[379] Wenn sie ohne dem fein alt / und zehenmahl geflickt und zerstückt sind / wie sollen sie denn halten? die Kleider halten so lange / als sie können / ja sie halten offt länger / als der Mensch / der sie anhat. Wie denn allerdinges eines verstorbenen Menschen Kleider länger halten / als der sie getragen hat / sonst könten sie nach dem Tode keine Kleider mehr genennet werden /sondern man müste sie alte Lumpen heissen. Doch will ich mich hiermit nicht lange aufhalten / sondern will nur mich erkundigen / was es für Beschaffenheit mit den Kleidern eines Verstorbenen[379] habe / und ob es wahr sey / daß solche nicht so lange halten / als wenn der Mensch / der solche getragen hat / noch lebete. Wenn ich nun eines Verstorbenen seine Kleider betrachte / so sind sie entweder alt / oder neue; sind sie alt / so können sie freylich nicht lange mehr halten /weil sich die Erben nach dem Tode darein zu theilen pflegen / und ein ieder Erbe will seinen Theil noch also nutzen / daß die geerbte Kleider nicht folgend gar vermodern / und lässet entweder sich selbst / oder den Kindern etwas drauß machen / da dann die ersten alten Falten verkehret werden / und dann natürlicher weise bald reissen muß. Nicht aber darum reisset solches bald / weil der / der es zuvor getragen hat / gestorben ist / sondern darum / weil es schon sehr abgetragen worden / und möchte demnach der erste Besitzer gleich noch am Leben seyn / so würde es dennoch auch bald zerreissen / es sey dann / daß (wie alte sparsame Leute zu thun pflegen) der Besitzer diese alte Kleider nur hin in Kleiderschranck hengen wolte / so halten solche noch lange / weil sie nicht abgenutzt werden. Sind es aber noch gute neue Kleider / welche gar noch nicht verlegen sind / die müssen auch als neue halten / und solte der Besitzer solche gar im Tod angehabt haben. Zwar ists nicht ohne / daß einige Physici in den Gedancken stehen / daß[380] wenn der Mensch in den Kleidern sich starck bewegte / daß er schwitzte / so bleibe der Dunst vom Schweiß in denen Kleidern behangen / und insinuirte sich mit denselben einigermassen / wann alsdann der Mensch stürbe /und in der Erden anfinge zu verwesen / so verweseten alsdenn per Sympathiam die hinterlassenen Kleider auch / weil von des Verstorbenen seinem Schweiß noch etwas darinnen vorhanden. Alleine / es läßt sich dieses leichter sagen / als glauben / und kan ich mich zu solcher subtilen Physica nicht verstehen. Denn der ausgedunste Schweiß hat mit dem verstorbenen Cörper nicht mehr zu thun / sondern ist ein excrementum humidum, welches an seine vorige Wohnung nicht mehr würcken / noch von dieser was annehmen kan. Bleibe ich demnach dabey / daß ein alt Kleid vom Trödel gekaufft / dessen erster Besitzer noch lebet /eben so bald zerreissen wird / als ein Erbstück / das noch nicht sehr veraltert ist.
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Die gestriegelte Rocken-Philosophie
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