Zehnter Auftritt.

[26] Irmengard. Agnes. Der König. Philipp. Die noch nicht anwesenden Fürsten kommen während des Chors, dann das Balletpersonal, zuletzt Heinrich. Deutsche und französische Edelknaben. Kaiserliches Gefolge.


CHOR sobald der Hof erscheint.

Willkommen Sonne mit den Sternen;

O Glanzesfülle! Lichtespracht!

Du leuchtest in Hesperiens Fernen

Und in des Nordens langer Nacht.

Ballet, die Vermählung des Rheins mit der Seine, allegorisch darstellend. Sobald dasselbe endet, kömmt der Kaiser mit den übrigen zum Hofe gehörigen Personen in den Saal herab. – Heinrich tritt, schwarz verlarvt, von der linken Seite ein, mischt sich unter die übrigen Masken und hört das Folgende mit an.


KAISER zu den ihn umgebenden Fürsten und Rittern.

Noch reicher soll der Quell des Jubels fließen!


Auf Agnes zeigend.


Ihr könnt hier eine Königsbraut begrüßen,

Denn Frankreichs Herrscher wirbt um ihre Hand;

Wir und der Vater billigen dies Band.

[26] Größtentheils zugleich.


CHOR.

Der Fürstin Heil! o freudenvolle Kunde!

AGNES leise zu Irmengard.

O Mutter! hörst du diesen Todesspruch?

IRMENGARD ebenso zu Agnes.

Getrost mein Kind, sie sollen's nicht vollenden.

HEINRICH für sich.

Die Stifter dieses Bundes treffe Fluch!

PHILIPP für sich.

Weh', armer Freund, nichts kann dein Schicksal wenden!

KAISER für sich.

Es scheint, als ob wir wenig Dank hier fänden.

KÖNIG für sich.

Was muß ich seh'n? – nur Staunen giebt sich kund.


Zu Agnes.


Wir huld'gen, Herrin, Euch mit Herz und Mund.

CHOR DER FRANZ. RITTER UND TROUBADOURS.

O, glücklich Frankreich, das Euch krönet

Mit seinem gold'nen Lilienkranz!

Das Höchste selbst, den Thron, verschönet

Der Frauenmilde sanfter Glanz.[27]

KAISER.

Auf, auf zum Tanz! beginnt den deutschen Reigen!

Final.


CHOR DER DEUTSCHEN.

Der fremde Tanz zerrinnt, die fremden Töne schweigen;

Die alte Weise klingt, die deutsche Lust erfand;

Es ziehet feierlich der ächte deutsche Reigen

Durch dieser Säle Raum sein farbig wogend Band.

HEINRICH für sich.

Der Schlag ist gefallen, der Fluch ist gesprochen,

Das Leben vernichtet, die Seele gebrochen,

So reiße denn jedes noch fesselnde Band!

Das ist kein ewiges Schicksal von oben:

Ein Schicksal, das Menschenhände gewoben,

Zerstören kann es des Menschen Hand!

KÖNIG kömmt mit Agnes aus dem Gedränge auf den Vorgrund.

Wollt Ihr sogar Gehör mir versagen?

Raubt Ihr die schmeichelnde Hoffnung mir?

AGNES.

Ach, bestürmt mich nicht länger mit Klagen,

Und erlasset die Antwort mir.[28]

IRMENGARD, PHILIPP UND EINIGE FÜRSTEN beobachten mißtrauisch Heinrichs auffallendes Benehmen.

Seltsam ist jener Maske Betragen,

Fremd scheint des Hofes Sitte ihr.

CHOR.

Der Spender dieser Lust, der mächt'ge Kaiser lebe!

Es blüh' im ew'gen Glanz das hohe Herrscherhaus!

Der königliche Baum der Hohenstaufen strebe

In's leichte Aetherreich, in's Sternenfeld hinaus!

KÖNIG immer dringender zu Agnes.

Der Jahre Flüchtigkeit würd' ich beklagen,

Und grausam wollt Minuten Ihr versagen,

Ja, selbst den Augenblick? –

AGNES.

Ihr spottet, Herr, was könnt' ich Euch versagen,

Das würdig wäre, Leid darum zu tragen?

O, kommt zum Fest zurück!

HEINRICH.

Ha, soll er das vor meinen Augen wagen?

Beim Himmel! nein! ich will's nicht länger tragen,

Nicht einen Augenblick!

[29] IRMENGARD UND PHILIPP.

Näher scheint sich die Maske zu wagen,

Drohender Haltung lauscht sie dort.

DIE FÜRSTEN.

Näher scheint sich die Maske zu wagen,

Eifrig erlauschend jedes Wort.

HEINRICH zwischen Agnes und den König tretend, zu letzterem.

Ein Wort mit Euch.

KÖNIG.

Kein Wort mit Euch!

HEINRICH.

Ihr müßt mich hören!

KÖNIG.

Wie, Verwegner?

HEINRICH.

Ihr geht zu weit, mißbraucht des Königs Recht!

KÖNIG.

Ha, frecher Mund! – Wer seid Ihr? sprecht!

HEINRICH.

Kein Wüstling von der Seine Strand.

KÖNIG.

Ihr wagt zu schmäh'n mein Volk, mein Land?[30]

HEINRICH.

Schimpf Euch und ihm!

KÖNIG.

Schwer sollte meine Hand

Dich züchtigen an and'rem Ort!

HEINRICH.

Mich zücht'gen? – Blut für dieses Wort!


Er dringt mit gezogenem Schwert auf den König ein, auch dieser zieht das Seinige, sich zu vertheidigen. Philipp, deutsche und französische Ritter treten

dazwischen. Allgemeine Bewegung.


ALLE UMSTEHENDE.

Halt ein! Halt ein!

DIE FRANZÖSISCHEN RITTER.

Wißt, der Gesandte – –

KÖNIG einfallend.

Schweigt!

CHOR den Kaiser gewahrend.

Der Kaiser! Freie Bahn!

KAISER.

Die Schwerter weg!

PHILIPP zu Heinrich.

Wer bist Du, der es wagt? – Entlarve dich!

Ha, Heinrich! Gott!

[31] AGNES, IRMENGARD, DIE FRAUEN.

Weh, Heinrich ist's!

CHOR.

Wie, Heinrich ist's!

DIE FRAUEN.

Barmherz'ger Gott!

KAISER mit dem Chor.

Des Welfen Sohn?

KÖNIG.

Philipp Augusts Gefangener?

KAISER zu Heinrich.

Du hier! – – Verbannt! – Geächtet! – Frankreichs Haft

Entsprungen! – Mörder jetzt! – – –


Quelle:
Gaspare Spontini: Agnes von Hohenstaufen. Berlin 1837, S. 26-32.
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