Siebenter Auftritt


[766] Karl. Burgund. Dunois. Du Chatel und Soldaten treten auf.


BURGUND.

Die Schanze ist erstürmt.

DUNOIS.

Der Tag ist unser.

KARL Talbot bemerkend.

Seht, wer es ist, der dort vom Licht der Sonne

Den unfreiwillig schweren Abschied nimmt?

Die Rüstung zeigt mir keinen schlechten Mann,

Geht, springt ihm bei, wenn ihm noch Hülfe frommt.


Soldaten aus des Königs Gefolge treten hinzu.


FASTOLF.

Zurück! Bleibt fern! Habt Achtung vor dem Toten,

Dem ihr im Leben nie zu nahn gewünscht!

BURGUND.

Was seh ich! Talbot liegt in seinem Blut!


Er geht auf ihn zu. Talbot blickt ihn starr an und stirbt.


FASTOLF.

Hinweg, Burgund! Den letzten Blick des Helden

Vergifte nicht der Anblick des Verräters!

DUNOIS.

Furchtbarer Talbot! Unbezwinglicher!

Nimmst du vorlieb mit so geringem Raum,

Und Frankreichs weite Erde konnte nicht

Dem Streben deines Riesengeistes gnügen.

– Erst jetzo, Sire, begrüß ich Euch als König,

Die Krone zitterte auf Eurem Haupt,

So lang ein Geist in diesem Körper lebte.

KARL nachdem er den Toten stillschweigend betrachtet.

Ihn hat ein Höherer besiegt, nicht wir!

Er liegt auf Frankreichs Erde, wie der Held

Auf seinem Schild, den er nicht lassen wollte.[766]

Bringt ihn hinweg!


Soldaten heben den Leichnam auf und tragen ihn fort.


Fried sei mit seinem Staube!

Ihm soll ein ehrenvolles Denkmal werden,

Mitten in Frankreich, wo er seinen Lauf

Als Held geendet, ruhe sein Gebein!

So weit als er, drang noch kein feindlich Schwert,

Seine Grabschrift sei der Ort, wo man ihn findet.

FASTOLF gibt sein Schwert ab.

Herr, ich bin dein Gefangener.

KARL gibt ihm sein Schwert zurück.

Nicht also!

Die fromme Pflicht ehrt auch der rohe Krieg,

Frei sollt Ihr Eurem Herrn zu Grabe folgen.

Jetzt eilt, Du Chatel – Meine Agnes zittert. –

Entreißt sie ihrer Angst um uns – Bringt ihr

Die Botschaft, daß wir leben, daß wir siegten,

Und führt sie im Triumph nach Reims!


Du Chatel geht ab.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 766-767.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die Jungfrau von Orleans
Die Jungfrau von Orleans
Die Jungfrau von Orleans: Reclam XL - Text und Kontext
Die Jungfrau von Orleans: Eine romantische Tragödie (Suhrkamp BasisBibliothek)
Maria Stuart / Die Jungfrau von Orleans (Fischer Klassik)
Klassische Dramen: Maria Stuart / Jungfrau von Orleans / Wilhelm Tell (Deutscher Klassiker Verlag im Taschenbuch)

Buchempfehlung

Hoffmann, E. T. A.

Klein Zaches

Klein Zaches

Nachdem im Reich die Aufklärung eingeführt wurde ist die Poesie verboten und die Feen sind des Landes verwiesen. Darum versteckt sich die Fee Rosabelverde in einem Damenstift. Als sie dem häßlichen, mißgestalteten Bauernkind Zaches über das Haar streicht verleiht sie ihm damit die Eigenschaft, stets für einen hübschen und klugen Menschen gehalten zu werden, dem die Taten, die seine Zeitgenossen in seiner Gegenwart vollbringen, als seine eigenen angerechnet werden.

88 Seiten, 4.20 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon