Fünfter Auftritt


[426] Voriger. Lucina und Kreon auf Wolken niedersinkend. Kreon beugt sein Knie vor Lucina.


LUCINA.

Du bist gerettet, holder Fürst. Du lebst durch mich.

Des Landes Schutzgeist wars, der niemals von dir wich.

KREON.

Es dankt mein klopfend Herz, mein Sinn vermags noch nicht,

Da vor Erstaunen mir Erinnrung fast gebricht.

Wer bringt mein treulos Glück, ich straf den Hochverrat,

Den es an mir und meinem Volk begangen hat.

O gleißnerische Zeit, wer sollt es von dir glauben,

Durch einen Augenblick kannst du uns alles rauben.

Minuten wissens kaum, daß mich das Elend fand.

Wars denn Phalarius, der drohend vor mir stand?

Woher die Schreckenskron, mit der er frech geprahlt

Und die mit magschem Schein den Brand noch überstrahlt?

Woher die Meuterei, wer herrschet nun im Land?

Ihr Götter, stärket mich, es wanket mein Verstand.

Vor ihm bin ich gekniet, vor diesem Bösewicht?

LUCINA.

Dein Rasen ist umsonst, die Götter hörens nicht.

Siehst du dort den Altar, auf ihn leg deine Klagen,

Die Nimmerruhenden magst du um Rat befragen.

KREON.

So hört mich denn, ihr mächtgen Eumeniden –


Schlagt an die Pforte, die erdröhnt.


HADES tritt hervor.

Vergebens rufst du sie, du störst nur ihren Frieden.

KREON.

Wer spricht hier Worte aus, die Wahnsinn müßt bereuen?

LUCINA bebt zurück.

Erkennst du Hades nicht, den selbst die Götter scheuen?

KREON bebt auch zurück.

Du, Hades, bists?[427]

HADES.

Bins selbst, der dieses Tor bewacht.

LUCINA zu Kreon leise.

Er hat dich um dein Reich und um dein Volk gebracht.

KREON.

Sind die Erinnyen taub, daß sie sich noch nicht zeigen?

HADES.

Erkennt die Siegel hier, der Orkus heißt sie schweigen.

LUCINA jammernd zu Kreon.

O armer Fürst, Unmöglichkeit heißt dein Gebiet,

Aus dem die Hoffnung selbst mit banger Furcht entflieht.


Zu Hades.


Ja, du verdienst, daß Götter dich und Menschen hassen

Die Glut des ewgen Pfuhls muß neben dir erblassen.

Doch jener blutge See bleib Zeuge deiner Wut.

Lucinas Göttermacht bewahret seine Glut,

Bis sich einst Jovis Bild in seinen Wellen spiegelt

Und sein allmächtger Blitz die Pforte dort entriegelt.

HADES mit Hohn.

O Göttin, hold und schön, wie magst du doch so wüten!

Sieh, deine Wundertat treibt neue Todesblüten.

Mich schreckt nicht Zeus, drum sei dein See verflucht.

Und wer durch seine Flut den Durst zu stillen sucht,

Der wird von dieser Stund die Menschenbrut verachten

Und einem Tiger gleich nach ihrem Leben trachten.

Doch nur so lang, bis er so vieles Blut vergießt,

Als aus dem Wundersee sein durstger Mund genießt.

LUCINA.

Halt ein, das geht zu weit, du nächtlich Ungeheuer,

Ist dir denn nichts auf dieser schönen Erde teuer?

Greif an den Himmel hin und raub ihm seine Sterne,

Die Götter selbst verjag nach lichtberaubter Ferne,

Vernicht auch mich, Versuchs! raub mir Unsterblichkeit,

Beginn den Kampf, fall aus, ich bin dazu bereit.


Sie stellt sich ihm mit majestätischer Miene gegenüber.


KREON.

Was klagst du, Erde, noch, ist doch vom bösen Streit

Der weite Orkus nicht, nicht der Olymp befreit.[428]

HADES kalt und gleichgiltig.

Du nennst unsterblich dich, durch Schmähung kannst dus sein.

Ich lasse mich mit dir in keinen Zweikampf ein.

Du bist ein göttlich Weib, mehr brauchts nicht zu erwidern,


Mit vornehmer Nichtachtung.


Das heißt, du bist ein Weib und kannst mich nicht erniedern.

LUCINA mit höchster Würde.

Ich bins, und weil ichs bin, bebt stolzer mir die Brust.

Ich bin ein Weib, des kräftgen Erdballs höchste Lust,

Ein Weib, um das der Brand von Troja hat geleuchtet,

Ein Weib, um das des Donnrers Aug sich mild befeuchtet,

Ein Weib, vor dem sich tief ganz Persien gebeugt,

Ein Weib, das einst ein Gott aus seinem Haupt gezeugt,

Ein Weib, das durch die Welt der Liebe Zepter schwingt,

Der Lieb, die auch zu deinem Felsenherzen dringt,

Ein Weib, das deinen Arm durch einen Kuß kann lahmen:

Das heißt, du bist ein Mann und kannst mich nicht beschämen.

HADES.

In schönen Worten kannst du leicht den Preis gewinnen.

Doch nur durch Mannesgeist gelingt ein groß Beginnen.

LUCINA.

Wohlan, so laß uns nicht durch Elemente streiten,

Durch Flammen, Wogen, Sturm Verderben uns bereiten,

Gebrauchen wir des Witzes feingeschliffne Klinge,

Vielleicht gelingt mirs doch, daß ich den Sieg erringe.

HADES.

Was quält dich doch die Lust, den Orkus zu bekämpfen?

Wie leicht wärs meinem Witz, den Übermut zu dämpfen!

LUCINA schlau.

Wenn dies dein Geist vermag, warum will ers vermeiden?

Die Götter müßten dich um deinen Witz beneiden.

Glaub nicht, daß im geheim die Himmlischen dich achten,

Sie schmähn auf deinen Geist, den sie schon oft verlachten.

HADES mit gereiztem Ehrgeiz.

So will ich dir und den Olympschen Göttern zeigen,

Daß meine Schlauheit nicht sich ihrer List muß beugen.[429]

Es soll dir möglich sein, die Furchtbaren zu wecken,

Doch was ich dir befehl, mußt du genau vollstrecken:

Du kannst zu seinem Sturz die Eumeniden brauchen,

Läßt du auf dem Altar ein dreifach Opfer rauchen.

Erst eine Kron, die eines Königs Haupt geziert,

Der nie ein Reich besaß, noch eins besitzen wird.

Dann einen Lorbeerkranz von eines Helden Stirn,

Der, wenn der Lorbeer rauscht, den Mut schon kann verliern

Und doch verübt' solch ungeheure Herkulstat,

Daß ihm der Krieger Schar den Kranz geflochten hat.

Nun kömmt das Dritte noch, es ist ein Diadem,

Der Eitelkeit Triumph, daß es selbst Juno nähm.

Dies sei aus Myrtenblüt mit Lilienschnee verwebt

Und ruh auf einem Haupt, das sechzig Jahre lebt.

Ein hochbetagtes Weib, mit reichverschlungnen Falten,

Muß es für ihren Reiz als Schönheitspreis erhalten.

Doch Männer nicht allein, die Mitleid kann versöhnen,

Es müssen Weiber sie mit neidgen Blicken Kronen.

Dies sind die seltnen Ding, die ich von dir begehre,

Und findest du sie auf, dann glaub, daß ich dich ehre.

Bring sie zum Opfer hier, dann schmelzen jene Siegel,

Die Pforte donnert auf, gesprengt sind ihre Riegel,

Die Eumeniden frei, Phalarius kann fallen.

Und hör ich sein Gestöhn am Acheron erschallen,

Dann nehm die Kron ich selbst von seiner blassen Stirn

Und weiche dir beschämt, verachtend mein Gehirn.

LUCINA.

Beim Zeus, ich bin erstaunt.

KREON.

Sei nicht so grausam doch,

Daß du die Möglichkeit belegst mit solchem Joch.

Du willst den Flug und kettest unsre Flügel,

Du spornst den Gaul und engest seine Zügel.

HADES.

Sie hats gewollt, ich ändre meinen Ausspruch nie.

Glaubt ihr, der Hölle Süd zeugt keine Phantasie?[430]

Hast du vielleicht gewähnt, Unsterblichste der Nymphen,

Es lasse Hades sich so ungerächt beschimpfen?

Ich bin, was du so schlau gefordert, eingegangen,

Doch bleibet unerfüllt mein dreifaches Verlangen,

So seis bei des Cocytus Trauerlauf geschworen,

Du wirst des Orkus Spott, und Kreon ist verloren.


Geht mit Würde ab.


KREON.

Verloren bin ich, ja, mein Sturz war schon vollendet,

Als sich sein Furienblick nach meinem Reich gewendet.

Das Rätsel ist nun klar, ich weiß, wie es geschah,

Mein Unglück steht entlarvt und frech entkleidet da.

Was ist das Leben doch, wie war ich zu bedauern,

Wenn ich nicht sterblich wär und müßte ewig trauern!

LUCINA.

Oh, traure nicht zu früh, mein Geist gebärt Gedanken,

Die ihn mit Hoffnungen wie Efeu grün umranken.

Die Götter duldens nicht, daß solch ein Reich vergeht,

Wo ein so edles Volk für seinen König fleht.


Nachdenkend.


Massanas Fürst ist krank und wird nie mehr genesen,

Das Unglück haust zu arg, es muß das Land verwesen.

Dann hier der blutge See, das kallidalsche Schwein,

Mein Wundermittel wirkt, es kann nicht anders sein.


Der Wolkenwagen sinkt wieder herab.


Drum eile jetzt mit mir nach meinem Luftgefilde,

Vertausch den Anblick hier mit einem schönern Bilde.

Ich will durch magsche Kunst ein Zauberlicht bereiten,

Dann such durch Fremdlinge den Trug ich einzuleiten.

Du aber kannst hier nichts zu deiner Rettung helfen,

Drum harrest du auf mich im Kreise meiner Elfen.

KREON.

So gern du, Göttin, magst nach deiner Heimat ziehn,

So schmerzlich fällt es mir, die meinige zu fliehn.


Mit tiefer Rührung.


O du mein teures Reich, ich muß mich von dir trennen,

Den rauhen Felsen nur kann meine Qual ich nennen.[431]

Wo lebt ein König wohl, der solches Leid getragen,

Daß seinem Volke er kein Lebewohl darf sagen?

O Echo, deren Schall in allen Bergen tönt,

Verkünd das Trauerwort: Leb wohl, mein Agrigent.

Nun folg ich, Göttin, dir ins traumbeglückte Land,

Verlass' mein wirkliches, aus dem man mich verbannt,

Doch wenn die Wolken mir mein treues Volk verhüllen,

Wird sich des Königs Aug mit heißen Tränen füllen.

Magst du den Schmerz als kleinlich auch betrachten,

Er ist ein heilges Weh, du darfst ihn nicht verachten.


Er kniet vor ihr.


LUCINA gerührt die Hand auf sein Haupt legend.

Ich ehre tief dein Leid, es führt dich einst zum Lohne,

Der Schmerz gehört der Welt, drum trägt ihn auch die Krone.


Hebt ihn auf.


Erhebe dich, mein Fürst.


Laßt ihn in den Wolkenwagen steigen.


Ein Thron soll dich umrauschen.


Die Wolke schlagt sich auf und bildet einen Thronhimmel über Kreons Haupt.


Ist mir Fortuna hold, sollst du ihn bald vertauschen.


Unter zart klagender Musik schwingen sich beide langsam fort.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 426-432.
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