5.

Geliebte Spuren

[132] Dich sollt' ich haßen, und ich muß dich lieben,

Ort! der mein Kleinod geizig wollte haben,

Nicht um sich sein zu freun, es zu vergraben;

Selbst reicher nicht, indeß ich arm geblieben.


Hier sind noch ihre Spuren eingeschrieben:

Auf diesen Wiesen saß sie; Schatten gaben

Ihr Busch und Baum, und Früchte, sie zu laben;

Die Blumenlust ließ Au und Feld sie üben.


Hier sang sie noch dem Echo muntre Lieder;

Jungfräulich wandelnd im Cyanenkranze

Ließ sie das goldne Haar anmuthig flattern.


Bald aber sank sie, ach! entseelt danieder,

Wie den Gespielen weggerafft im Tanze

Eurydice vom Stiche falscher Nattern.

Quelle:
August Wilhelm von Schlegel: Sämtliche Werke Band 1, Leipzig 1846, S. 132-133.
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