Dritter Auftritt.

[150] Die Vorigen, Kreusa.


KREUSA wirft sich vor Xuthus nieder, mit der Linken seine Knie umfassend, die Rechte gegen sein Kinn erhoben.

Mein königlicher Gatte, kannst du mir

Verzeihn, daß ich ein hoffnungslos Geheimnis

(So schien es mir) mit dem verschwund'nen Säugling

Vor dir in Schweigen und des Orkus Nacht begrub?[150]

Ach es vergessen konnt' ich nimmer doch,

Und sechzehn Jahr' beklemmt' es meine Brust,

Bis heute, da ein mißverstandner Ausspruch

Der Hoffnung letzte Stütze mir entzog,

Es über mich hereinbrach, wie ein fallend Haus,

Daß ich, vernichtend, zu vergehn beschloß,

Und mich den Furien ganz zum Raube gab.

Für mich begehr' ich nichts, für Jon einzig

Das Wiederkehren deiner Freundlichkeit.

Gewähre denn mir Frieden, daß wir nicht

Sein Herz entzwei'n, wenn er uns feindlich sieht,

Dir angehörig durch des Gottes Willen,

Mir durch des mütterlichen Schoßes Recht.

XUTHUS.

Steh' auf, Kreusa! Königin, steh' auf,

Und kenne besser mich! Nicht jugendlich

Von heftig unbedachtem Mut getrieben,

Lehn' ich dem waltenden Geschick mich auf,

Noch mag ich rechten mit der Götter Tun.

Ich glaube deinem Wort, daß unser Liebling

Des Latoniden echt Erzeugter sei:

Doch das genügt nur mir, ihn zu erkennen.

Gäb' uns ein sichtbar Zeichen der Olymp,

Das der erstaunten Welt den Zweifel nähme,

So wollt' ich diesen Tag zum zweitenmal

Als Fest begehn: der nahverwandte Gott

Würd' unsern Bund verjüngen, höher weihn;

Ein neuer, jubellauter Hymenäus

Sollt' angestimmt uns werden, und ich führte

In bräutlich frohem Pompe nach Athen dich heim.

KREUSA.

Nicht eiteln Ruhmes halb, um vor den Menschen

Zu prangen in dem Kranz der Götterwahl,[151]

Den langes Leid um meine Stirn gewelkt,

Um deinetwillen wünsch' ich solch ein Zeichen,

Doch darf ich es nicht hoffen; denn Apoll

Des ich mich lang geschämt, schämt wohl sich meiner.

Drum laß dir gnügen: die allmächt'ge Liebe

Die mich in diesem Jüngling neu gebiert,

Und mit ergebnem Sinn wie nie zuvor

Dir, seinem zweiten Vater, hin mich gibt,

Beweise dir, es sei ein göttlich Pfand.

JON.

O Wonn' und Segen, ihr geliebten Eltern,

Zum erstenmal gemeinsam mir begrüßt!

Kreusa! Xuthus! fehlt nur das, den schönsten

Verein euch zu vollenden, und mein Heil?

Wohlan! es hebt und schwellt ein reges Hoffen,

Begeist'rung atmend, dies mein junges Herz:

Ich bitte dreist, was zweifelnd ihr begehrt.

O du, der dieses Tempels Räum' erfüllt

Mit unsichtbarer hehrer Gegenwart,

Und droben himmelwandelnd, herrlich strahlt,

Und nimmer fern ist, und mein Flehn vernimmt!

Schon da ich bildlich nur dich Vater nannte,

Sehnt' ich mich oft, dein Antlitz einst zu sehn;

Ich wandte wie der Sonnenblume Kelch

Mich ahndungsvoll zu deinem ew'gen Licht.

Jetzt bitt' ich heißer, brünstiger und kühner;

Ich maße mir nicht an wie Phaethon

Die Flammenross' am Firmament zu lenken,

Verkennend mein Vermögen und mein sterblich Los:

Der Lieb' Erwidrung fordr' ich kindlich nur,

Und meines Ursprungs himmlische Gewißheit.

O bei der Süßigkeit des Vaternamens!

Gib mir dein Anschaun, wenn du mich erzeugt.


Donner und Blitz.
[152]

PYTHIA.

Mein Jon, welch Erkühnen! Aber wie?

Der Boden scheint zu beben, und mit Stamm

Und Laub und Ästen wankt der heil'ge Lorbeer,

Es blitzt, ein Schein vergoldet rings den Hain.

Ja, die Erhörung naht sich: zaget nicht!


Quelle:
August Wilhelm von Schlegel: Ausgewählte Werke. Berlin 1922, S. 150-153.
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