Neunter Auftritt


[289] Voriger. Trautel.


TRAUTEL. Nun, da bin ich, lieber Mann. Stellt den Wein nieder auf einen Tisch, neben dem ein Stuhl steht.

GLUTHAHN. Nun, bist schon gsund?

TRAUTEL. Warum nicht gar! O lieber Mann, mit mir ists aus, der Bader sagt, mich bringt er nimmer auf.

GLUTHAHN. Der Bader ist ein Narr. Was braucht er dirs zu sagen, das hab ich eh schon gwußt.

TRAUTEL. Ich unglückseligs Weib, ich bitt dich, Mann, was soll ich denn jetzt tun, daß es besser wird?

GLUTHAHN. Den Leiterwagen spann ein. Das ist dir gsund. Ich fahr gleich aus.

TRAUTEL. Das ist ein schöner Trost. Ich kann nicht, ich bin z' schwach.

GLUTHAHN. Du mußt! potz Himmeltausendsaprament, ich werd dich lernen raisonnieren, du alte Blendlaterne, den Augenblick spannst ein und gehst in den Garten hinaus und brockst ein Korb voll Äpfel ab. Für sich. So bring ich s' fort.

TRAUTEL. Nein, du bist kein Mensch, du bist ein Krokodil.

GLUTHAHN. Wirst gehn?

TRAUTEL. Ich geh schon. Weint. Ach du lieber Himmel!

GLUTHAHN. Jetzt weint die auch. Das ist ein völliger Klagbaum heut. Geh her. Trautel kehrt um. Was weinst denn? Schaut. Die weint keine Diamanten, höchstens weint s' mein Geld als Medizin. Gleichgültig. Geh, spann ein, so kommst mir aus den Augen. Trautel ab. Der Wagen wird etwas aus der Kulisse geschoben. Werden wir zu der Alten fensterlgehn. Er klopft an das Fenster der Hütte. Liebe Alte, komm heraus, ich muß dir was entdecken.

ALZINDE öffnet. Was willst du, böser Mensch, der mich verstieß?[289]

GLUTHAHN. Mein, mein, ich war halt so im Zorn, ich bin gähzornig, das hat mich gereut, ich hab schon gweint deswegen, und möcht ich dirs vergelten. Drum komm heraus, wir trinken ein Glas Wein.

ALZINDE. Ich traue deinen Worten nicht. Eh glaub ich, daß der Hai des Meeres Schutzherr wird, der Falke um die Taube freit, Hyänen um ein Menschenleben weinen, der Wolf aus Gram vergeht, weil er ein Lamm getötet hat: eh ich dirs glaub, daß du mich trösten willst.

GLUTHAHN beiseite. Sie beißt nicht an. Ich werd ihr etwas Süßes auf die Angel schmieren. Zu Alzinde. Sei nicht so mißtrauisch, du hast ja selbst ein gutmütiges Gsicht. Du mußt einmal kurios schön gwesen sein, man sieht dirs noch ein wenig an, du hast noch recht verliebte Augenbrauen. Geh, komm herüber, liebe Alte, zu mein Weib, die hat eine schöne Hauben, die wird dir prächtig stehen.

ALZINDE. Bemüh dich nicht. Du zwingst mir kein Vertrauen ab.

GLUTHAHN beiseite. Das muß kein Weibsbild sein, weil sie das nicht rührt. Werden wirs auf eine andre Art probieren. Laut. Schau, du tust ein gutes Werk, wenn du dir was Guts erweisen laßt. Ist ja deine Pflicht. Ich kann nicht ruhig schlafen sonst, ich mach mir solche Vorwürf in meinen Innern, daß ich dich so behandelt hab. Hält die Hände zusammen. Ich bitte dich, geh heraus, tu mich nicht so kränken, ich bin ja ein kranker Mann, ein alter, der nicht lang mehr leben wird. Weint.

ALZINDE. Verlaß die Hütte, du betrügst mich nicht. Schließt das Fenster.

GLUTHAHN erzürnt. Der Satan hat das Weib im Sold.


Trautel kommt.


TRAUTEL. Eingespannt ist. Jetzt fahr in d' Höll!

GLUTHAHN. Was hab ich in dein Geburtsort zu tun? In den Garten geh und Äpfel brock. Trautel geht. Heraus muß sie, und wenn ich's Haus anzünden sollt. Klopft an. Alte, gschwind machst auf, der Hans schickt herauf, er hat einen Arbeitszeug vergessen. Der Hund bellt. Pause. Sie[290] macht nicht auf. Pocht stärker an. Obst du aufmachst, frag ich, oder nicht? ich schlag euch alle Fenster ein, ihr schlechtes Gsind. Er schlägt die Fenster ein, man hört den Hund drin stark bellen. Das Fenster hat ein eisernes Kreuz. Den Hund, den schlag ich tot. Bist still, du Teuxelsvieh! Er wirft mit einem Stein hinein.

ALZINDE am Fenster. Bist du rasend, Mensch? was reizt dich so zur Wut?

GLUTHAHN äußerst boshaft. Heraus gehst, sag ich, oder ich zünd 's Haus in allen Ecken an. Ich kenn mich nicht vor Zorn, au weh, mir wird nicht gut, ich armer Mann, wer hilft mir denn? Er sinkt in den Stuhl und löst sein Halstuch. Wasser, Wasser, mir wird übel. Ich stirb, wenn sich kein Mensch erbarmt. Oh, oh!


Pause.


ALZINDE. Götter, welch ein Mensch! Er liegt bewegungslos, – was soll ich tun, wenn er nun stirbt? so bin ich schuld, ich könnte ihn erretten – er ist ein böser Mensch zwar –aber doch ein Mensch, die Sonne scheint auf ihn, so wie auf mich, und fordert mich zu seiner Rettung auf, ich will der Tugend dieses kleine Opfer bringen. Öffnet die Hütte, bringt in einer Schale Wasser. Alter, Alter, hier ist Wasser.

GLUTHAHN springt schnell auf. Heisa, jetzt hab ich s' erwischt. Jetzt kommst mir nimmermehr aus.

ALZINDE. Ha du verräterischer Molch!


Er trägt oder führt sie in die Kulisse, in welcher der Wagen steht.


GLUTHAHN. So. Aufgepackt ist s'. Währenddem bellt der Spitz, der um Fenster heraus will, schrecklich durchs Gitter heraus. Gluthahn kommt zurück. Bist still, du Rabentier! Lustig, jetzt fahren wir auf den Küritag, Schatz. Geht ab. Hotto! Das ist ein Leben.


Der Wagen rollt fort. Der Hund bellt entsetzlich und will heraus. Trautel kommt mit einem Korb Äpfel aus dem Haus.


TRAUTEL. Was bellt denn der Hund so? Spektakel! dort fahrt ja mein Mann und hat ein alts Weib auf sein Wagen. Du gottloser Mensch! wann er nur nichts Schlechts vorhat! Wie er ausjagt, das geht nicht mit rechten Dingen[291] zu. Ich lauf in Steinbruch, such mein Nachbarin, sags den Bader, klags den Richter, allen Leuten unt im Ort will ich gschwind die ganze Gschicht erzählen. Das ist ein Unglück, daß ich gar nicht weiß, was gschehen ist. Lauft mit Lament ab.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 289-292.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Moisasurs Zauberfluch
Raimundalmanach / Moisasurs Zauberfluch

Buchempfehlung

Naubert, Benedikte

Die Amtmannin von Hohenweiler

Die Amtmannin von Hohenweiler

Diese Blätter, welche ich unter den geheimen Papieren meiner Frau, Jukunde Haller, gefunden habe, lege ich der Welt vor Augen; nichts davon als die Ueberschriften der Kapitel ist mein Werk, das übrige alles ist aus der Feder meiner Schwiegermutter, der Himmel tröste sie, geflossen. – Wozu doch den Weibern die Kunst zu schreiben nutzen mag? Ihre Thorheiten und die Fehler ihrer Männer zu verewigen? – Ich bedaure meinen seligen Schwiegervater, er mag in guten Händen gewesen seyn! – Mir möchte meine Jukunde mit solchen Dingen kommen. Ein jeder nehme sich das Beste aus diesem Geschreibsel, so wie auch ich gethan habe.

270 Seiten, 13.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon