Dritter Auftritt


[403] Beide Piccolomini.


OCTAVIO.

Was nun, mein Sohn? Jetzt werden wir bald klar sein,

– Denn alles, weiß ich, ging durch den Sesina.

MAX der während des ganzen vorigen Auftritts in einem heftigen, innern Kampf gestanden, entschlossen.

Ich will auf kürzerm Weg mir Licht verschaffen.

Leb wohl!

OCTAVIO.

Wohin? Bleib da!

MAX.

Zum Fürsten.

OCTAVIO erschrickt.

Was?

MAX zurückkommend.

Wenn du geglaubt, ich werde eine Rolle

In deinem Spiele spielen, hast du dich

In mir verrechnet. Mein Weg muß gerad sein.

Ich kann nicht wahr sein mit der Zunge, mit[403]

Dem Herzen falsch – nicht zusehn, daß mir einer

Als seinem Freunde traut, und mein Gewissen

Damit beschwichtigen, daß ers auf seine

Gefahr tut, daß mein Mund ihn nicht belogen.

Wofür mich einer kauft, das muß ich sein.

– Ich geh zum Herzog. Heut noch werd ich ihn

Auffordern, seinen Leumund vor der Welt

Zu retten, eure künstlichen Gewebe

Mit einem graden Schritte zu durchreißen.

OCTAVIO.

Das wolltest du?

MAX.

Das will ich. Zweifle nicht.

OCTAVIO.

Ich habe mich in dir verrechnet, ja.

Ich rechnete auf einen weisen Sohn,

Der die wohltätgen Hände würde segnen,

Die ihn zurück vom Abgrund ziehn – und einen

Verblendeten entdeck ich, den zwei Augen

Zum Toren machten, Leidenschaft umnebelt,

Den selbst des Tages volles Licht nicht heilt.

Befrag ihn! Geh! Sei unbesonnen gnug,

Ihm deines Vaters, deines Kaisers

Geheimnis preis zu geben. Nötge mich

Zu einem lauten Bruche vor der Zeit!

Und jetzt, nachdem ein Wunderwerk des Himmels

Bis heute mein Geheimnis hat beschützt,

Des Argwohns helle Blicke eingeschläfert,

Laß michs erleben, daß mein eigner Sohn

Mit unbedachtsam rasendem Beginnen

Der Staatskunst mühevolles Werk vernichtet.

MAX.

O! diese Staatskunst, wie verwünsch ich sie!

Ihr werdet ihn durch eure Staatskunst noch

Zu einem Schritte treiben – Ja, ihr könntet ihn,

Weil ihr ihn schuldig wollt, noch schuldig machen.

O! das kann nicht gut endigen – und, mag sichs

Entscheiden wie es will, ich sehe ahnend

Die unglückselige Entwicklung nahen. –

Denn dieser Königliche, wenn er fällt,[404]

Wird eine Welt im Sturze mit sich reißen,

Und wie ein Schiff, das mitten auf dem Weltmeer

In Brand gerät mit einem Mal, und berstend

Auffliegt, und alle Mannschaft, die es trug,

Ausschüttet plötzlich zwischen Meer und Himmel.

Wird er uns alle, die wir an sein Glück

Befestigt sind, in seinen Fall hinabziehn.

Halte du es, wie du willst! Doch mir vergönne,

Daß ich auf meine Weise mich betrage.

Rein muß es bleiben zwischen mir und ihm,

Und eh der Tag sich neigt, muß sichs erklären,

Ob ich den Freund, ob ich den Vater soll entbehren.


Indem er abgeht, fällt der Vorhang.[405]


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 403-407.
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