Scena III.

[172] Alexander, Eudocia.


ALEXANDER. Jsts denn wahr vielgeliebte Schwester / daß jhr vnser heutiger Scharmützel vnd Heerschawunge so wol gefallen?

EUDOCIA. Ja fürwahr / vielgeliebter Bruder / es ist nicht allein mir / besondern auch dem gantzen Königlichen Frawenzimmer eine besondere Lust / vnd Liebligkeit anzusehen gewesen das die Krieges Trouppen sampt jhren bey sich habenden hohen vnd niedrigen Officirern / Fahnen vnd Spielwerck / so fein ordentlich zu Roß vnnd Fuß auffgezogen kommen / daß aller anmühtigste aber wahr daß die beyde Königliche Printzen / Perseus vnd Demetrius so tapffer sich einander wiedersetzten / fast lächerlich aber wahr es anzusehen / das der Printz Perseus (der doch sonsten ein so mannlicher Kriegesmann seyn will) sich so leichtlich von seinem Bruder Demetrio ließ zu rücke treiben / da er sich doch anfangs stellete / alß wolte er gantze Regimenter allein fressen.

ALEXANDER. Daß alles vielgeliebte Schwester / lasse sie sich gantz vnd gahr nicht wunderen. Es ist des Printzen Persei alte Mannier / daß er mit dem Maul sehr behertzet / in der Taht aber ziemlich feig vnd erschrocken ist. Aber ich bitte / die Schwester sage mir doch / wie gefeit jhr der Printz Demetrius? Jst er nicht ein Herr / von sehr trefflichen qualiteten?[173] Stehet jhm nicht alles über die masse wol an / daz sich auch ein jeder der jhn nur siehet / über seinen trefflichen Verstandt / grosse Bescheidenheit vnd heroische Tapfferkeit höchlich verwundern muß.

EUDOCIA. Ja warlich / vielgeliebter Bruder / nicht alleine ich / besondern auch alle andere so der vergangenen Musterung beygewohnet / müssen bekennen / daß sie niemahls einigen Fürsten gesehen / der mit so vortreffentlichen Tugenden wehre begäbet gewesen / weßhalben jhme auch vor allen anderen der höchste Ruhm ward zugetheilet / alß dehme da vnter der gantzen Armee keiner zuvergleichen / ja auch jhrer viel wünscheten öffentlich vnd rieffen die Götter an! daß nach ableiben seines Herrn Vaters / er vor seinem Bruder Perseo das Königreich Macedonien möchte regieren.

ALEXANDER. Dieses zwahr / vielgeliebte Schwester / wehre wol höchlich zu wünschen / ist aber schwerlich zu hoffen / alß welches / (so lang der Printz Perseus noch bey Leben ist) nimmermehr wird geschehen.

EUDOCIA. Es ist wol nicht ohne / Perseus, alß der Eltiste / vnd dannenhero rechtmessiger Erbe des Königreiches / wird nach Ableiben des Herren Vaters sonder allen zweiffel zum Regiment gelangen / doch bitte ich den höchsten Gott / daß er ja dem vortrefflichsten Printzen Demetrio, die gantze Zeit seines Lebens / Glück / Heil vnd alle gedeiliche Prosperitet verleihen / vnd ja bey Fürstlichen Wolstande gnediglich erhalten wolle.

ALEXANDER. Vnd eben das ist auch mein eintziger Wunsch / bitten vnd begehren / denn / wer wolte nicht viel lieber / einen frommen / verstendigen vnd auffrichtigen Fürsten / so alse einen Tyrannen vnd Wühterich zum Regenten haben: Demetrius zwahr fehet alles in seinen Händelen nichtes vnbedachtsahm an / besonderen alles mit klugen Raht /[174] guter Ordnung vnnd sonderlicher Vorsichtigkeit: Perseus aber / (alse der da eines Kriegerischen vnd blutgierigen Gemühtes ist) will aller Ohrten mit dem Kopffe hindurch / vermeinet alles mit Tyranney zu vberweltigen / vnd weiß ich nunmehr gewiß / daß er wegen dessen / in der Musterung jhme erwiesenen Schimpffes / dergestalt über den Printzen Demetrium ist entrüstet / daß er auch (wenn es nur in seiner Macht stünde) denselben / alle Brüderliche affection hindan gesetzet / jämmerlich würde hinrichten / morden vnd erwürgen.

EUDOCIA. Davor wollen ja die Götter / dieses Königliche Bluht bewahren / den allervortrefflichsten Printzen erhalten / vnd diesem greulichen Bluthunde steuren vnd wehren.

ALEXANDER. Jch gläube festiglich daß die allergerechteste Götter / welchen nichts so sehr alß Tyrannischer Hochmuht mißfelt / den sanfftmühtigen vnd friedferdigen Printzen Demetrium wol werden schützen vnd erhalten vnd ich will meiner Zusage vnd einmahl gegebener Trewe nach / Leib vnd Leben / Guht vnd Blüht / auch was ich vnter der Sonnen vermag / willig bey jhm auffsetzen. Jch muß mich aber schleunig hin zu jhme verfügen / zu vernehmen / ob sein grimmiger Bruder Perseus noch dergestalt über jhn entrüstet / damit wir eiligst rahtschlagen / wie doch solchem wachsenden Vbel bey Zeiten vorzukommen /

EUDOCIA. Vnd ich wil mich hinein zum Herren Vater verfügen ob vielleicht derselbe mir etwas anzubefehlen hette. Alexander gehet ab / Eudocia bleibet alleine auff dem Platz vnnd redet gahr kläglich. Nun wollan / mein Bruder gehet jetzt hin zu dehme / den meine Seel über alle Dinge dieser Welt liebet: Ach wehe mir vnglückseligen Creatur / worein habe ich mich gestürtzet? Wohinauß habe ich doch gedacht? Was hat mich doch bewogen / daß ich mein Hertz zu einem so mechtigen Königlichem Printzen habe dörffen[175] setzen? O Du verfluchte Liebe / wie hastu mir doch Leib vnd Seel / Hertz / Sinne vnd Gedancken / so gahr eingenommen / vnd besessen / so daß ich auch meiner selbst nicht mehr mechtig bin! Nunmehr mag ich keine eintzige stunde in Frewde vnnd Ergetzligkeit zubringen / angesehen mir alle Hoffnung abgeschnitten ist / den jenigen zu meinem getrewesten Liebhaber vnnd Ehegemahl zu überkommen / dehme wegen seiner grossen Mannheit / vortreffentlichen Schönheit / vnd vielfeltigen Tugenden / billich die Allerholdtseligste / vnd auß dem allerhöchsten / ja Königlichem Geschlechte entsprossene Junckfrawe zum Ehelichen Gemahl gebührte. Dieses alles zwahr kan ich sehr leicht bey mir erkennen / aber es wird dadurch die feurige vnd inbrünstige Liebe / so ich gegen jhm trage nicht geringer / besonderen vielmehr hitziger vnd grösser also / daß auch in kurtzer Zeit meine liebhabende Seele an dem betrübten Cörper scheiden / vnd mit vnsäglichen Heulen / klagen vnd lamentiren in die Elyseische Felder wird fahren / wo nicht dieser Edler Printz sich meiner erbarmen / vnnd seiner Königlichen Liebe vnd Freundtschafft wird würdigen. Ach Amor / grimmiger Amor / wie ists doch müglich / daß du zugleich süß vnd bitter / zugleich freundtlich vnnd grausahm / zugleich tröstlich vnd erschrecklich seyn kanst? O Du verfluchte Liebe / mich mich wirstu mit meinem vbergrossen Hertzeleidt erwürgen / mich wirstu in den schwartzen Schos der Erden bringen. Darumb O Venus / du getreweste Mutter der Liebe / vnd o jhr alle andere himlische Göttinnen / erbarmet euch doch mein / vnd sehet an meine Vnschuldt? Nun ich hochbetrübte will mich in mein Kämmerlein verfügen / auff daß ich daselbsten mein grosses Elend vnd der liebe Bößheit vngehindert beweinen möge.


Quelle:
Johann Rist: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1972, S. 172-176.
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