[1] Das Theater ist eine felsichte Gegend, hie und da mit Bäumen überwachsen; auf beyden Seiten sind gangbare Berge, nebst einem runden Tempel.
Tamino kommt in einem prächtigen japonischen Jagdkleide rechts von einem Felsen herunter, mit einem Bogen, aber ohne Pfeil; eine Schlange verfolgt ihn.
Introduction.
TAMINO.
Zu Hülfe! zu Hülfe! sonst bin ich verloren,
Der listigen Schlange zum Opfer erkoren.
Barmherzige Götter! schon nahet sie sich;
Ach rettet mich! ach schützet mich!
[1] Er fällt in Ohnmacht; sogleich öffnet sich die Pforte des Tempels; drey verschleyerte Damen kommen heraus, jede mit einem silbernen Wurfspieß.
DIE DREY DAMEN.
Triumph! Triumph! sie ist vollbracht
Die Heldenthat. Er ist befreyt
Durch unsers Armes Tapferkeit.
ERSTE DAME ihn betrachtend.
Ein holder Jüngling, sanft und schön.
ZWEYTE DAME.
So schön, als ich noch nie gesehn.
DRITTE DAME.
Ja, ja! gewiß zum Mahlen schön.
ALLE DREY.
Würd' ich mein Herz der Liebe weih'n,
So müßt es dieser Jüngling seyn.
Laßt uns zu unsrer Fürstinn eilen,
Ihr diese Nachricht zu ertheilen.
Vieleicht, daß dieser schöne Mann
Die vor'ge Ruh' ihr geben kann.
ERSTE DAME.
So geht und sagt es ihr!
Ich bleib' indessen hier.[2]
ZWEYTE DAME.
Nein, nein! geht ihr nur hin;
Ich wache hier für ihn.
DRITTE DAME.
Nein, nein! das kann nicht seyn!
Ich schütze ihn allein.
ALLE DREY jede für sich.
Ich sollte fort? Ey, ey! wie fein!
Sie wären gern bey ihm allein.
Nein, nein! das kann nicht seyn.
Eine nach der andern, dann alle dreyzugleich.
Was wollte ich darum nicht geben,
Könnt ich mit diesem Jüngling leben!
Hätt' ich ihn doch so ganz allein!
Doch keine geht; es kann nicht seyn.
Am besten ist es nun, ich geh'.
Du Jüngling, schön und liebevoll!
Du trauter Jüngling, lebe wohl,
Bis ich dich wieder seh'.
Sie gehen alle drey zur Pforte des Tempels ab, die sich selbst öffnet und schließt.
TAMINO erwacht, sieht furchtsam umher. Wo bin ich! Ist's Fantasie, daß ich noch lebe? oder hat eine höhere Macht mich gerettet? Steht auf, sieht umher. Wie? – Die bösartige[3] Schlange liegt todt zu meinen Füßen? – Man hört von fern ein Waldflötchen, worunter das Orchester plano accompagnirt. Tamino spricht unter dem Ritornel. Was hör' ich? Wo bin ich? Welch' unbekannter Ort! – Ha, eine männliche Figur nähert sich dem Thal. Versteckt sich hinter einem Baume.
Buchempfehlung
Stifters späte Erzählung ist stark autobiografisch geprägt. Anhand der Geschichte des jungen Malers Roderer, der in seiner fanatischen Arbeitswut sich vom Leben abwendet und erst durch die Liebe zu Susanna zu einem befriedigenden Dasein findet, parodiert Stifter seinen eigenen Umgang mit dem problematischen Verhältnis von Kunst und bürgerlicher Existenz. Ein heiterer, gelassener Text eines altersweisen Erzählers.
52 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro