80. Hungerquellen.

[59] Quellen, deren Wasser zu Zeiten versiegt, dann aber wieder reichlich fließt, nennt man Hungerquellen. Es ist nemlich ein sehr verbreiteter Glaube, daß theure Zeiten bevorstehn, wenn die Hungerquellen fließen (laufen). Ein Hungerborn, an dem diese Sage haftet, befindet sich bei Einbeck am Fuße der Hube. – Wenn der Weingarten bei Hohnstedt läuft, so gibt es theure Zeiten. – Wenn de Lutterborn (bei Herberhausen oder Helperhûsen) löpe sau gift et düere tîen; bûet âwer in de Helperhüsche möle de spennen un int rad de swögelken (Schwalben), sau sint et gaue tîen. – Bei Brüggen im Amte Alfeld befindet sich die so genannte Sêbenbeke. In gewöhnlichen Jahren ist da trockenes Land; in nassen dagegen fließt das Wasser in sieben Furchen darin herunter. Geschieht dieß, so erwartet man theuere Zeiten. – In der Nähe von Moringen liegen drei Quellen nahe beisammen, Mârsprung genannt, aus denen die More entsteht. Im hohen Sommer versiegen sie; das Wasser soll an einem bestimmten Tage ausbleiben und eben so an einem bestimmten Tage wieder zum Vorschein kommen. Fließen sie länger als gewöhnlich, so ist das ein Vorzeichen von eintretender Theurung. Diese Quellen sollen auch mit der etwa sieben Stunden davon entfernten Weser in Verbindung stehn. Steigt das Wasser der Weser über einen gewissen Punkt, so fangen sie an zu fließen; sinkt dagegen die Weser unter diesen Punkt, so verschwinden sie.

Quelle:
Georg Schambach / Wilhelm Müller: Niedersächsische Sagen und Märchen. Göttingen 1855, S. 59.
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Niedersächsische Sagen und Märchen
Niedersächsische Sagen und Märchen : Aus dem Munde des Volkes gesammelt und mit Anmerkungen und Abhandlungen herausgegeben. Nachdruck 1979 d. Ausgabe Göttingen 1855.