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[123] Ein Buchladen; kann auch ein Zimmer sein.
Till und der Baron.
TILL ein Pack Bücher zusammenschnürend. Wohin befehlen Sie Ihnen die Bücher zu schicken, Herr – – – Ich weiß nicht, mit wem ich die Ehre habe – –
BARON. Baron Riedberg. Ich wohne im Schwan; doch die Bücher werde ich holen lassen.
TILL. Wie Sie befehlen, Herr Baron.
BARON. Sie bekommen – –?
TILL. Eine Kleinigkeit: 23 Thaler 4 Groschen.[123]
BARON Geld hinwerfend. Gerade Rechnung: 4 Friedrichsd'ors.
TILL. Unterthänigen Dank.
BARON. Schweres Gold für leichte Waare.
TILL. Wollen Sie Exemplare auf Velin? Die fallen mehr in's Gewicht.
BARON. Sind aber auch theurer. Es ist eine schlechte Gewöhnung unserer Zeit, daß wir neben der leiblichen Speise auch geistige bedürfen, und dadurch unsere Nahrungssorgen verdoppeln.
TILL. Verdoppeln wohl nicht. In geistiger Hinsicht ist doch keine Hungersnoth zu fürchten; denn im schlimmsten Falle kann man sich den geistigen Hunger abgewöhnen durch Gewöhnung an den gedankenlosen Müßiggang einer stillen Seele.
BARON. Gut bemerkt. Sie sind ein Mann von Geist. Es thut mir leid um Sie: denn es wird nächstens eine Tracht Prügel auf Sie regnen, wie noch keine auf eines Menschen Leichnam gefallen ist.[124]
TILL. Herr Baron, Sie verstehen die Kunst nicht, die Sie treiben. Ein Prophet muß dem Einzelnen Glück und dem Ganzen Unglück weissagen, wenn er Glauben finden will.
BARON. Glauben Sie, was Sie wollen. Es thut mir leid, aber ich habe ein Gelübde gethan, einen zweiten Lazarus aus Ihnen zu machen.
TILL. Sie scherzen. Ein Mann, der so schönes Geld besitzt, besitzt auch hohe Bildung und echte Humanität, und wird also eine humanere Weise finden, sich seinem Nebenmenschen verständlich zu machen. Wie käme ich auch ohne vorläufige Bekanntschaft zu der Ehre?
BARON. Haben Sie mein Trauerspiel »Atreus und Thyestes in der Südsee« gelesen?
TILL. Habe ich also die Ehre den geistreichen Verfasser des trefflichen Werkes vor mir zu sehen? Könnte ich nicht so glücklich sein irgend einen Beitrag aus Ihrer geschätzten Feder zu meinem Conversationsblatte – –[125]
BARON. Haben Sie das Trauerspiel gelesen?
TILL. Gelesen eben nicht – – –
BARON. Ich kann wohl sagen, das Uebermenschliche das Unglaubliche ist darin geleistet. Das Stück spielt auf Neuseeland, nichts als Menschenfresser treten auf; aber Menschenfresser aus Grundsätzen, aus löblicher Anhänglichkeit an die Sitten ihrer Väter. Und doch ist alles sehr zart gehalten und obendrein in einem Akte.
TILL. Das ist nun freilich das Unglaubliche.
BARON. Und dieses Kunstwerk hat eine ruchlose Kritik schändlich verläumdet und gelästert, und diese schamlose Recension haben Sie schamlos in Ihr Conversationsblatt aufgenommen. Darum bin ich entschlossen ein furchtbares Beispiel poetischer Gerechtigkeit aufzustellen, das alle Kritiker, Redactoren, Verleger, Setzer und Drucker von nun an bis in alle Ewigkeit schrecken soll. Deshalb bin ich hier mit handfester Begleitung. Aber sein Sie ruhig. Todt geschlagen werden Sie nicht; nur so viel Streiche[126] sollen Sie empfangen, als nur irgend die Justiz für Geld erlaubt.
TILL. Wäre es nicht besser, Herr Baron, Sie gäben mir das Geld? Ich übernähme es dann wie Sancho, mich selbst zu züchtigen.
BARON. Bravo, Herr Commissions-Rath! Ich sehe, man hat Sie mir richtig geschildert. Sie sind ein Mann der Scherz versteht. Ich bin der Mann, der eine Gefälligkeit zu schätzen weiß. Sagen sie mir also, ob es wahr ist, was ich gehört habe die Baronin von Fliedershausen sei die Verfasserin der Recension?
TILL. Sie ist mir anonym zugesandt worden.
BARON. Keine Ausflüchte! Die Wahrheit soll Ihnen keinen Schaden bringen.
TILL. Nun ihres Abschreibers Hand war es freilich. – Die Urschrift ist von ihrer eignen Hand gewesen das gesteht der Abschreiber – A.A. die Anfangsbuchstaben ihres Schriftstellernamens Aurora Abendroth, stehen unter der Recension. Ob das nun hinreicht, sie als Verfasserin derselben anzunehmen – –[127]
BARON. Vollkommen. Wie aber können Sie Kritiken von einer Frau in Ihre Zeitschrift aufnehmen?
TILL. Wie sollte ich nicht, Herr Baron? Sie liefert mir die Recensionen unentgeltlich.
BARON. Pfuy! wie eigennützig!
TILL. Sie sind vermuthlich sehr lange außer Landes gewesen, sonst würde Ihnen ohne Zweifel bekannt sein, daß man eine kritische Zeitschrift nur herausgiebt, um allen kritischen Lagen, d.h. aller Geldnoth, auf immer vorzubeugen, ja wo möglich ein Rittergut damit zu verdienen.
BARON. Abscheulich.
TILL. Ja, Herr Baron, Sie haben gut reden: Sie sind wahrscheinlich im Besitz eines oder mehrerer Rittergüter, und wissen also nicht, wie einem ohne Rittergut zu Muthe ist. O, es ist kein Leben und keine Seligkeit ohne Rittergut! Soll man nun nicht vor allem Andern darnach trachten?
BARON. Mag sein. Und freilich, seit der wahre Handel[128] danieder liegt, hat man seine Zuflucht zum Papierhandel genommen. Ich pränumerire deshalb auch auf zehn Exemplare Ihres Conversationsblattes, brauche aber natürlich keins. Alles, was ich künftig, versteht sich auf meine Kosten, drucken lasse, gebe ich Ihnen in Kommission und verlange nichts vom Ertrage.
TILL. O Sie großmüthigster Gönner – – –
BARON. Und doch sollen das nur die kleinsten Beweise meiner Erkenntlichkeit sein, wenn Sie mir beistehen.
TILL. Einem so wahren Beschützer der Kunst und Wissenschaft stehe ich gern zu Diensten wenn nur – –
BARON. Hören Sie. Daß ich mich über solch eine Recension nicht besonders gräme, können Sie leicht denken: was hülfe es auch, da man sich an einer Dame doch nicht rächen kann! Aber ängstigen möchte ich die Baronin ein wenig für ihre scharfe Kritik, so, was man nennt, ihr die Hölle heiß machen. Wollen Sie mir behülflich sein?
TILL. Wer könnte Ihnen etwas versagen? Ihren goldenen Worten widerstehen? Aber nur unter der[129] Bedingung, daß meine hohe Gönnerin nie etwas von meinem Antheile an der Sache erfahre.
BARON. Zugestanden. Sie sollen im Gegentheil sich noch ein Verdienst in den Augen der Baronin erwerben; auch kann ja das Ganze nur auf einen Scherz hinauslaufen. Ich bitte nochmals um Ihren Beistand, ohne den ich nichts vermag. Ich kenne die Baronin durchaus nicht; Sie aber sind, wie ich höre, ihr Factotum.
TILL. Nicht ihr Factotum, Herr Baron nein das nicht. Factotum will viel sagen, will zuviel sagen. Also nicht ihr Factotum, höchstens ihr literarischer Vertrauter. Aber wie meinten Sie denn – – –
BARON. Das wollen wir jetzt überlegen.
TILL. Hier mögten wir gestört werden, Herr Baron. Wäre es Ihnen nicht gefällig in dieß Kabinet zu treten? Ein kleines Frühstück, ein Glas Rheinwein, dabei überlegt es sich am behaglichsten.
BARON. Gut. So thaten unsere Vorfahren, und es war ihrer Sitten schlechteste nicht.[130]
TILL. Haben Sie nur die Güte – ich bin sogleich bei Ihnen.
Der Baron geht in das Zimmer.
TILL sich noch mit Büchern beschauend. Er pränumerirt und überläßt mir den Ertrag seiner Schriften; sie liefert mir die Recensionen unentgeltlich: das ist eine herrliche Zwickmühle, die mich um einige Jahre dem Rittergute näher bringt. – Ob ich Recht thue? unbezweifelt. Ein guter Bürger muß stets das Wohl des Staates vor Augen haben; der Staat ist aber desto kräftiger und glücklicher, je wohlhabender seine Bürger sind: also ist es die Pflicht eines guten Bürgers, sich zu bereichern. Stehlen und Betrügen ist schändlich und dringt Gefahr: also macht man sich Anderer Torheit zu Nutze. Tertium non datur; und damit gut.
Er folgt dem Baron.
Verwandlung.
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