[344] Illo zu den Vorigen.
WALLENSTEIN.
Wie steht es draußen? Sind sie vorbereitet?
ILLO.
Du findest sie in der Stimmung, wie du wünschest.
Sie wissen um des Kaisers Foderungen
Und toben.
WALLENSTEIN.
Wie erklärt sich Isolan?
ILLO.
Der ist mit Leib und Seele dein, seitdem du
Die Pharobank ihm wieder aufgerichtet.
WALLENSTEIN.
Wie nimmt sich der Colalto? Hast du dich
Des Deodat und Tiefenbach versichert?
ILLO.
Was Piccolomini tut, das tun sie auch.
WALLENSTEIN.
So, meinst du, kann ich was mit ihnen wagen?
ILLO.
– Wenn du der Piccolomini gewiß bist.
WALLENSTEIN.
Wie meiner selbst. Die lassen nie von mir.
TERZKY.
Doch wollt ich, daß du dem Octavio,
Dem Fuchs, nicht so viel trautest.
WALLENSTEIN.
Lehre du
Mich meine Leute kennen. Sechzehnmal
Bin ich zu Feld gezogen mit dem Alten,
– Zudem – ich hab sein Horoskop gestellt,
Wir sind geboren unter gleichen Sternen –
Und kurz –
Geheimnisvoll.
Es hat damit sein eigenes Bewenden.
Wenn du mir also gutsagst für die andern –
ILLO.
Es ist nur eine Stimme unter allen:
Du dürfst das Regiment nicht niederlegen.
Sie werden an dich deputieren, hör ich.
WALLENSTEIN.
Wenn ich mich gegen sie verpflichten soll,
So müssen sies auch gegen mich.
ILLO.
Versteht sich.
WALLENSTEIN.
Parole müssen sie mir geben, eidlich, schriftlich,
Sich meinem Dienst zu weihen, unbedingt.
ILLO.
Warum nicht?
TERZKY.
Unbedingt? Des Kaisers Dienst,[344]
Die Pflichten gegen Östreich werden sie
Sich immer vorbehalten.
WALLENSTEIN den Kopf schüttelnd.
Unbedingt
Muß ich sie haben. Nichts von Vorbehalt!
ILLO.
Ich habe einen Einfall – Gibt uns nicht
Graf Terzky ein Bankett heut abend?
TERZKY.
Ja,
Und alle Generale sind geladen.
ILLO zum Wallenstein.
Sag! Willst du völlig freie Hand mir lassen?
Ich schaffe dir das Wort der Generale,
So wie dus wünschest.
WALLENSTEIN.
Schaff mir ihre Handschrift.
Wie du dazu gelangen magst, ist deine Sache.
ILLO.
Und wenn ich dirs nun bringe, schwarz auf weiß,
Daß alle Chefs, die hier zugegen sind,
Dir blind sich überliefern – Willst du dann
Ernst machen endlich, mit beherzter Tat
Das Glück versuchen?
WALLENSTEIN.
Schaff mir die Verschreibung!
ILLO.
Bedenke, was du tust! Du kannst des Kaisers
Begehren nicht erfüllen – kannst das Heer
Nicht schwächen lassen – nicht die Regimenter
Zum Spanier stoßen lassen, willst du nicht
Die Macht auf ewig aus den Händen geben.
Bedenk das andre auch! Du kannst des Kaisers
Befehl und ernste Ordre nicht verhöhnen,
Nicht länger Ausflucht suchen, temporisieren,
Willst du nicht förmlich brechen mit dem Hof.
Entschließ dich! Willst du mit entschloßner Tat
Zuvor ihm kommen? Willst du, ferner zögernd,
Das Äußerste erwarten?
WALLENSTEIN.
Das geziemt sich,
Eh man das Äußerste beschließt!
ILLO.
O! nimm der Stunde wahr, eh sie entschlüpft.
So selten kommt der Augenblick im Leben,[345]
Der wahrhaftig wichtig ist und groß. Wo eine
Entscheidung soll geschehen, da muß vieles
Sich glücklich treffen und zusammenfinden, –
Und einzeln nur, zerstreuet zeigen sich
Des Glückes Fäden, die Gelegenheiten,
Die nur in einen Lebenspunkt zusammen
Gedrängt, den schweren Früchteknoten bilden.
Sieh! Wie entscheidend, wie verhängnisvoll
Sichs jetzt um dich zusammenzieht! – Die Häupter
Des Heers, die besten, trefflichsten, um dich,
Den königlichen Führer, her versammelt,
Nur deinen Wink erwarten sie – O! laß
Sie so nicht wieder auseinandergehen!
So einig führst du sie im ganzen Lauf
Des Krieges nicht zum zweitenmal zusammen.
Die hohe Flut ists, die das schwere Schiff
Vom Strande hebt – Und jedem einzelnen
Wächst das Gemüt im großen Strom der Menge.
Jetzt hast du sie, jetzt noch! Bald sprengt der Krieg
Sie wieder auseinander, dahin, dorthin –
In eignen kleinen Sorgen und Intressen
Zerstreut sich der gemeine Geist. Wer heute,
Vom Strome fortgerissen, sich vergißt,
Wird nüchtern werden, sieht er sich allein,
Nur seine Ohnmacht fühlen und geschwind
Umlenken in die alte, breitgetretne
Fahrstraße der gemeinen Pflicht, nur wohl-
Behalten unter Dach zu kommen suchen.
WALLENSTEIN.
Die Zeit ist noch nicht da.
TERZKY.
So sagst du immer.
Wann aber wird es Zeit sein?
WALLENSTEIN.
Wenn ichs sage.
ILLO.
O! du wirst auf die Sternenstunde warten,
Bis dir die irdische entflieht! Glaub mir,
In deiner Brust sind deines Schicksals Sterne.
Vertrauen zu dir selbst, Entschlossenheit[346]
Ist deine Venus! Der Maleficus,
Der einzge, der dir schadet, ist der Zweifel.
WALLENSTEIN.
Du redst, wie dus verstehst. Wie oft und vielmals
Erklärt ich dirs! – Dir stieg der Jupiter
Hinab bei der Geburt, der helle Gott;
Du kannst in die Geheimnisse nicht schauen.
Nur in der Erde magst du finster wühlen,
Blind, wie der Unterirdische, der mit dem bleichen
Bleifarbnen Schein ins Leben dir geleuchtet.
Das Irdische, Gemeine magst du sehn,
Das Nächste mit dem Nächsten klug verknüpfen;
Darin vertrau ich dir und glaube dir.
Doch, was geheimnisvoll bedeutend webt
Und bildet in den Tiefen der Natur, –
Die Geisterleiter, die aus dieser Welt des Staubes
Bis in die Sternenwelt, mit tausend Sprossen,
Hinauf sich baut, an der die himmlischen
Gewalten wirkend auf und nieder wandeln,
– Die Kreise in den Kreisen, die sich eng
Und enger ziehn um die zentralische Sonne –
Die sieht das Aug nur, das entsiegelte,
Der hellgebornen, heitern Joviskinder.
Nachdem er einen Gang durch den Saal gemacht, bleibt er stehen und fährt fort.
Die himmlischen Gestirne machen nicht
Bloß Tag und Nacht, Frühling und Sommer- nicht
Dem Sämann bloß bezeichnen sie die Zeiten
Der Aussaat und der Ernte. Auch des Menschen Tun
Ist eine Aussaat von Verhängnissen,
Gestreuet in der Zukunft dunkles Land,
Den Schicksalsmächten hoffend übergeben.
Da tut es not, die Saatzeit zu erkunden,
Die rechte Sternenstunde auszulesen,
Des Himmels Häuser forschend zu durchspüren,
Ob nicht der Feind des Wachsens und Gedeihens[347]
In seinen Ecken schadend sich verberge.
Drum laßt mir Zeit. Tut ihr indes das Eure.
Ich kann jetzt noch nicht sagen, was ich tun will.
Nachgeben aber werd ich nicht. Ich nicht!
Absetzen sollen sie mich auch nicht – Darauf
Verlaßt euch.
KAMMERDIENER kommt.
Die Herrn Generale.
WALLENSTEIN.
Laß sie kommen.
TERZKY.
Willst du, daß alle Chefs zugegen seien?
WALLENSTEIN.
Das brauchts nicht. Beide Piccolomini,
Maradas, Buttler, Forgatsch, Deodat,
Caraffa, Isolani mögen kommen.
TERZKY geht hinaus mit dem Kammerdiener.
WALLENSTEIN zu Illo.
Hast du den Questenberg bewachen lassen?
Sprach er nicht einge in geheim?
ILLO.
Ich hab ihn scharf bewacht. Er war mit niemand
Als dem Octavio.
Ausgewählte Ausgaben von
Wallenstein
|
Buchempfehlung
Das 1900 entstandene Schauspiel zeichnet das Leben der drei Schwestern Olga, Mascha und Irina nach, die nach dem Tode des Vaters gemeinsam mit ihrem Bruder Andrej in der russischen Provinz leben. Natascha, die Frau Andrejs, drängt die Schwestern nach und nach aus dem eigenen Hause.
64 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro