|
[176] Ulfo, Estrithe.
ULFO.
Erwarte weiter nichts. Dein Wunsch ist dir gewährt.
Ich habe dich geführt, wohin du es begehrt.
Du siehst nun Dännemarks berühmte Hauptstadt wieder.
Geh, wirf dich, wenn du willst, vor deinem Bruder nieder;
Ersuche den Canut um gnädiges Verzeihn;
Bereu, entschuldige, ja, mische Thränen ein;
Heiß meine That vor ihm ein übereilt Verbrechen,
Erniedrige dich nur: Ich will als Sieger sprechen.
ESTRITHE.
Ach! Ulfo! kannst du mich so grausam hintergehn?
Hast du mich hergeführt, hier deinen Tod zu sehn?
Bedenke, was du schon für deinen Trutz gelitten.
Mein Bruder ist erzürnt, und du willst ihn nicht bitten?
ULFO.
Nein! deinen Ehgemahl soll niemand bitten sehn.
Des Ulfo Schicksal ist zu streiten, nicht zu flehn.
Sprich selber: seit mein Herz, da ich es dir geschenket,
Der Knechtschaft abgesagt und sich nach Ehre lenket,
Seit mir des Königs Ruhm den Ehrgeitz beygebracht,
Der, um ihm gleich zu seyn, mich ihm zum Feinde macht,
Seit ich mit Dännemarks und Englands Herrscher kriegte:
So sprich: Wer hat gesiegt, und wer ist der Besiegte?
Ich hab ihn ohne Land und ohne Macht erschreckt:
Da alles ihn gefurcht, hab ich ihm Feind erweckt.
ESTRITHE.
Wo sind die Feinde nun, die sich mit dir verbunden?[176]
Norwegens Haupt ist todt und Omud überwunden.
ULFO.
Doch ich bin ungebeugt. Es schwimmen in der Fluth
Durch meine List ersäufft die Völker des Canut.
Trotzt ich nicht ungestraft die Stärke seiner Flotten?
Ein Boot beschützte mich, ihn sicher zu verspotten.
Der keinem Feinde sonst vergebens nachgejagt,
Hat in den Wüsten mich zu suchen nicht gewagt.
Und ich, ich käme selbst und wollt um Gnade bitten,
Dieß heißt zu viel verlangt, wofür hätt ich gestritten?
ESTRITHE.
Ach! Ulfo find ich stets dieß harte Herz bey dir?
Je mehr ich dir gehorcht, ie mehr versagst du mir.
Hab ich nicht, seit Canut mein Herz dir übergeben,
Mir zum Gesetz gemacht, nach deinem Wink zu leben?
Wie willig floh ich mit zu Nordens tiefstem Schnee?
Durch Wälder folgt ich dir, und gieng mit dir zur See.
Ich sah, um den Canut undankbar zu bestreiten,
Die Schiffe fertig stehn, die Heere sich bereiten:
Und doch beschwert ich nie dein unerbittlich Ohr.
Gelassen stellt ich dir dein und mein Unglück vor.
Ich seufzte, daß du dich durch Untreu schimpfen solltest.
Ich haßte, was du thatst, und that doch, was du wolltest.
Dieß ist nunmehr der Dank für alles, was ich that.
Du schlägst mir ab, was ich zu deinem Wohlseyn bath;
Du führest mich hieher, Grausamer, mir zu sagen,
Du wollest hier durch Trutz dein Glück, dein Leben wagen.
Ist denn nicht, was du bist, des Königs Eigenthum?
Was hat dich wieder ihn so aufgebracht?
ULFO.
Sein Ruhm.
Soll er allein die Welt mit seinen Thaten füllen?
Sein Nähme wird genennt, und meiner bleibt im Stillen.
Es ist ihm nicht genug, daß er befehlen kann.
In allem thut er mehr, als ieder Unterthan.
Wer findet unter ihm Gelegenheit zu siegen?
Ihn preiset man allein im Frieden und in Kriegen.
Nur er heißt tapfer, groß, fromm, gütig, klug, geübt.
Er wird allein geehrt; Er wird allein geliebt.
Sein Geist, den nichts umschränkt, will allen Ruhm umfassen,
Uns, die wir schlechter sind, will er nichts übrig lassen.
Was bleibt mir, soll mich nicht zu leben ganz gereun,
Zur Ehre für ein Weg, als der, sein Feind zu seyn?
Ist Stärke, Muth, Verstand an denen denn verlohren,
Die kein partheyisch Glück zu Königen gebohren?[177]
Hab ich zur Ewigkeit nicht soviel Recht als er?
Vom Schicksal kömmt der Thron, von uns die Ehre her.
Er bleibe, was er ist, ein König von sechs Reichen.
An Macht geb ich ihm nach, an Ruhm will ich nicht weichen.
ESTRITHE.
Wie qvälest du mich nicht mit deiner Ruhmbegier?
Bist du noch stets sein Feind, sprich, warum bist du hier?
Hier liebt man den Canut, hier ist ihm alles eigen.
Soll hier dein schwacher Haß sich dir zum Unglück zeigen?
ULFO.
Das Unglück, daß er bringt, sey wichtig oder klein!
Kein Unglück ist so groß, als lebend todt zu seyn.
Wenn unsre Thaten uns nicht aus dem dunkeln heben,
Was für ein Unterscheid ist leben und nicht leben?
Zur Ehre hab ich schon den ersten Schritt gethan.
Die Welt sieht meinen Sieg schon mit Bewundrung an.
Man sagt schon daß Canut, den sonst nichts überwunden,
Am Ulfo einen Feind, der siegen kann, gefunden.
Doch daß ich ihn durch List und ohne Schwerdtstreich schlug,
Daß ich sein Heer ersäufft, ist mir noch nicht genug.
Hier selbst in seinem Sitz will ich ihm Krieg erwecken.
Hat er mich erst gefurcht: nun will ich ihn erschrecken.
Geh nur, und bitte du bey ihm für mein Vergehn;
Du sollst es bald gehäufft, und ihn selbst bittend sehn.
Er mag mir meine That zurechnen oder schenken:
Es werden Helden seyn, die mit mir edel denken.
Ich such sie, sey gewiß, daß dieser Arm nicht ruht,
Mich nenne denn die Welt, den Sieger des Canut.
Geht ab.
Buchempfehlung
Simon lernt Lorchen kennen als er um ihre Freundin Christianchen wirbt, deren Mutter - eine heuchlerische Frömmlerin - sie zu einem weltfremden Einfaltspinsel erzogen hat. Simon schwankt zwischen den Freundinnen bis schließlich alles doch ganz anders kommt.
52 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro