50. En Schmuh

[319] In Prenzlau wahnt en Jud', de hadd

Mit Giz den wohren Deuwel seihn;

Hei höll dat Sinig so tau Rad',

Dat ein em bi de beiden Bein

Uphängen künn un künn em stäkern,

Hei rückt nicks rut un däd versäkern,

Hei wir bi Gott en armen Mann,

Un stellt sick gottserbärmlich an.

De Lüd vertellten, dat hei jede Nacht

In sinen Hus' un Hof un Goren

Mit Hun'ngeblaff höll sülwsten Wacht,

Üm't Fauder för en Hund tau sporen.

Dat weit ick nich un heww dat ok nich hürt,

Behaupt dat drüm ok nich, denn Unrecht wir't,

Wull ick wat seggen, wat nich is;

Doch dat, dat weit ick ganz gewiß,

Dat hei des Morgens, wenn de Scheper drew,

Sick irst nah sine Schap begew,

De Stalldör fast heranner tog

Un up de Schap herümmer slog,

Bet s' allen Anstand in ehr Angst vergeten

Un em irst ehr Rosinen leten.

Un hadd'n s' em de Rosinen laten,

Denn makt oll Mauscher d'rut Dukaten.


Oll Mauscher, de würd rik, sihr rik,

Sin Giz, de blew sick ümmer glik,

Un ebenso was dat nich minner

Mit sine Sähns un Swigerkinner.

Doch wat de Oll mit Schap bedrewen,[319]

Bedrewen sei mit arme Sünner,

De in Verlegenheiten seten;

Kredit würd ehr nich ihre gewen,

Bet s' ok irst ehr Rosinen leten.

Un handelt Mauscher blot mit Posen

Un höchstens mit geflickte Hosen,

Denn müßt dat nu bi Itzig un bi Benjamin

Mit Wull, Perdukten, Staatspoppieren sin.

Von Mauschern sin Nahkamenschaft

Würd an de Börs' tau Hamborg spraken.

Stamm Mauscher gräunt in vuller Kraft,

Un an em sünd Papiercher un Dukaten

Linglang as Bladd an Bladd upbraken.

Un äwer sine Sähns un Döchter

Brök ok de Bildung plötzlich rin,

As wenn s' mit ein'n Nürnbarger Trechter

Ehr in den Däts würd trechtert sin.

An Schawwes un an lange Nacht,

Dor würd nu länger nich an dacht,

De Standpunkt, de was äwerwunnen;

De Damen güngen in den Tee

Un legen up den Kanapeh

Un lesen in de Schawwesstunnen

Den »göttlich schenen ew'gen Juden

Von'n göttlich schenen Euscheen Szüh«.


De öllste Sähn, Herr Hirsch, de makte

Ganz nüdlich in Philosophie;

De tweite Sähn, Herr Itzig, strakte

Sick mit Mamsells un Hun'n un Pird'

Un güng mit Ridpitsch un mit Sporn,

As wenn de Pitsch em antrut word'n,

De Sporn mit em geburen wir.

Un wat de drüdd nu was, Manasse,

Dat was en groten Fläutenspeler,

En groten Hun'n- un Kattenquäler[320]

Un einen groten Dichter was'e

Un was en Leiwling von de Kallen.

De jüngst nu äwerst, Benjamin,

Dat was de Upverklärtst von allen;

De Schinken von drei fette Swin

Un Mettwurst, Speck un suren Aal,

Kort, wat en annern Minschenmagen

Nich minschenmäglich tau verdragen,

Dat fratt hei allens in sick dal.

Sin Meinung was, de Upverklärung

Set in de Swinfleisch-Speck-Vertehrung,

Un hadd ein seggt tau Benjaminen,

Dat de Upverklärung in den Mauscherstamm

Von Geld un noch wat anners kamm,

Taum Bispill von de Schapsrosinen,

Hei hadd mit Hand un Faut sick wehrt,

Hei wir von Swinfleisch upverklärt.


Indessen was't nu einmal so:

Un hadd'n sei Mosen ok vergeten,

Sei hadd'n doch Mosen un Propheten.

Doch würd'n s' nich ehres Lewens froh,

Denn wenn s' den Glanz recht seihen leten

Un deden grot Gesellschaft gewen,

Denn müßt den ollen Tatterlewen

De Bös' un sin Großmauder riden,

Dat hei in sinen Neglischeh

Herin kamm in de Sauereh.

Dat künn'n sei denn nu doch nich liden.

Oll Mauscher, de hadd keinen Rock,

Hei drog man blot 'ne korte Jack,

Un up de Jack satt Plack an Plack,

Un an de Placken Lock bi Lock.

Un Itzig seggt: »Wie aus den Meß

Kommt Tatterlewen zu die Damen.«

Manasse treckt die Stirn tausamen:[321]

»Un vor Musik kein Interess';

Ich glaub', wenn Wolf-Hirsch-Löwen-Meier-Beer,

Robert der Teufel selbst käm' her

Un spielt ihm einen Schottschen vör,

Er ließ nich von de kurze Jack.«

Na, nu de Kläukst was Benjamin,

Un all de annern glöwten't ok,

De säd denn nu: »Ei, dummen Schnack!

Das beste ist, wir kaufen ihn

Vor unser Geld en neuen Rock,

Ich meine so, so'n Toler neun,

Un bilden ihm denn kindlichst ein,

Wir hätten nur zwei Taler gewen,

Denn trägt ihn unser Tatterlewen.«


Na, dat schüht ok, de Rock ward köfft.

Oll Mauscher kümmt tau sine Kinner,

Un sei vertelln em dat Geschäft

Un bring'n em in den Rock herinner.

Oll Mauscher kickt un strickt un deiht,

Un as hei vör den Speigel steiht

Un sick besüht, dunn fröggt de Oll:

»As Gott mich niemals strafen soll,

Was gabst du, Benjamin, for ihn?«

»Zwei Toler«, seggt em Benjamin.

De Oll geiht nu ganz lustig furt,

Doch knapp hett dat twei Stunden durt,

Dunn kümmt hei in sin Jack taurügg.

Na, Benjamin, de wunnert sich

Un fröggt, wo denn de Rock wir blewen?

Dunn seggt sin Mauscher-Tatterlewen:

»Verkoft! Mit Schmuh verkoft! Sieh hier!

Zwei Toler kost't dat Röckche dir,

Ich kriegte vier –

Zwei dir, zwei mir.

Mag Gott uns oft so'n Rebbes gewen!«

Quelle:
Fritz Reuter: Gesammelte Werke und Briefe, Band 2, Rostock 1967, S. 319-322.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Gellert, Christian Fürchtegott

Die zärtlichen Schwestern. Ein Lustspiel in drei Aufzügen

Die zärtlichen Schwestern. Ein Lustspiel in drei Aufzügen

Die beiden Schwestern Julchen und Lottchen werden umworben, die eine von dem reichen Damis, die andere liebt den armen Siegmund. Eine vorgetäuschte Erbschaft stellt die Beziehungen auf die Probe und zeigt, dass Edelmut und Wahrheit nicht mit Adel und Religion zu tun haben.

68 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon