Prolog

[89] Gesprochen beim Feste aller schwäbischen Liederkränze im Lokal der Predigerkirche zu Eßlingen


den 26. Mai 1828.


Zu feiern einen Schmaus dem Ohre

Durchzogen wir bekränzte Thore,

Gleich Kämpfern auf olymp'scher Bahn;

Den Musen, wie in alten Tagen,

Ist hier ein Lager aufgeschlagen,

Zum Wettsang strömt das Volk heran.


Wie heißt die Stadt, zu der wir wallen,

Mit ihren Thürmen, ihren Hallen?

O hätt' ich einen Pindarsmund!

Wie flösse mir am Tag der Lieder

Die Hymne von der Lippe nieder,

Und thät' ihr Lob den Horchern kund!


Erst eilt des Neckars leise Welle

Vorbei an einer kleinen Zelle,

Drin ruht ein Heiligengebein:[89]

Doch schon ist es ein Platz der Ehren,

Und mit des Reiches Glanze kehren

Schon deutsche Könige hier ein.


Und bald, wie Staufens großen Söhnen

Verliehen wird ihr Haupt zu krönen,

Und nun die Schwaben Meister sind,

Da dehnet sich die enge Klause,

Da wurdest du im Königshause,

O Stadt! ein sorgenfreies Kind.


Der Rothbart baut an deinem Thurme,

Der Philipp nimmt in Kampf und Sturme

Doch deiner jungen Mauern wahr.

Des größten Friedrichs Adler schmücket

Dein graues Thor, und unverrücket

Bewacht es noch sein Löwenpaar.


O Zeit des schwäbischen Gesanges!

Da rauschte brüderlichen Klanges

Das Lied zum Neckarwellenschlag;

Ein Meister war auch dir gegeben,

Du Stadt der Blüten und der Reben,

Der sang von deinem Maientag.


Auch dieses Haus ward jetzt gegründet,

In dem sich unser Lied entzündet;

Der Staufe Heinrich baut' es aus;[90]

Doch fiel er vom geraubten Throne,

Da nahm sein Weib vom Haupt die Krone,

Und trat mit ihr in dieses Haus.


»Ihr Mönche, gebt dies Gold den Armen,

Ihr Mönche, flehet um Erbarmen,

Fleht für die Seele meines Herrn!« –

Wert ist dies Weib, daß man sein denket,

Das auch der Krone Gold verschenket,

Als unterging der Ehre Stern.


Bald bleichten, Stadt, auch deine Sterne,

Als nun ein Henker in der Ferne

Das Beil für Staufens Enkel schliff;

Da sang der Meister deiner Schule:

Er warnte Gott auf seinem Stuhle,

Als Habsburg nach der Krone griff.


Doch war in dem kein Feind gekommen,

Ein Bürgerfreund, ein Freund der Frommen;

Dir wurde Rudolph herzlich lieb.

Er baut an Kirchen dir und Brücken,

Er stärkt die Burg in deinem Rücken,

Er sichert dich vor jedem Dieb.


Da wardst du groß im Lauf der Zeiten,

Und um dich buhlen, um dich streiten

Zween Könige mit Heeresmacht.

Sie sprengen in des Neckars Fluten

Mit Roß und Mann, die Wasser bluten –

Im Frieden schaust du auf die Schlacht.
[91]

Im Frieden baust du kühn aus Quadern

Die Kirche, die den Ast von Adern,

Den schlanken Thurm zur Höhe treibt;

Es stehn die hellen Fensterbogen

Mit lichten Bildern überzogen,

In deren Glas die Sonne bleibt.


Nun waren deine Tempel fertig

Und ihres Gottes neu gewärtig;

Da zückt herein der Morgenstral,

Erneut, gereinigt ist der Glaube,

Es reifet deine dunkle Traube

Jetzt für den Kelch im Abendmahl.


Und alles Schöne muß gedeihen,

Die Künste blühn, die Bürger reihen

Sich ein zum wackern Meistersang,

Und lieblich läßt die Stimme tönen

Ein heller Chor von deinen Söhnen,

Gelehrig, zu der Orgel Klang.


Zwar kam noch Manches, dich zu quälen,

Wovon die Enkel noch erzählen,

Und Krieg und Pest ging über dich;

Doch blieb dein stattlich Bürgerleben,

Und dein erfinderisches Streben

Rührt fröhlich an dem Strome sich.


Und auch vom Berg dein Nachbar droben,

Mit dem sich Fehde lang erhoben,

Hat dir an Ehre nichts geraubt;[92]

Sein glücklich Kind bist du zu schauen,

Du lehnest dich, mit Selbstvertrauen,

Geschirmt an sein gekröntes Haupt.


Zeig' immer stolz dein Prachtgelände,

Die schmucken Werke deiner Hände,

Dein Thal vom Segen Gottes voll,

Und deine grauen Altertümer,

Der Burg und der Kapellen Trümmer,

Die Kindeskind noch schauen soll.


Du pflegst auch unsres Liedes Blüte,

Nimm unsern Dank für deine Güte,

Für gastlich aufgethanes Thor.

Den unsern soll dein Chor durchdringen,

Es hall' ein rein, ein kräftig Singen,

Ein Lobgesang in Aller Ohr!

Quelle:
Gustav Schwab: Gedichte. Leipzig [um 1880], S. 89-93.
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