Bußlied

[341] Röm. 3, 23-26.


Mel.: Ich bin ja, Herr, in deiner Macht.


Wir sind doch Alle Sünder hier,

Weg ist der Schmuck und Ruhm, den wir

Vor unserm Schöpfer solten haben;

Er hat uns in der schönsten Pracht

Und selbst nach seinem Bild gemacht

Und angefüllt mit solchen Gaben,

Daß auch sein Himmel ihm zu schlecht,

Wenn er bei uns nur wohnen möcht'.
[341]

Jetzt sind wir ein Geheg' der Noth,

Zum Bösen gut, zum Guten todt

Und irdisch ganz in unsern Seelen;

Ja liebster Gott, das sind wir nun,

So find' ich, Höchster, all' mein Thun,

Wie wollt' ich meine Schuld verhehlen,

Die täglich sich verstärkt und mehrt

Und ach, mich höllenab beschwert.


Schau aber doch, wie dies mich quält,

Wie meine Seel' hierum entseelt

Und kaum sich fühlt in ihren Schmerzen;

Ich sehe vor mir meinen Feind,

Der mich gleich jetzt zu fällen meint;

Geht dir, mein Gott, dies nicht zu Herzen

Und kannst du dem mich geben hin,

Da ich von deinem Odem bin?


Dein ein'ges Kind, dein liebster Sohn,

Ließ für mich Armen Reich und Kron'

Und seine ganze Herrschaft stehen,

Nahm an sich sterblich Fleisch und Bein,

Erlitt die allerschwerste Pein

Und ließ sich an das Kreuz erhöhen,

Daß ich bei dir mein Kindesrecht

Hinwiederum erhalten möcht'.


Den, Vater, hast du so der Welt

Zu einem Gnadenstuhl gestellt

In seinem theur-vergossnen Blute,

Der ist, der die Gerechtigkeit

Für uns verdammte Schaf' darbeut

Und hinnimmt unsre Sündenflute,

Die nun so hoch war angerennt,

Daß Gott allein sie tilgen könnt'.


Den fass' auch ich im Glauben üm,

Zu dem erheb' ich meine Stimm',

Sprech: Treuer Jesu, o mein Leben,[342]

Dir dank' ich, daß ich nicht ganz todt,

Du bist die Heilquell' meiner Noth,

Die mir ihr Labsal hat gegeben,

Wenn mich der Hölle Angst bedeckt

Und selbst dein Himmel hat erschreckt.


Woher kommt mir dies grosse Gut?

Ach, Gnad ist Alles, die es thut!

Was wollten meine Werk' verdienen,

Die vor dir nichts und nichtig sind?

Nein Jesu, dein Verdienst allein

Ist kräftig gnug, mich zu versühnen,

Du bist gerecht, und nur allein

Von dir auch muß ich solches sein.


Ja, o mein Heiland, du nur bist,

Der meiner Sünden Zuflucht ist;

Wenn ich an deiner Seit' mich sehe,

So hab' ich, was ich wünschen kann,

Es treffe so mein Tod mich an,

Wo, wie und wann es auch geschehe;

Ich falle, wo es solle sein,

So fall' ich deinen Wunden ein.


Kein Sarg, kein Grab verschließt mich nicht,

Das du zum Bett mir zugericht,

Ach nein, dein Himmel ist mein Erbe,

Den, Bruder, du mir hast vermacht.

Hier ist mein Kranz, mein' Sonnenpracht,

Hier leb' ich ewig, wenn ich sterbe,

Hier will ich auch ohn' Ende dir

Dein grosses Heilig tragen für!

Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 30, Stuttgart [o.J.], S. 341-343.
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