7.

Mater dolorosa

[310] Der Blutaltar, für Gottes Lamm bereitet,

Hat sein geweihtes Opfer schon empfangen;

Und reuevolle Brüder zu umfangen,

Hält Christ am Kreuz die Arme ausgebreitet.


Er sieht voll Huld, die ihn hinausbegleitet,

Der Treuen Schaar in namenlosem Bangen:

Sie schaun auf ihn mit schmerzlichem Verlangen,

Was noch sein Wink für Tröstung ihnen deutet.


Der Mutter Antlitz blaßt in Todesschauer,

Die thränenlosen Augen sind verglommen,

Ihr stummer Mund vermag nicht mehr zu flehen.


Kein sterblich Weib erfuhr so tiefe Trauer.

Das prophezeit' ihr einst das Wort des Frommen:

Es wird ein Schwert durch deine Seele gehen.

Quelle:
August Wilhelm von Schlegel: Sämtliche Werke Band 1, Leipzig 1846, S. 310-311.
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