZINDE. Was ich euch nun entdecke, ist wahr. So wahr, als dieser Sonnenstrahl, der sich in meinen Tränen bricht. Ich bin die Fürstin eines indschen Reichs. Der Tugend hab ich mich geweiht wie ihr, und weil ich einen bösen Geist aus meinem Land vertrieben, hat er aus Rache mich nach eurer Welt verbannt. Ich ward geehrt von meinem Volk, das meine Schönheit, meinen Geist bewunderte, geliebt von meinem zärtlichen Gemahl. Und alles, was des Glückes Großmut mir verliehn, hat dieser Dämon mir entrissen. Weint.[285]

HANS. Jetzt fang ich auch zum weinen an, aber meine Tränen sind keinen Kreuzer wert.

ALZINDE. Doch meine Jugendkraft hat er mir nicht geraubt, und heftiger fühl ich den Schmerz, als ich die Freude früher hab empfunden. Ihr glaubt mir doch?

MIRZEL. Das kann ja sein, ich hab schon viel von verwunschenen Prinzessinnen ghört. Nu, trösten sich Euer Gestreng nur, wir werden schon für Euer Gstreng sorgen.

HANS. Was sagst denn Euer Gstreng, glaubst denn, du redst mit dem Verwalter? Weiß die Fürstin was? Wir bhalten die Fürstin bei uns. Und was wir haben, das bekommt die Fürstin auch.

ALZINDE. Ihr guten Menschen! Meine Tränen werden dankbar fließen.

MIRZEL. Ah, wann s' alle Jahr nur einmal weint im Frühjahr, wenn der Schnee weggeht, so leben wir das ganze Jahr davon. Freudig. Die Fürstin macht noch unser Glück.

HANS. Und da braucht sie nicht einmal einen Schmerz, der sie weinen macht, ich reib ihr halt einen scharfen Kren. So weint sie ihren diamantenen Fleck her und lacht uns alle aus.

MIRZEL. Ja, das ist prächtig, lieber Hans. Die Tränen, die du im Hut hast, trägst du morgen gleich in die Stadt. Jetzt geht die Fürstin nur in unsere Hütten hinein, da findt die Fürstin Milch und Brot. Wir müssen jetzt in Steinbruch hinaus. Wir haben nur unsern Werkzeug gholt. Auf den Abend kommen wir nach Haus. Da wollen wir recht vergnügt sein alle drei.

HANS. Ja mein liebe gute Fürstin, jetzt geh die Fürstin hinein, und gib mir die Fürstin auf meinen Spitzel gut acht, und sperrt die Fürstin von innen die Tür gut zu. Unser Nachbar ist gar ein böser Mann. Dem muß die Fürstin nicht traun, mache ihm die Fürstin gar nicht auf.

ALZINDE. Besorgt euch nicht, ich hab ihn schon erkannt. Er stieß mich ja von seiner Tür.


Sie gehen hinein. Hans und Mirzel nehmen ihre Hämmer. Alzinde riegelt die Tür von innen zu.


[286] Duett.


MIRZEL.

Heißa juhe! Heißa juhe!

Jetzt ziehn wir in Steinbruch hinaus.

HANS.

Vivat juhe! Vivat juhe!

Ich kenn mich vor Freuden nicht aus.

BEIDE.

Fröhliches Herz kennt keinen Schmerz,

Tauschet mit Königen nicht.

HANS.

Hätt ich auch tausendfünfhundert Millionen,

Möcht ich doch außer den Bergen nicht wohnen.

MIRZEL.

Ich baute von Marmor ein herrliches Haus.

HANS.

Und ich putz die Wirtschaft aufs nobelste 'raus.

MIRZEL.

Dein Spitzel, der kam gleich der erste daran.

HANS.

Dem schafft ich ein prächtiges Halsbandel an.

MIRZEL.

Die Kuh fressen nimmermehr Gras so wie eh.

HANS.

Die saufen den ganzen Tag nichts als Kaffee.

MIRZEL.

Auch müßte der Kuhstall voll Spiegel mir sein.

HANS.

So stoßt s' doch der Jodel mitn Hörndeln gleich ein.

MIRZEL.

Die Knecht und der Halter tragn alle Tupée.

HANS.

Die Drescher, wann s' dreschen, kriegn auch Liverée.

MIRZEL.

Mit silbernen Borten, sonst wärs eine Schand.

HANS.

Und jeder ein goldenen Flegel in d' Hand.[287]

BEIDE.

Heißa juhe!


Plötzlich traurig, kratzen sich hinter den Ohren.


Au weh, au weh!

Jetzt ziehn wir in Steinbruch hinaus.

HANS.

Heißa juhe! Heißa juhe!

Mirzel, geh, mach dir nichts draus!

BEIDE fröhlich.

Fröhliches Herz kennt keinen Schmerz,

Tauschet mit Königen nicht.


Hüpfen ab.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 281-288.
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