17.

[117] Der du im Lichte bist und bist in mir das Licht,

Ich nehme, was du gibst, und andres will ich nicht.

Du gabest mir den Drang, so klar dein Lob zu sagen,

Als Mund und Ohr von mir und Welt es konnt' ertragen.

Du gabest mir die Kunst, nicht schöner uns zu lügen,

Als, Welt und ich, wir sind, doch schöner uns zu fügen.

Das bleibe mir bewußt: Nur Gottes Macht besiegeln

Wollt' ich in der Natur, nicht drin mich göttlich spiegeln.

Und darum dank' ich dir für jeden hellen Blick,

Den du mich ließest thun in Leben-Tod-Geschick.

Ich danke dir, daß du die Augen mir erschlossen,

Durch die von außen auch dein Glanz in mich geflossen.

Ich will, solange mir zum Sehn die Augen taugen,

Nur deinen Glanz aus Stern- und Blumenaugen saugen.

Und soll dem Auge nun das äußre Licht erblinden,

So laß als inn'res dich in meiner Seele finden.

Ich hab' g'nug gesehn, um lebenslang zu malen

Ein Bild, wie dein Geschöpf nicht strahlt, doch sollte strahlen.

Quelle:
Friedrich Rückert: Werke, Band 2, Leipzig und Wien [1897], S. 117.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die Weisheit des Brahmanen
Am Abend zu lesen. Aus der Weisheit des Brahmanen.
Die Weisheit des Brahmanen
Friedrich Rückerts Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Schweinfurter Edition / Die Weisheit des Brahmanen: Ein Lehrgedicht in Bruchstücken
Friedrich Rückert - Weltbürger, Dichter und Gelehrter: Mit einer Auswahl aus