117. Die drei Scharfrichter zu Regensburg.

[116] Von F.J.Freiholz.Hormayr Taschenb. 1832. S. 377.


Zu Regensburg der Donaustadt

Es einstmal sich begeben hat

Daß drei Verbrechern auf einen Tag

Ihr Todesurtheil der Richter sprach.

Doch weil gerad zu jener Frist

Kein Scharfrichter da gewesen ist

So suchte man vor allen Dingen

Erst einen solchen aufzubringen.

Drum schrieb der hohe Rath sogleich

Die Botschaft aus im ganzen Reich

Daß männiglich erscheinen sollt

Wer des Scharfrichters Stelle wollt.

Es meldeten in kurzer Zeit

Sich drei zu dieser Stell bereit,

Und jeder gelobt' mit hohen Schwüren,

Er könnt' am besten das Richtschwert führen,

Da faßt ein hoher Rath den Schluß

Daß Jeder sich erst zeigen muß

Weil's drei Verbrecher zu gutem Glück,

Langt's auch für Jeden ein Meisterstück.

Als nun der Probetag erschien

Strömt alles Volk zur Richtstatt hin,

Gefüllt mit Menschen sind die Gassen

Will Kein's das Schauspiel gern verpassen. –

Und stolz mit siegsgewissem Schritt

Der Erste das Gerüst betritt,

Mit sorglos unbefangnem Blick

Besieht er des armen Sünders Genick;

Flugs langt er in die Tasch hinein

Bringt heraus einen Röthelstein,

Fährt damit um den Hals im Ring

Der so einen rothen Strich empfing

Dann hebt er hoch das scharfe Schwert

Das risch des Sünders Hals durchfährt:

Wie er den rothen Ring gezogen,

So ist das Haupt vom Rumpf geflogen. –

Der Zweite naht' dann mit Bedacht

Hat nicht der gaffenden Menge Acht,

Ihm dünkt es schier als stünd er oben,

Zur Kurzweil seine Kunst zu proben,

Des armen Sünders nackter Hals

Scheint ihm ein Krautstängel allenfalls;

Zwei Fäden aus der Tasch er bringt,

Die er fest um den Hals ihm schlingt[116]

So nah zusammengerückt die beiden

Daß man sie kaum konnt unterscheiden;

Er prüft sein Schwert ob's scharf genug,

Dann holt er aus zum Todeszug

Und zwischen den Fäden in der Mitten

Hat er des Sünders Hals durchschnitten,

Am Kopf und Rumpfe kann man traun

Noch unverletzt die Fäden schau'n. –

Als das Gerüst der Dritt' besteigt

Ein Zweifel durch alle Lippen schleicht:

Wie soll denn dem der Sieg verbleiben,

Nicht höher kann die Kunst er treiben?

Ihm aber schien es ganz gewiß

Daß Keiner ihm den Sieg entriß;

Den Blick hat er emporgewandt,

Und mit dem Schwerte spielt die Hand,

Die zwei Gesellen eilen bei,

Zeigen ihm Kunstgriffe mancherlei,

Und suchen ihm mit falschen Tücken

Den ruh'gen Sinn wohl zu berücken,

Doch er schwingt rasch sein treues Schwert,

Das wie ein Blitz die Luft durchfährt,

Ab haute er mit einem Streich

Die Köpfe allen Drei'n zugleich.

Er hatt' das beste Stück vollbracht,

Und sich des Amtes werth gemacht.

Ob er's erhielt, das weiß ich nicht,

Weil davon nichts die Sage spricht.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 116-117.
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