561. Lies Herrel.

[115] Onsorg Chron. Bav. ap. Oefele I., 367.


Um Jakobi des Jahres 1371 erschien zu Regensburg ein Geist, welcher nicht gesehen, aber deutlich gehört werden konnte. Als er unter andern von wegen der Pest, welche damals regierte, befragt worden, sagte er Nichts als diese Worte: Was fraget ihr, da Gott selbst seiner Mutter nicht alle Geheimnisse offenbaren wollte. Darauf wurde er von jenen, welche vertrauter mit ihm waren (qui ei familiares fuerunt), noch einmal befragt, und antwortete: Ho! seht ihr nicht die Eitelkeit und Habsucht dieser Welt, die Gott nicht ungestraft lassen will. Er sagte den Ausgang des Streites der bayerischen Herzoge mit Karl wegen Brandenburg, sowie viele andere Dinge voraus. Einmal goß er ungesehen die Milch aus einem Gefäße in Gegenwart vieler Leute. Jemanden, der gesagt hatte: man müsse keine Furcht vor ihm haben und dem Teufel keinen Glauben schenken, schlug er so heftig auf die Nase, daß reichliches Blut ausströmte. Er wollte nicht anders als Lies Herrel genannt sein. Einmal sagte ein frommer Priester zu ihm: Lies Herrel, gib mir deine Hand! worauf jener: ich will nicht. Als der Priester weiter fragte: warum willst du denn nicht? antwortete der Geist: es würde dir so erschrecklich sein, daß du es nicht aushalten könntest. Ein mit ihm sehr vertrautes Mägdlein fragte: warum er vor andern gerade in ihr Haus gekommen wäre? Jener gab zur Antwort: Ich that es deinetwillen, denn[115] wäre ich nicht gekommen und hätte dich gewarnt, so hätte dich ein Gewisser (den er mit Namen nannte) verführt, und du hättest das Kind nach der Geburt getödtet, woraus großes Uebel für dich entstanden wäre. Als er befragt wurde, ob er ein Engel oder ein Teufel sei, war die Antwort: keines von beiden, sondern der Bote eines Engels.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 115-116.
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