Scena IV.

[176] Demetrius, Alexander.


DEMETRIUS gehet allein auff. Nun hilff Jupiter, du grössester Gott / du gewaltigster Herscher vnd Regent Himmel vnd der Erden / hilff abermahl / hilff / daß ich den grossen Zorn meines grimmigen Bruders Persei (der wegen des vorgelauffenen / jhme vnglückseligen Scharmützel / dergestalt auff mich ist ergrimmet / daß er auch Tag vnnd Nacht dahin trachtet / wie er sich gantz grausamlich an mir rechen / vnd mit einer erschrecklichen bluhtigen That meinem Leben seine Endtschafft gebe) entfliehen möge! Ach wehe mir vnglückseligsten auff Erden / der ich einen solchen erbitterten Feindt / vnd gantz gehessigen Verfolger an meinem leiblichen Bruder muß haben / dehme ich doch Zeit meines Lebens nicht die allergeringste Injuri oder Vnbilligkeit zugefüget habe! Ach wolte Gott ich nur einiges Mittel zuerfinden wüste / dadurch seyn hefftiges Gemühte könte gemiltert werden / es solte warlich meine Sanfftmuht seiner Grausahmkeit / meine Gedult / seinem hitzigen Eyfer alles zu gute halten. Aber / leider / leider / sein halßstarriges Vornehmen ist schwerlich zuenderen / dadurch denn ich Elender gezwungen werde / in stetswehrender Vnglückseligkeit bestecken zubleiben. Kein schlechtes Hertzeleidt ists / wenn der jenige / dem das Glück zu allen vnd jeden Zeiten wol gewolt vnd favorisiret hat / darnach so plötzlich mit dem Vnglück wird überheuffet / daß er jhm auch selbsten weder Hülffe noch Raht schaffen kan; Ach ist nicht eben ein solches mir zu banden gestossen / in dehme mir jetzo das[177] Vnglücke mit hauffen kommet: Denn nicht allein muß ich diese so schwere Verfolgunge meines eintzigen Bruders erleiden vnd außstehen / besonderen ich bin in ein viel grössers vnd schwerers Elendt gefallen / da nemlich die göttliche Schönheit / hochberühmbte Frömmigkeit / vnd andere viel herrliche qualiteten der allertugentreichesten Jungkfrauen Eudociæ, des Statthalters Poridis einziges Töchterlein / mir meine Freyheit dergestalt benommen / daß da ich zuvor auff nichtes anders / alse Rittermessige Vbünge / schöne Waffen / muhtige Pferde / vnd andere dergleichen / einem tapfferen Chevalier wolgeziemende Sachen bedacht gewesen / nunmehr eintzig vnd allein dieses holdtselige Jungkfräulein Tag vnd Nacht in meinem Hertzen trage / Ach / ists auch wol möglich / daß eine schwache Weibes Persohn / die aller tapfferste Ritter / vnnd mannlichste Helden der Welt / ohne alle Waffen überwinden / ohne alle Fesselen zwingen / ja ohne alle Stricke vnd Ketten dergestalt binden kan / daß sie jhrer selbst vergessen / jhr behertztes Gemühte verliehren / den Waffen gramm werden / ja so gahr in die allereusserste Desperation vnd Verzweiffelung sich jämmerlich stürtzen! Ach wie gahr frembd ist mirs vorkommen / wenn ich andere / von den wunderbahren / vnd fast vngleublichen Effecten der Liebe habe discurrieren hören! Niemahlen hette ich mir auch die allergeringste Gedancken gemachet / das ein Weibesbildt mich hette überwältigen können / da es doch nunmehr so weit mit mir kommen ist / daß ich mit grossem Hertzeleidt / diese trübselige Welt gesegenen / vnd von hinnen scheiden werde / es sey denn / daß die eintzige / noch übrige Hoffnung / so ich zu der allerschönsten Eudociæ Bruder meinem getreuwesten Freunde Alexandro, dem Edlen vnd ritterlichen Jünglinge trage / mich etwas contentire, denn ich der vngezweiffelten Meinung gelebe / daß gleich wie dieser mein Freundt vor dieser Zeit Leib vnd Leben bey mir auffgesetzet / also er mir auch in dieser Sache die hülffliche[178] Handt gerne vnd willig biehten werde / Alexander gehet auff. ach wie frölich wolte ich alßdenn / o du schöneste LiebesGöttin Venus, dir vnd deinem Söhnlein Cupidini ohnzehliche Opffer thun. Aber sich da mein getrewester Freundt Alexander ist vorhanden.

ALEXANDER. Durchleuchtigster Printz / gnädigster Herr / die Götter verleihen E[wer] Durchleuchtigkeit Glück / Heil vnd langes Leben.

DEMETRIUS. O Alexander mein getrewster Freundt / die Götter erfüllen diesen Wunsch / O was kommet jhr mir jetzt eben zu rechter Zeit / in meiner grössesten Schwermühtigkeit.

ALEXANDER. Was Durchleuchtigster Printz / Schwermühtigkeit? Woher solte die kommen? Wie soll ich daß verstehen? Die Götter wollen ja nicht zugeben / daß die Vngestühmigkeit vnnd böses Vorhaben des erbitterten Printzen Persei, E[wer] Durchleuchtigkeit Hertze vnnd Gemühte dergestalt turbiere, daß dieselbe jhrer vortrefflichen Tapfferkeit vergessen / vnd sich ob seinem gewohnlichen Schnauben vnd Trohen entsetze! Jst doch E[wer] Durchleuchtigkeit der Gunst vnd vnterthänigsten willens der gantzen Macedonischen Nation gnugsahm versichert / vnd bin meiner Weinigkeit nach gäntzlich resolviret, demselben in jhrer gerechten Sachen / mit Leib / Leben / Guht vnnd Blut getrewe assistentz zu leisten.

DEMETRIUS. Ach mein getreweer Freundt Alexander, obs wol nicht ohn / daß mein Bruder Perseus mit seinem Anhange Tag vnnd Nacht dahin trachtet / wie er mich auß dem Thron der Glücksehligkeit / darinnen ich biß anhero frölich gelebet / gentzlich möge verstossen / so ist doch solches sein vnbilliches Vornehmen nicht so mechtig / daß es dadurch[179] meinem Gemühte jennjge alteration, oder sonderliche Beschwehrnüsse zufügen könte / ja ich trachte noch vielmehr dahin / wie ich die / mir vielfältig erwiesene Injurien vnd Tyrannische Thaten meines ergrimmeten Bruders / mit einer sonderlichen bestendigkeit vnd Gedult möge überwinden; Es ist aber viel ein anderer Schmertz vnd grössere Beschwerligkeit / so mich besagter massen tormentiret, welche mir nicht etwa von meinen rachgierigen Feinden / besonderen einer solchen Persohn / die ich auch mehr vnnd höher alse mein eigen Hertze / Seele vnnd Leben liebe / thut enstehen.

ALEXANDER. Wie denn / Durchleuchtigster Printz / ists auch wol müglich / daß die allerliebste Freunde / den jenigen / welchen sie alles gutes gönnen / gleichwol allerhandt molestien vnnd Wiederwertigkeiten zuzufügen / auch nur gedencken solten? Billich hat man von denselben ja nichts / alse stedige Freundtschafft / Liebe / Ehre / vnd angenehme Dienste zu erwarthen.

DEMETRIUS. Ach Alexander mein getreuster Freundt / nicht lasset euch solches wunder nehmen / das mein Hertz von der jenigen tormentiret vnd gepeiniget wird / von welcher wegen ich auch mein Blüht zu vergiessen / ja so gahr mein Leben williglich auffzuopfferen bereit bin; Damit ich euch aber nicht lenger in Zweiffel halte / so füge ich euch hiemit vertraulichst zu wissen / daß solche Persohn niemandt anders ist / alse die allerschönste Jungkfraw Eudocia, ewre vielgeliebte Schwester / die hat durch jhre vielfeltige Tugenden / Adeliche Gebehrde / Göttliche Schönheit / vnermeßliche Freundtlichkeit / vnnd hocherhabenes Lob / mein so Hertze vnd Seele in so grosse Schwermuht / Bekümmernüsse vnd Traurigkeit gesetzet / daß ich nunmehr nicht vnterlassen kan / Tag vnnd Nacht / alle meine Sinne vnd Gedancken eintzig vnnd allein auff sie zu legen / so / daß ich auch vnter der Sonnen nichtes so hoch wünsche / alse nur[180] wie ich jhrer Liebe theilhafft werden / vnnd sie zu einem Ehelichen Gemahl überkommen möge.

ALEXANDER. Ach Durchleuchtigster Printz / gnedigster Herr / zu was Ende treiben doch E[wer] D[urchleuchtigkeit] mit mir vnwürtigen solche Schertzredung? Wie könde oder möchte doch dieselbe jenige affection oder Zuneigung meiner geliebten Schwester tragen / zwahr einer solchen Persohn / so da (angesehen E[wer] D[urchleuchtigkeit] Königliches herkommen vnd Geschlecht / vortreffliche Schönheit / vnnd hochberühmbte Fürstliche Tugendt) mit E[wer] D[urchleuchtigkeit] im weinigsten kan verglichen werden? Gelanget demnach an dieselbe mein vnterthänigstes bitten / sie wolle (wo fern es jhr sonsten gefellig) mit solchen vnnd derogleichen Reden / mich allergnedigst verschonen.

DEMETRIUS. Wie Alexander, zweyffelt jhr an meiner Auffrichtigkeit / habt jhr auch jemahlen mein Hertze vnd Gemühte anders alse meine Zunge erfunden? Jch schwehre euch bey der grossen Göttinnen der Liebe / der allerschönsten Venere, daß ich in rechtschaffener / auffrichtiger Liebe / die ich gegen ewere vielgeliebte Schwester trage / jämmerlich sterben vnd verderben muß / wofern sie nicht durch ewre Hülffe vnd Raht mir gnedig ist / vnnd mich jhrer hertzlichen Gegenliebe lesset geniessen.

ALEXANDER. Durchleuchtigster Printz / gnedigster Herr / E[wer] D[urchleuchtigkeit] weiß ja ohn mein Erinnern wol / wie ich deroselben / mit Leib / Ehr / Gut vnd Blut auffzuwarthen mich vorlengst obligieret habe; Demnach ich denn nun eigentlich verspühre vnd gnugsahm verstehe / daß E[wer] D[urchleuchtigkeit] eine auffrichtige Liebe vnd getrewe affection zu meiner vielgeliebten Schwester thut tragen / so verspreche ich deroselben hiermit an Eydes statt / daß gedachte meine Schwester keinem anderen alse E[wer] D[urchleuchtigkeit] soll zu theil werden / denn ich es auß[181] vnterschiedlichen anzeigungen vermercket / daß auch sie E[wer] Durchl[euchtigkeit] von grundt jhres Hertzen lieb hat / dessen sich denn dieselbe ohnezweifentlich wolle versicheren.

DEMETRIUS ümbfehet Alexandrum. Ach Alexander mein allerliebster Freundt / was sol ich euch beydes vor diese vnd viel andere erwiesene Gutthaten vor eine genugsahme recompens thun? So lange ein lebendiger Odem in meinem sterblichen Cörper wird wohnen / wil ich nicht vergessen solcher mehr alß Brüderlichen Freundtschafft / aber lasset vns nur hinein eilen / denn mein verliebtes Hertze wallet gleichsahm im Bluht / ja ligt auch zugleich in einer brennender Glüht / vnnd wünschet nichtes so sehr / alß daß es baldt baldt / zu dem gewünscheten Ende seiner Glückseligkeit gelangen möge. Sie gehen ab.


Quelle:
Johann Rist: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1972, S. 176-182.
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