Fünfter Auftritt


[416] Wallenstein und Wrangel.


WALLENSTEIN nachdem er einen forschenden Blick auf ihn geheftet.

Ihr nennt Euch Wrangel?

WRANGEL.

Gustav Wrangel, Oberst

Vom blauen Regimente Südermannland.

WALLENSTEIN.

Ein Wrangel wars, der vor Stralsund viel Böses

Mir zugefügt, durch tapfre Gegenwehr

Schuld war, daß mir die Seestadt widerstanden.

WRANGEL.

Das Werk des Elements, mit dem Sie kämpften,

Nicht mein Verdienst, Herr Herzog! Seine Freiheit

Verteidigte mit Sturmes Macht der Belt,[416]

Es sollte Meer und Land nicht einem dienen.

WALLENSTEIN.

Den Admiralshut rißt Ihr mir vom Haupt.

WRANGEL.

Ich komme, eine Krone draufzusetzen.

WALLENSTEIN winkt ihm, Platz zu nehmen, setzt sich.

Euer Kreditiv. Kommt Ihr mit ganzer Vollmacht?

WRANGEL bedenklich.

Es sind so manche Zweifel noch zu lösen –

WALLENSTEIN nachdem er gelesen.

Der Brief hat Händ und Füß. Es ist ein klug,

Verständig Haupt, Herr Wrangel, dem Ihr dienet.

Es schreibt der Kanzler: er vollziehe nur

Den eignen Einfall des verstorbnen Königs,

Indem er mir zur böhmschen Kron verhelfe.

WRANGEL.

Er sagt, was wahr ist. Der Hochselige

Hat immer groß gedacht von Euer Gnaden

Fürtrefflichem Verstand und Feldherrngaben,

Und stets der Herrschverständigste, beliebt' ihm

Zu sagen, sollte Herrscher sein und König.

WALLENSTEIN.

Er durft es sagen.


Seine Hand vertraulich fassend.


Aufrichtig, Oberst Wrangel – Ich war stets

Im Herzen auch gut schwedisch – Ei, das habt ihr

In Schlesien erfahren und bei Nürnberg.

Ich hatt euch oft in meiner Macht und ließ

Durch eine Hintertür euch stets entwischen.

Das ists, was sie in Wien mir nicht verzeihn,

Was jetzt zu diesem Schritt mich treibt – Und weil

Nun unser Vorteil so zusammengeht,

So laßt uns zueinander auch ein recht

Vertrauen fassen.

WRANGEL.

Das Vertraun wird kommen,

Hat jeder nur erst seine Sicherheit.

WALLENSTEIN.

Der Kanzler, merk ich, traut mir noch nicht recht.

Ja, ich gestehs – Es liegt das Spiel nicht ganz

Zu meinem Vorteil – Seine Würden meint,

Wenn ich dem Kaiser, der mein Herr ist, so

Mitspielen kann, ich könn das gleiche tun[417]

Am Feinde, und das eine wäre mir

Noch eher zu verzeihen, als das andre.

Ist das nicht Eure Meinung auch, Herr Wrangel?

WRANGEL.

Ich hab hier bloß ein Amt und keine Meinung.

WALLENSTEIN.

Der Kaiser hat mich bis zum Äußersten

Gebracht. Ich kann ihm nicht mehr ehrlich dienen.

Zu meiner Sicherheit, aus Notwehr tu ich

Den harten Schritt, den mein Bewußtsein tadelt.

WRANGEL.

Ich glaubs. So weit geht niemand, der nicht muß.


Nach einer Pause.


Was Eure Fürstlichkeit bewegen mag,

Also zu tun an Ihrem Herrn und Kaiser,

Gebührt nicht uns, zu richten und zu deuten.

Der Schwede ficht für seine gute Sach

Mit seinem guten Degen und Gewissen.

Die Konkurrenz ist, die Gelegenheit

Zu unsrer Gunst, im Krieg gilt jeder Vorteil,

Wir nehmen unbedenklich, was sich bietet;

Und wenn sich alles richtig so verhält –

WALLENSTEIN.

Woran denn zweifelt man? An meinem Willen?

An meinen Kräften? Ich versprach dem Kanzler,

Wenn er mir sechzehntausend Mann vertraut,

Mit achtzehntausend von des Kaisers Heer

Dazuzustoßen –

WRANGEL.

Euer Gnaden sind

Bekannt für einen hohen Kriegesfürsten,

Für einen zweiten Attila und Pyrrhus.

Noch mit Erstaunen redet man davon,

Wie Sie vor Jahren, gegen Menschendenken,

Ein Heer wie aus dem Nichts hervorgerufen.

Jedennoch –

WALLENSTEIN.

Dennoch?

WRANGEL.

Seine Würden meint,

Ein leichter Ding doch möcht es sein, mit nichts

Ins Feld zu stellen sechzigtausend Krieger,

Als nur ein Sechzigteil davon –


Er hält inne.[418]


WALLENSTEIN.

Nun, was?

Nur frei heraus!

WRANGEL.

Zum Treubruch zu verleiten.

WALLENSTEIN.

Meint er? Er urteilt wie ein Schwed und wie

Ein Protestant. Ihr Lutherischen fechtet

Für eure Bibel, euch ists um die Sach;

Mit eurem Herzen folgt ihr eurer Fahne. –

Wer zu dem Feinde läuft von euch, der hat

Mit zweien Herrn zugleich den Bund gebrochen.

Von all dem ist die Rede nicht bei uns –

WRANGEL.

Herr Gott im Himmel! Hat man hierzulande

Denn keine Heimat, keinen Herd und Kirche?

WALLENSTEIN.

Ich will Euch sagen, wie das zugeht – Ja,

Der Österreicher hat ein Vaterland,

Und liebts, und hat auch Ursach, es zu lieben.

Doch dieses Heer, das kaiserlich sich nennt,

Das hier in Böheim hauset, das hat keins;

Das ist der Auswurf fremder Länder, ist

Der aufgegebne Teil des Volks, dem nichts

Gehöret, als die allgemeine Sonne.

Und dieses böhmsche Land, um das wir fechten,

Das hat kein Herz für seinen Herrn, den ihm

Der Waffen Glück, nicht eigne Wahl gegeben.

Mit Murren trägts des Glaubens Tyrannei,

Die Macht hats eingeschreckt, beruhigt nicht.

Ein glühend, rachvoll Angedenken lebt

Der Greuel, die geschahn auf diesem Boden.

Und kanns der Sohn vergessen, daß der Vater

Mit Hunden in die Messe ward gehetzt?

Ein Volk, dem das geboten wird, ist schrecklich,

Es räche oder dulde die Behandlung.

WRANGEL.

Der Adel aber und die Offiziere?

Solch eine Flucht und Felonie, Herr Fürst,

Ist ohne Beispiel in der Welt Geschichten.

WALLENSTEIN.

Sie sind auf jegliche Bedingung mein.

Nicht mir, den eignen Augen mögt Ihr glauben.


[419] Er gibt ihm die Eidesformel. Wrangel durchliest sie, und legt sie, nachdem er gelesen, schweigend auf den Tisch.


Wie ists? Begreift Ihr nun?

WRANGEL.

Begreifs, wers kann!

Herr Fürst! Ich laß die Maske fallen – Ja!

Ich habe Vollmacht, alles abzuschließen.

Es steht der Rheingraf nur vier Tagesmärsche

Von hier, mit funfzehntausend Mann, er wartet

Auf Ordre nur, zu Ihrem Heer zu stoßen.

Die Ordre stell ich aus, sobald wir einig.

WALLENSTEIN.

Was ist des Kanzlers Foderung?

WRANGEL bedenklich.

Zwölf Regimenter gilt es, schwedisch Volk.

Mein Kopf muß dafür haften. Alles könnte

Zuletzt nur falsches Spiel –

WALLENSTEIN fährt auf.

Herr Schwede!

WRANGEL ruhig fortfahrend.

Muß demnach

Darauf bestehn, daß Herzog Friedland förmlich,

Unwiderruflich breche mit dem Kaiser,

Sonst ihm kein schwedisch Volk vertrauet wird.

WALLENSTEIN.

Was ist die Foderung? Sagts kurz und gut.

WRANGEL.

Die spanschen Regimenter, die dem Kaiser

Ergeben, zu entwaffnen, Prag zu nehmen,

Und diese Stadt, wie auch das Grenzschloß Eger,

Den Schweden einzuräumen.

WALLENSTEIN.

Viel gefodert!

Prag! Seis um Eger! Aber Prag? Geht nicht.

Ich leist euch jede Sicherheit, die ihr

Vernünftgerweise von mir fodern möget.

Prag aber – Böhmen – kann ich selbst beschützen.

WRANGEL.

Man zweifelt nicht daran. Es ist uns auch

Nicht ums Beschützen bloß. Wir wollen Menschen

Und Geld umsonst nicht aufgewendet haben.

WALLENSTEIN.

Wie billig.

WRANGEL.

Und so lang, bis wir entschädigt,

Bleibt Prag verpfändet.

WALLENSTEIN.

Traut ihr uns so wenig?[420]

WRANGEL steht auf.

Der Schwede muß sich vorsehn mit dem Deutschen.

Man hat uns übers Ostmeer hergerufen;

Gerettet haben wir vom Untergang

Das Reich – mit unserm Blut des Glaubens Freiheit,

Die heilge Lehr des Evangeliums

Versiegelt – Aber jetzt schon fühlet man

Nicht mehr die Wohltat, nur die Last, erblickt

Mit scheelem Aug die Fremdlinge im Reiche,

Und schickte gern mit einer Handvoll Geld

Uns heim in unsre Wälder. Nein! wir haben

Um Judas' Lohn, um klingend Gold und Silber,

Den König auf der Walstatt nicht gelassen,

So vieler Schweden adeliges Blut,

Es ist um Gold und Silber nicht geflossen!

Und nicht mit magerm Lorbeer wollen wir

Zum Vaterland die Wimpel wieder lüften,

Wir wollen Bürger bleiben auf dem Boden,

Den unser König fallend sich erobert.

WALLENSTEIN.

Helft den gemeinen Feind mir niederhalten,

Das schöne Grenzland kann euch nicht entgehn.

WRANGEL.

Und liegt zu Boden der gemeine Feind,

Wer knüpft die neue Freundschaft dann zusammen?

Uns ist bekannt, Herr Fürst – wenngleich der Schwede

Nichts davon merken soll – daß Ihr mit Sachsen

Geheime Unterhandlung pflegt. Wer bürgt uns

Dafür, daß wir nicht Opfer der Beschlüsse sind,

Die man vor uns zu hehlen nötig achtet?

WALLENSTEIN.

Wohl wählte sich der Kanzler seinen Mann,

Er hätt mir keinen zähern schicken können.


Aufstehend.


Besinnt Euch eines Bessern, Gustav Wrangel.

Von Prag nichts mehr.

WRANGEL.

Hier endigt meine Vollmacht.

WALLENSTEIN.

Euch meine Hauptstadt räumen! Lieber tret ich

Zurück – zu meinem Kaiser.[421]

WRANGEL.

Wenns noch Zeit ist.

WALLENSTEIN.

Das steht bei mir, noch jetzt, zu jeder Stunde.

WRANGEL.

Vielleicht vor wenig Tagen noch. Heut nicht mehr.

– Seit der Sesin gefangen sitzt, nicht mehr.


Wie Wallenstein betroffen schweigt.


Herr Fürst! Wir glauben, daß Sies ehrlich meinen;

Seit gestern – sind wir des gewiß – Und nun

Dies Blatt uns für die Truppen bürgt, ist nichts,

Was dem Vertrauen noch im Wege stünde.

Prag soll uns nicht entzweien. Mein Herr Kanzler

Begnügt sich mit der Altstadt, Euer Gnaden

Läßt er den Ratschin und die kleine Seite.

Doch Eger muß vor allem sich uns öffnen,

Eh an Konjunktion zu denken ist.

WALLENSTEIN.

Euch also soll ich trauen, ihr nicht mir?

Ich will den Vorschlag in Erwägung ziehn.

WRANGEL.

In keine gar zu lange, muß ich bitten.

Ins zweite Jahr schon schleicht die Unterhandlung,

Erfolgt auch diesmal nichts, so will der Kanzler

Auf immer sie für abgebrochen halten.

WALLENSTEIN.

Ihr drängt mich sehr. Ein solcher Schritt will wohl

Bedacht sein.

WRANGEL.

Eh man überhaupt dran denkt,

Herr Fürst! Durch rasche Tat nur kann er glücken.


Er geht ab.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 416-422.
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