Anderes oder Zweites Zwischenspiel.

[365] Sausewind tritt auff / träget den Arm in einer Binden / der Kopff und das Antlitz sind ihm mit unterschiedlichen Pflastern beleget / hinter ihm gehet sein neuer Junge / oder Kammerdiener /Bullerbrok / nicht viel besser als ein Bettelbube bekleidet / der muß hernach singen / nach ihnen kömt Junker Reinhart mit Rosemund / die machen Sausewind zum Schäffer / endlich kommen Drewes Kikintlach und Beneke Dudeldei / die jagen Sausewind als einen Schaffdieb vom Platze.


SAUSEWIND. Nun muß ich unglükseeliger bekennen / daß der alten Römer wolbekandtes Sprichwort / Audaces fortuna juvat, das Glük stehet den tapffern Helden bey / schändlich sey erstunken und erlogen. Mein eigenes Exempel bezeuget ietzund das Widerspiel / wer ist jemaln im Felde behertzter / in Belagerungen muhtiger / und in offenen Feldschlachten kühner und freudiger als ich erfunden / und nichts desto weniger habe ich zu diesem male müssen erfahren / daß / wenn einem das Glük zu wider ist / so helffe weder Tapfferkeit / noch Muhtigkeit / noch Freudigkeit / noch Kühnheit / noch Färtigkeit / noch Geschwindigkeit. Ja /[365] was sage ich? War ich nicht geresolviret / den Cavallier von der Wagschalen da / den Bärenhäuterischen Ladenjungen da / den Cujon da / den Poltron da / den Hundesnasen da / den Schabbehals da / den Galgvogel da / wegen der mir von demselbigen erwiesenen großen Bravade, wie einen Hund nieder zu stossen / und meine großmütige Hände in seinem Blute zu waschen? Aber sihe / was verhenget mein Unglükke nicht? denn indeme ich mich fertig mache / mein Wammes abziehe / und in was für eine Positur ich mich legen wolle / bey mir selbst versuche / dabenebenst der Ankunfft meines vermeinten getreuen Cammeraden, des Junker Reinharts / als meiner Secunden mit hefftigem Verlangen erwarte; Sihe / da komt der Ehrvergessene Dieb / der leichtfertiger Ladenjunge mit noch andern dreien außerlesenen Galgenschwengeln seiner Art / diese vier ehrliche Vögel überfallen mich unglükseeligen Cavallier, nicht mit Degen oder Pistolen / wie meiner hochadelichen Reputation wol angestanden wäre / sondern mit grossen / starken Hagedornen Prügeln / und zerbläuen meinen ritterlichen Sausewind dergestalt jämmerlich / daß ich schwerlich ein Glied am Leibe mehr rühren / sonderlich aber dieses linken Armes mich fast gar nicht kan gebrauchen / und glaube ich sicherlich / es hätten die Ehrvergessene Schelme und Bösewichter mich gar zu tode geprügelt / wenn ich nicht durch die unversehene / aber fast zu späte Ankunfft meines Cammeraden Junker Reinharts etlicher massen entsetzet / und diese verbitterte Kramerburs von mir abzulassen wäre gezwungen worden. Nun / wer weiß / auff was Art ich mich noch an ihnen revengire? Schenke ich ihnen dieses / so soll man Monsieur Sausewind hinfüro[366] für keinen ehrlichen Cavallier halten. Unterdessen habe ich mir fürgenommen / ins künfftige allezeit einen eigenen Diener zu unterhalten / und denselben mir / als einen ansehnlichen Rittersmann mit geziemender Ehrerbietung folgen zu lassen / es ist gleichwol noch etwas besser einen getreuen Menschen / als gar niemand zu seinem Schütze bey sich führen / stehet auch nobel und reputirlich. Aber mein getreuer Diener Bullerbrok / was vermeinest du? woltest du deinem Herrn in seiner Noth auch wol redlich beystehen?

BULLERBROK. Jch Junker? Ja / wer ik man solte / ich bin ein recht zoller Zeuffel / ihr kennet mich noch nicht halb recht / ich habe wol eher sieben auff einen Schlag geschlagen. Ad Spectat[ores]. Flegen meine ich.

SAUSEWIND. Ja / solche Leute sind meine rechte Burß / verzagte Männer kan ich durch mein Blut nicht leiden / wilt du mein Diener seyn / so must du ein Hertz haben / so groß als ein Ochse / aber mein tapfferer Diener Bullerbrok / sage mir ferner: kanst du auch wol schweigen?

BULLERBROK. Ja / gestrenger Junker / ich verschweige alles was ich nicht weiß / und glaubet mir Junker / das jenige / was mir in geheim wird vertrauet / davon sollen wol keine frembe Leute wissen zu sagen / die etwan außgenommen / so sich in der Badstuben / auff der Börse / in den Mühlen / wie auch in den Schenk- und Wirtshäusern befinden / O Herr ich kan elementisch wol schweigen!

SAUSEWIND. Das gefällt mir über die masse wol / und ist eine sehr grosse Tugend an einem getreuen Diener / ich muß dich aber weiter fragen / kanst du auch wol hungern und fasten?[367]

BULLERBROK. O ja / gnädiger Junker / wenn ich des Tages meine vier Mahlzeiten gethan / so kan ich so wol fasten und hungern / als der beste Kapuziener-Münch / ich kan mich zum Frühstükke mit einer kleinen Rinde Brots / worunter etwan 3. Pfund Kromen verborgen / und einem Knöchlein auß einer Ochsenbraten / da etwan nur ein paar Pfund Fleisch anhenken / noch zimlicher massen behelffen / und dem Trunke thue ich auch nicht gar viel / es vergehet mancher Tag / daß ich nicht zwo oder drey Stübichen Bier in meinen Leib kriege / (mit dem Wein bin ich nicht sonderlich bekandt /) mein Herr ich kan fasten / trotz dem besten Einsiedler!

SAUSEWIND. Jn Warheit / mein neuer Diener Bullerbrok / du hast recht gute Qualitäten an dir / du bist tapffer und behertzt / du kanst wol schweigen / du kanst wol Hunger und Durst leiden / aber eines muß ich noch von dir wissen: kanst du auch wol singen?

BULLERBROK. Singen Junker? Ja / da weiß ich meinen Meister nicht mit. Jch kan singen / daß die Leute die es hören / sich für Freuden darüber beseichen / Euer Gnaden soll noch Wunder vernehmen?

SAUSEWIND. Das gefällt mir über die massen wol / mein allerliebster Bullerbrok / denn ein solcher fürnehmer Cavallier / wie ich bin / hat treflich gerne auch solche Diener umb sich / welche schönen Damen zu Ehren und Gefallen ein wolgesetztes Liedichen lassen erschallen / wo hast du aber die Kunst gelernet?

BULLERBROK. Ehrwürdiger Junker / ich habe mich eine geraume Zeit bey dem Herren Kapelmeister zu Schilde / hernach auch bey deme zu Scheppenstät aufgehalten / und von denselbigen Weltberühmten Kapelmeistern bin ich in dieser[368] Kunst so treflich wol unterwiesen / daß es zu schreklich ist / ja Monsieur / ich kan auch nach den Noten singen.

SAUSEWIND. Ey was ist mir das eine angenehme Zeitung zu hören! Fürwar Bullerbrok / ich muß deine Kunst probieren / sihe hinter diesen Mauren / wohnet die überirrdische Rosemund / die Perle der allervollkommensten Damen / der unvergleichliche Außzug des Himmels / die eintzige Zierde und Krone meines verliebten Hertzen / ja diese ist die Rosemund / welcher zu gefallen ich die allerschreklichste Ebentheuren außstehe / die grösseste Thaten begehe / und die gantze Welt mir den höhesten Ruhm wegen meiner vielen erhaltenen Siege / über alle Helden zu geben / anreitze und bewege / ja / eben diese ist die Diamantine Rosemund / welcher ich in einem eintzigen Viertheil Jahr so viel Liebes- Briefe und Lieder habe zugefertiget / daß ich darüber zwey gantzer Ohmen Dinte / und etliche funfftzig Rieß Papier verschrieben. Ach ja / mein getreuester Diener / auß übermässiger Liebe gegen dieser allersüssesten Mensch-Göttinnen / habe ich neulich den grausamen Kampff mit den vier Ladenjungens gehalten / da ich denn / meine ewigwärende Treue gegen sie zu beweisen / unzählich viel Stösse und Schläge habe erduldet und auff ihre Gesundheit eingenommen / welches alles ich selber (demnach ich der allerfürnemste Poet von Teutschland bin) kürtzlich in ein neues Lied habe verfasset / welches ich dir hiemit überreiche und ernstlich anbefehle / dasselbe auff das allerlieblichste allhier vor der Thür / meiner überirrdischen Rosemund zu singen / vielleicht werde ich ihr Diamanten Hertz in etwas dadurch bewegen. Er giebt ihm das Lied.[369]

BULLERBROK. Gar gerne / gestrenger Herr / es ist mir sehr lieb / daß ich die Probe meiner Kunst der schönen Rosemund zu Ehren auff dieses mal mag ablegen / und Euer Gnaden demütigst auffwarten. Er sihet das Lied durch.

SAUSEWIND. Wolan Bullerbrok / so singe dann / mich verlanget hertzlich / daß ich die Göttliche Rosemund hiedurch möge erfreuen.


Bullerbrok fähet an zu singen / aber gar schlecht und elend.


Klag-Lied


Des verliebten und zerprügelten Sausewindes / an seine schönste Rosemund.
[370]

1.

O Rosemund /

Jch bin ja dein getreuer Hund /

Wie hat man mich üm deinent willen

Wollen fillen!

Wie greulich hat man / mich zu jagen

Dörffen schlagen /

O Rosemund!


2.

Jch leide Pein /

Noch ärger als ein Mühlen Schwein /

Das machen jene Ladenjungen /

Welche rungen

Mit mir dem allerpravesten Helden /

Laß michs melden

Dir Rosemund.


3.

O liebstes Hertz /

Wie groß ist meiner Seelen Schmertz /

Den Arm trag' ich allhier im Bande /

Dir zum Pfände /

Die Pflaster sind es / die mich zieren /

Ja mich fühern

Zu Rosemund.


4.

Für diese Noth

Ja bald zu leiden selbst den Todt /

Begehr' ich anders nichts zu haben

Mich zu laben /[372]

Als einmal dich mein Schatz zu küssen /

Laß michs wissen

O Rosemund!


SAUSEWIND. Nun / mein getreuester Diener Bullerbrok / du hast dieses mein neugemachtes Lied dermassen wol gesungen / daß es nicht fehlen kan / es muß das Stählerne Hertz meiner unvergleichlichen Rosemund dadurch zu Wachs / und mein Bildnuß auff das festeste in dasselbige gedrukket werden / aber sage mir mein Kammerdiener / wie gefällt dir doch diese meine neue Invention, mag sie nicht wol passieren?

BULLERBROK. Fürwar / ehrenvester Junker / wenn ich nicht wüste / daß ihr ein so fürnehmer Ritter wäret / auch nun bald Ambassadoor werden soltet / ich wolte sagen / daß unter allen Teutschen Poeten eures gleichen nicht zu finden / es wäre denn Herr Reuterhold von der blauen Wiese / welcher sonst allen das Sand in die Augen wirfft / die in der gantzen Teutschen weiten Welt zu finden / aber / hochgeborner Ritter / solte man diese überhöllische oder überirrdische Rosemund / wie ihr sie heisset / nicht etwan können zu Gesichte kriegen? Jch hätte wol gehoffet / sie solte sich für dem Fenster ein wenig præsentiret / und euere übel zerprügelte Glieder durch ihr kräfftiges und holdseliges Ansehen etlicher massen wieder geheilet haben?

SAUSEWIND. Jch halte gäntzlich davor / daß das außerwehlte Engelchen nicht zu hause ist / oder sich etwan übel auff befindet / demnach mirs aber unmöglich fällt / ohne die Gegenwart dieser Himmel-schönen Damen länger zu leben; als wollen wir uns aufmachen / den unaußsprechlichen[373] Schatz meines Hertzen zu suchen / sihe du aber wol zu / mein Bullerbrok / daß du mir in ihrer Gegenwart allen gebührlichen Respect, Ehre und Gehorsam erweisest / und meine Befehlen mit tieffester Reverentz von mir annehmest und vollenbringest.

BULLERBROK. Da soll kein Haar an fehlen / Ehrenvester Herr / gnädigster Junker und Ritter / auch künfftiger Ambassadeur, ich wil mich dergestalt bezeigen / daß so wol die überarsische Rosemund / als auch E[ure] Gestrengigkeit ihres Hertzen Freude und Lust daran sehen sollen. Sie gehen beyde ab.


Junker Reinhart und Rosemund (welche gantz und gar wie eine Schäfferin ist gekleidet) gehen auff /und spricht gar freundlich.


ROSEMUND. Jst es wol müglich / mein vielwerther Junker Reinhart / daß sich unser verliebter Großsprecher Sausewind von den Laden jungen dergestalt hat zerprügeln / und auff gut Bärenheuterisch tractiren lassen?

JUNKER REINHART. Meine allerliebste Rosemund / ich bitte freundlich / sie wolle doch mir / als der ich es selber gesehen / ja ihn noch auß den Händen dieser verwegenen Buben errettet / Glauben zustellen / über das hat sie es ja auch selber auß dem neuen Liede / (welches er gleich jetzt durch seinen schönen Diener vor ihrer Thür hat lassen singen / oder vielmehr heulen) zur Genüge verstanden / aber er muß noch viel besser von uns / als von jenen Syrupshelden gedrillet / und durchgehechelt werden.

ROSEMUND. Freilich soll er rechtschaffen von uns gefoppet / ja gar zum Narren werden gemachet / ich wil den Eselskopff lehren / wie er sich soll einbilden / daß Rosemund[374] ihn allein / ja noch dazu in rechtem Ernst lieben / und umb eines solchen Auffschneiders willen / die Liebe und Freundschafft so vieler brafen Kavallier solte quitieren / nein fürwar / ich muß meine Freyheit etwas höher schätzen / und in ihrem Werth und Ansehen beständiger erhalten?

JUNKER REINHART. Meine allerschönste Dame / ich schwere ihr / daß im Falle ich nur ihrer beständigen Liebe und affection gegen meine Person bin versichert / ich ihme / der unter uns beyden abgeredten Possen dergestalt wil anbringen / und in der gantzen Sache ihm so begegnen / daß er abermal eine rechtschaffene Haut voll Schläge davon tragen / und die schönste Rosemund hinfüro wol sol mit friden lassen.

ROSEMUND. Gar recht / Monsieur Reinhart / ich bleibe euch für vielen andern mit einer solchen affection und Liebe beygethan und geneiget / als bey meines gleichen vernünfftigen und communen Damen ist zu finden / ich wil aber ja hoffen / ihr werdet alles / was zu Vollführung dieses Handels vonnöhten / mit sonderem Fleisse angeordnet / und bestellet haben?

JUNKER REINHART. Schönste Rosemund / es ist alles dergestalt angeordnet / daß wir am glüklichen Außgange dieses Werkes durchauß nicht haben zu zweiffeln / und soll hierzu trefflich viel helffen / daß sie ihren gewöhnlichen Habit abgeleget / und sich natürlich / als eine geborne Schäferin hat bekleidet / denn durch dieses Mittel wollen wir auch ihn zum Schäffer / oder vielmehr zum Narren / und folgendes zu einem vortreflichen Prügelträger machen.


[375] Sausewind gehet auff / eine lange Tabackpfeiffe in Händen tragend / sein Diener hinter ihm her / mit einer Kannen voll Bier und einem Glase / sihet närrisch auß.


SAUSEWIND.

Mein Hertz wil mir zerbrechen /

Kein Wort kan ich fast sprechen

Küss' ich dir Schönste nicht /

O Rosemund mein Leben /

Was soll ich dir doch geben /

Von meiner Liebe Pflicht?

Mein treues Hertz verschwindet /

Jm Fall' es dich nicht findet.

O schönste Rosemund.


NB. Dieser Satz kan von Monsieur Sausewind auch wol gesungen werden / nachdem es dem Schauspieler wird belieben.

Er sihet die Rosemund.


Aber / was sehen meine Augen daselbst für einen ungewöhnlichen Glantz? Jst diese Göttinne meine Rosemund? Sie ist es gewißlich; Aber nein / wie kan sie es seyn? Diese ist bekleidet / wie eine Schäfferin / meine überirrdische Rosemund aber ist nach Art der adelichen Damen angethan. Vielleicht irre ich? Nein Sausewind / du irrest mit nichten / was gilts / ob sie sich nicht etwan auß Liebe gegen meiner brafen Person / wie eine Schäferin hat verkleidet / denn ich erinnere mich / daß die schönste Königin Kleopatra / ihrem Liebhaber Antonio zu gefallen / sich auch wie eine Hirtin zu Zeiten hat außgeputzet. Oho / ich erkenne sie schon beym lachen / fürwar es ist meine Rosemund / ich muß näher zu ihr träten. Gehet näher hinzu /[376] und kniet gar demütig vor ihr nieder / also redend. Allerschönste Tochter des Himmels / Wunderwerk der Erden / Beherrscherin der Sonnen / und du vollenkommenstes Meisterstükk der Natur / hie sehet ihr zu eueren Füssen ligen / den unglükseligsten (wiewol tapffersten Ritter) Sausewind / gönnet ihm doch die Gnade / daß er das allergeringste Körnlein des glükseligen Staubes / welcher an euren unvergleichlichen hochadelichen Füssen geklebet / in Demuth mag küssen.

ROSEMUND. Stehet auff / mein getreuester Liebhaber / stehet auff / und versichert euch meiner biß in den Todt beständigsten Gegenliebe.

SAUSEWIND. O mehr als güldene Worte! O Diamantine Verheissungen! O der allerglükseligsten Stunde / darin die Honigsüsseste Rosemund dem Ritter Sausewind sich für eigen ergiebet! Aber meine allerwehrteste Hertzen-Zwingerin berichte mich doch gnädigst / auß was Ursachen sie ihren gewöhnlichen Habit ab- und diese Schäfferinnen Kleider habe angeleget?

JUNKER REINHART. Mein Bruder / daß die schönste Rosemund ihre Kleidung auff dieses mal verändert / ist eintzig und allein umb deinet willen und dir / als ihrem hertzallerliebsten Aufwarter / zu sonderbarem Gefallen geschehen / denn diese hochvernünfftige Dame reifflich bey sich erwegend / wie daß du ein fürtrefflicher Weltberühmter Poete[377] bist / und sie nicht weniger eine sehr grosse Liebhaberin der edlen Dichtkunst / die Poeten und Poetinnen aber ins gemein sich für Schäffer und Schäfferinnen außgeben / und unter Spielung solcher Personen ihre getreueste Liebe eiferigst fortsetzen; So hat die allerklügeste Rosemund / dir zu gefallen / in der Kleidung und Habit einer Schäfferin sich hinfüro sehen lassen / auch zu dem Ende eine kleine Heerde Schaaffe an sich erkauffen wollen.

SAUSEWIND. O Bruder Reinhart / du redliches Hertz / wie inniglich erfreuest du mich diesen Tag / bin ich nicht der allerglükseligster Cavallier auff Erden / daß eine solche übertreffliche Dame nur mir zu gefallen auß einer Prinzessin eine Schäfferin ist geworden?

ROSEMUND. Mein Sausewind / der Liebe fällt kein Ding zu schwer / noch keine Enderung zu verdrießlich / deine herrliche Qualitäten haben mich bewogen / daß ich mir gäntzlich vorgenommen / hinfüro deine Schäfferin / deine Liebste / ja deine Rosemund zu heissen / dagegen wirst du dir es lassen gefallen / ebenmässig einen Schäfferhabit anzuziehen und mein getreuster Schäffer die gantze Zeit meines Lebens zu seyn und zu verbleiben?

SAUSEWIND. Allerschönste Menschgöttin / ich schwere euch bey dem rauchfüssigen Pan und allen seinen tantzenden Satyren / Faunen / und Nimfen / daß ich hinfüro nicht anders / als der überirrdischen Rosemund allergehorsamster[378] Schäfer soll und muß genennet werden / O daß ich doch nur erstlich auch ein Schäfferkleid / und was etwan sonst mehr dazu mag gehören / bey der Hand hätte / wie wolte ich mich alsdenn so von Hertzen lustig und frölich darüber bezeigen!

JUNKER REINHART. Wegen des Kleides hat sich mein Bruder gar nichtes zu bekümmern / die vorsichtige / hochweiseste Rosemund hat schon Anstalt gemacht / daß eine bequäme Schäferkleidung für dich würde zubereitet.


Er klopffet mit dem Fuß und ruffet: Holla Diener /holla / holla. /


DIENER komt herauß. Was ist euer Gestrengigkeit Begehren?

JUNKER REINHART. Geschwind bringe das neue Hirtenkleid herauß / welches die schöneste Rosemund für Monsieur Sausewind hat lassen zubereiten.

DIENER. Es soll alsobald anhero gebracht werden / Gehet wieder hinein.

BULLERBROK zu seinem Herren. Was zum Teufel wollen eure Ritterliche Gnaden nun anfahen / wollen sie zuletzt noch gar ein Schäferknecht werden? Das stehet ja leident toll!

SAUSEWIND. Halts Maul du Bärenhäuter / du kennest mich nicht recht / ich bin dreierley / als nemlich ein Kavallier / ein Poet und ein Schäfer / Bullerbrok zum Volke. das ist so viel zu sagen: Jch bin ein Auffschneider / ein Bettler / und ein Narr. Der Diener bringet das Kleid und überreicht es Junker Reinharten.

JUNKER REINHART. Sehet / da haben wir das begehrte Hirtenkleid sampt dem Huhte / Stabe / wie auch der Hirtentaschen.[379] Bruder Sausewind / du must nun deine Kavalliers Kleider von dir legen / und diese wieder anziehen.

SAUSEWIND. Von Grund meiner Seelen gerne thue ich solches / O Rosemund / du würdiger Preiß der allerschönsten Schäfferinnen / kommet her ihr glükseligen Hirtenkleider / in welchen ich der unvergleichlichen Rosemund für allen tapfferen Helden dieser Welt eintzig und allein werde gefallen.


Hie legt er seine Kleider ab / und sie alle helffen ihme die neue Hirtenkleider anziehen / setzen ihm auch den Hirtenhuht / mit einem Krantze gezieret /auff den Kopf / hängen ihm die Tasche an / und geben ihm den Stab in die Hand / er besihet sich selber forn und hinden / darauf spricht.


ROSEMUND. Allerliebster Philauton (denn dieses soll nun hinfüro euer Schäffername seyn / wie solchen auch Herr Reinhart für gut hat befunden) itzt behaget ihr meiner Seelen dermassen vollenkömlich / daß ich nicht unterlassen kan / in dieser angenehmen Kleidung euch / O vollkommener Philauton, mit einem recht hertzlichen affectionkusse zum erstenmal zu empfangen / Sie küsset ihn gar freundlich / dabey sagend. O du mein Allerliebster / mein vertrautster / mein außerwehlter Philauton, Philauton, Philauton!

SAUSEWIND. Jhr großmächtigste Käisere / Könige und Printzen / behaltet nun eure hochgerühmte Herrligkeit / Pracht Macht / Wollust und Freude / Sehet diese eintzige himmlische Rosemund ist mein Käiserthum / mein Königreich meine Ergetzung / Ehre und Herrligkeit / O des Himmelsüssen Lippendaues / welches auff der Nektarischen Zungen schwebet / ist es nicht müglich allerliebste Schäferin / daß[380] sie mir von dieser edlen Feuchtigkeit / von diesem Honigsüssen Tau ihres Mündleins nur ein einziges Fächlein meiner Balsambüchsen mag anfüllen? ich getraue mir durch Krafft derselben / alle Krankheiten / sie mögen auch so schwer und gefährlich seyn als sie wollen / gründlich zu curiren / ja in Todesnöhten mich dadurch zu erholen.

JUNKER REINHART. O du glükseliger Philauton! Es gehet alles nach deinem Willen.

SAUSEWIND. Jch weiß für Freuden schier nicht / was ich soll beginnen / auff solches grosses Glük schmekket warlich ein Trunk / schenke mir ein Gläßlein voll / mein Bullerbrok / doch wil ich erstlich ein Pfeiffe Tabak außtrinken / dieweil solches auch die Hirten bey ihren Heerden zu thun sind gewohnet / wornach auch ich mich billich habe zu richten. Er nimmt die Tabakpfeiffe und hält sie der Rosemund an die Augen / und beginnet lustig zu singen / Bullerbrok aber säuft an statt seines Herrn das Bier auß.

ROSEMUND zornig. Das ist mir in Warheit eine schlechte Höfligkeit von meinem neuen Schäfer Philauton! Wie? wilt du mir die Augen außstechen du grober Rültz? Welcher Henker pflegt dergestalt mit schönen Schäferinnen zu courtisiren?

SAUSEWIND. Das verhüte der Himmel / meine schönste Rosemund / daß ich ihr einigen / auch den allergeringsten Verdruß solte zufügen / ich habe nur diesen Tabak bey den hellscheinenden Flammen ihrer Blitzleuchtenden Augen oder vielmehr Karfunkeln wollen anzünden / denn eben diese Augen sind es / allerwertheste Rosemund / die mir das Mark in den innersten Knochen und Gebeinen / ja das Hertz in meinem Leibe brennen und verbrennen / wie solten denn solche Augen / oder vielmehr feurige Sonnen[381] diesen Tobak nicht anzünden? Darumb / O grosse Gebieterin / bitte ich demütigst / mir meine Kühnheit zu verzeihen.

ROSEMUND. Philauton mein Schäfer / ich kan nicht mit dir zürnen / wenn ich auch gleich gerne wolte / Sihe da meine Hand Sie bietet ihm die Hand. ein gewisses Zeichen meiner Begnädigung.

SAUSEWIND küsset ihr die Hände / welche mit schwartzen Korallen sind gezieret / und spricht. O Hände meiner Göttinnen / mit welcher hellgläntzenden Schönheit kein Helfenbein / kein Alabaster / keine Milch noch Hagel zu vergleichen / ja gegen welche die grosse schneeweisse Orientalische Perlen fast wie Pech sind zu schätzen.

JUNKER REINHART. Nun sehe ich gleichwol / Bruder Sausewind / daß dich in diesem neuen Hirtenstande deine Augen sehr betriegen / wie magst du doch diese schneeweisse Orientalische Perlen nennen / da es ja kohlschwartze Gläserne Korallen oder vielleicht Agathen sind.

SAUSEWIND. Nicht mir / sondern dir fehlet es am Gesichte / mein liebster Monsieur Reinhart / Jch sage es noch / und bleibe beständig dabey / daß dieser Schmuk / welchen die vollenkommene Rosemund umb ihre Alabasterhändlein traget / schneeweisse Orientalische Perlen sind / daß sie aber so schwartz scheinen / ist die Schuld nicht den Perlen / sondern denen mehr als Hagel weissen Händen meiner Rosemunden zuzuschreiben / ihre weisse Haut ist so vollenkommen / daß auch der Schnee / die Milch / die Kreide / ja das allerweisseste Ding der Welt gegen ihr zu rechnen Pechschwartz scheinet / und sey du versichert / daß / wenn[382] ein anderes Weibesbild / als die Göttliche Rosemund / diese Perlen / oder / (wie du sagest) schwartze Korallen an ihren Händen tragen solte / würden sie viel weisser als ein Alabaster / Hagel / Milch / Schnee / Kreide oder Helfenbein seyn anzuschauen / ja / ich habe es mehr denn tausendmal gesehen / daß / wenn die unschätzbare Rosemund ihre zarte Hände etwan in Wasser oder Wein gestossen / selbige Getränke / so bald sie nur diese wunderschöne Hände wiederumb herauß gezogen / in die weisseste Milch sind verwandelt worden / und magst du wol glauben / daß die Hemmde / welche die elde Rosemund von dem allerzartesten schneeweissen Kammertuche träget / gegen ihrer Perlenweissen Haut / wie ein schwartzer Seidener Flor ist anzuschauen / denn ihre Weisse ist nicht zu vergleichen.

JUNKER REINHART. Das mag eine wunderschöne weisse Haut / gegen dem allerfeinesten gebleicheten Kammerichtuche seyn / gewißlich / ich wünsche von Hertzen / daß ich nur die Lauß seyn möchte / welche den Leinenweber in den Nakken gebissen / als Er das Leinwand zu der allerschönsten Rosemunden Hemden hat gewebet.

BULLERBROK. Ey / daß dir doch die Lauß den Narren auß dem Gehirn fresse / du greulicher Auffschneider!

SAUSEWIND. Oho Bruder / der Wunsch ist gar zu hoch für dich / ich wünsche etwas edlers / nemlich / daß ich nur der glükselige Wurm seyn möchte / der die Seide gesponnen / von welcher der überirrdischen Rosemund schöne Strümpflein sind gemachet.[383]

BULLERBROK. Ja bey dem Elemente / Wurms genug / O du greulicher Wurm! wilt du noch grösser werden? Wurm / Wurm / Wurm!

JUNKER REINHART. Und ich wünsche / daß ich nur den Akker einmal küssen möchte / worauff der Hanff gewachsen / von welchem der Draat oder Faden gemachet / mit welchen der allerschönsten Rosemunden Schuhe sind zusammen genähet.

ROSEMUND. Höret auff zu wünschen / Junker Reinhart / meiner Perosn halber darff sich kein Mensch etwas gutes oder sonderliches wünschen / außgenommen mein außerkorner Schäfer Philauton, der mag wünschen / was ihm selber wol gefält. Aber / sihe da kommen meine Schäflein Hie werden 2. oder 3. Schafe / oder / welches besser / 3. Knaben mit Schaafsfellen benehet / welche auf Händen und Füssen kriechen / auff den Platz getrieben. / die wil ich / O mein Hertzvertrauten Schäfer Philauton, deiner getreusten Auffsicht anbefohlen haben / nur so lange / biß ich hingehe und das favor, welches ich dir neulich von meinen Hahren habe geflochten / anhero bringe / denn damit wil ich unsere neue Schäferliebe und Freundschafft bekräftigen / und festiglich verbinden.

SAUSEWIND. O glükselige Stunde! O mehr als güldener Tag / daran ich die liebe Heerde der allerschönsten Rosemund mag weiden! Aber tausendmal glükseliger wird die Stunde[384] seyn / in der ich mit den güldenen Haaren der übertreflichsten Rosemund meine Hände werde bekräntzen und herfür schmükken.

ROSEMUND. Adiou mein hertzallerliebster Philauton, laß dir meine Schaafe bester massen anbefohlen seyn / so lieb dir ist die Gnade deiner Rosemund zu erhalten / bald / bald wil ich dich wiederumb sehen und von Hertzen küssen. Sie gehet ab.

SAUSEWIND. Nun wird es stokfinster vor meinen Augen / (BULLERBROK. Nun wirst du ein grosser Stoknarr vor meinen Augen /) denn meine Sonne gehet unter / und die Fakkel meiner Sonnen hat sich eine Zeitlang vor mir verborgen / (BULLERBROK. und ich schwitze für Angst in die Hosen.) Unterdessen / O ihr Hertzfromme Schäfflein / küsse ich euch auff die Gesundheit meiner und eurer allerliebsten Schäfferinnen / welche euch mir hat anbefohlen / zu tausendmahlen / Er küsset sie.

JUNKER REINHART. So recht / du Feuerneuer Schäfer Philauton, nun erkenne ich erst / daß du ein rechter Schäferischer Poet bist / du weist wie man die überschöneste Schäfferinnen soll lieben und in Ehren halten.


Beneke Dudeldei und Drewes Kikintlag gehen auf und saget.


BENEKE. Was segst du daar / Vadder Drewes / sind dik düsse Nacht dre Schape uth dem Kaven stahlen / dat wull jo dull aflopen!

DREWES. By myner Salichheit / Beneke Naber / ydt ys mehr als all tho wahr / GOTT geve dattet de schmachtigen[385] Kriegers man nicht dahn hebbet / wente / de willen nu heel verhungern / nu se nene Tribuergeld mehr hebbet inthokahmen. Sausewind horchet genau zu / jedoch etwas von ferne / Junker Reinhart aber schleichet vom Platz.

BENEKE. Neen / Neen / leve Drewes Naber / yck hebbe hyr wol ein anner Vögelken van singen höret / dar schal löv yck een niebakken verleffelden Scheper ankahmen syn / und dat schal een verhungerden Deef syn / kwuller wol up wedden / dat de dyne Schape hadde stahlen.

DREWES. Bym Elemente Beneke / du segst wat / dat kan mögelyk wol wahr wesen / man / sühe yns / dar stait jo een fremd Scheper / wo yck süß recht sehe / skuul den de Düfel ock wol heerföhret hebben / dat de myk de Schape stahlen hadde / wat dünckt dyck / wyl wy öhn ins fragen?

BENEKE. Ja / kum Drewes / laßk ins hen tho öhm gahn / wilten ins anspreken / wat ysser angelegen / he wart usk yo wol nich byhten.


Sie gehen beyd zu ihm und spricht gar trotzig.
[386]

DREWES. Goyen Dach hyr gy Fründ / mit vörlöfe dat yk yuw frage / sy gy wor de nie Schapdeef? hee?

SAUSEWIND. Behüte GOtt ihr Leute / wie redet ihr mich so grob an? Jch / ich bin der Göttlichen Rosemunden neuerkorner / braver und zwar glüklich verliebter Schäfer Philauton, Ja Philauton bin ich.

BENEKE. Du syst Schnapup edder Jappup / wy fraget man / wor du de Schape heerkregen heffst / dar bist du mit rechte nicht by kahmen.

SAUSEWIND. Sehet zu ihr Leute / war ihr redet / die Schäflein hat mir anbefohlen / die unvergleichliche überauß schöne Schäferin Rosemund / ja Rosemund / Rosemund gehören diese Schaaffe.

DREWES. Ydt sy Rosenschnuhte edder Rosenflabbe / yk segge / dat du ein groht stükk Deefes bist / und dat de Schape my tohöret / und yk wil se wedder hebben / edder dy skal de barlyke Knüvel halen.

BENEKE. Wat schnakkest du noch veel / Drewes Vadder / kiele den Schaepdeef inter Schnuten / dat öhm dat rode Sap aver de Nese flütt.

SAUSEWIND. Wie komme ich unglükseeliger Schäfer doch zu diesem unverhoften Handel / ich bitte euch ihr Herren / lasset mich mit frieden.[387]

DREWES. Yk wyl dyk wol Heren / du Skabbehalß / süe dar hefst du eenen up diner Rosenflabben Gesundheit / Schlägt ihn an den Halß.

SAUSEWIND ruffet heftig. O Gewalt / Gewalt / ich bitte euch umme Gottes willen / schonet mein / ich bin ein Kavallier / ich bin ein Poet / ich bin ein Liebhabender Schäfer / Ach schonet meiner üm Rosemunds willen.

BULLERBROK. Ach ja ihr Herren / schonet doch meiner auch / ich bin eines verlognen Bärenhäuters / eines elenden Bettlers und eines abgeschäumeten Narren unterthäniger Aufwarter unnd Diener.

BENEKE. Süe dar hefst du enen vor den Kavallier. Schläget zu auff Sausewind.

DREWES. Und düssen Bass geve yck den Poeten / Schläget zu.

BENEKE. Und dyt ys vor den vorlefeden / defeschen Scheper / Schläget zu.

SAUSEWIND. O mein gedräuster Diener Bullerbrok / springe mir doch bey in diesen meinen äussersten Nöhten / ach Bullerbrok hilff mir! Gedenke an das jenige / so du mir versprochen.


Beneke und Drewes schlagen immer lustig auf den Sausewind.


BULLERBROK aber spricht. Jch wolte dir den Teufel auf den Kopf helffen / solte ich dir dafür helffen / daß du mich woltest zu tode hungern lassen / schläget nur lustig auf den Bärenhäuter / es geschiehet ihme fürwar recht und mehr als recht.

SAUSEWIND. Ach du himlische Rosemund / deine Schönheit geben mir ja Krafft / daß ich in diesem schweren Kampffe[388] ritterlich möge streiten und endlich mit Ehren und Freuden triumphiren.

DREWES. Sü daar hefst du noch eenen up diener Rosenflabben Gesundheit.

BENEKE. Und dat ys von Jappup Schnappup / Sie schlagen lustig fort.


Junker Reinhart und Rosemund gukken hervor /lachen / daß sie schütteln / schlagen für Freuden in die Hände / und ruffen den Bauren zu / daß sie nur immer frisch auf den Närrischen Schäfer schlagen

sollen / die vermummete Schaafe springen auch recht auff die Schenkel / und jagen nebenst den Bauren und Bullerbrok den armen Sausewind auf der Schaubühne herüm / stossen und schlagen ihn von einem zum andern / biß er letzlich hinein läuffet / und die andere alle ebenmässig sich verlieren / womit auch diß andere Zwischenspiel wird beschlossen. Hie wird abermal ein lustiges Stük gespielet und gesungen.


Quelle:
Johann Rist: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1972, S. 365-389.
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