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[378] Erweck' den Tiger der hyrcan'schen Wüßte
Mit gier'gen Löwen kämpf' um ihre Beute;
Du wagst so viel nicht, als wenn Du erweckst
Des wilden Fanatismus schlummernd Feuer.
Anonymus.
Unsere Erzählung kehrt jetzt zu Isaak von York zurück. – Auf einem Maulthier, welches das Oberhaupt der Landflüchtigen ihm geliehen, und von zwei rüstigen Landsassen begleitet, die ihm als Schutzwache und Führer dienten, hatte sich der Jude nach dem Präceptorium zu Tempelstowe auf den Weg gemacht, um wegen der Auslösung seiner Tochter zu unterhandeln. Das Präceptorium war nur eine Tagereise von dem zerstörten Schlosse Torquilstone entfernt, und der Jude hatte gehofft, es noch vor Anbruch der Nacht zu erreichen. Als er aus dem Walde kam, entließ er seine Führer, nachdem er sie mit einem Silberstück belohnt hatte, und setzte seinen Weg so rasch fort, als es seine Ermattung gestattete. Aber seine Kraft verließ ihn gänzlich, da er noch vier Meilen von Tempelstowe entfernt war. Auch empfand er heftige körperliche Schmerzen, so daß er sich genöthigt sah, in einem kleinen Marktflecken zu bleiben, wo ein jüdischer Rabbiner wohnte, der in der Arzneikunst sehr erfahren, und mit dem Isaak sehr wohl bekannt war. Nathan Ben Israel empfing seinen leidenden Landsmann mit der Freundlichkeit, welche das Gesetz vorschreibt, und welche die Juden gegen einander üben. Er bestand darauf, daß er sich zur Ruhe begeben solle, und wandte alle damals gewöhnlichen Mittel an, um den Fortgang des Fiebers zu hemmen, das Schreck,[379] Ermüdung, schlechte Behandlung und Kummer dem armen, alten Juden zugezogen hatten.
Am nächsten Morgen, als Isaak sagte, er wolle aufstehen und nach Tempelstowe seine Reise fortsetzen, machte Nathan als Wirth und Arzt dagegen Vorstellungen. »Weißt Du auch,« sagte Nathan, »daß Lukas de Beaumanoir, das Haupt der Ordensritter, den sie Großmeister nennen, in Tempelstowe angekommen ist?«
»Ich weiß es nicht,« sagte Isaak, »unsere Brüder schrieben mir, er sei noch zu Paris.«
»Er ist inzwischen eingetroffen und ist unter sie gefahren mit starkem und ausgestrecktem Arme, um zu bessern und zu strafen. Groß ist die Furcht der Söhne Belials, denn sein Antlitz ist geröthet vor Zorn gegen die, so abgefallen sind von ihrem Gesetz.«
»Ich kenne ihn. Er ist ein grimmiger Feind der Saracenen und ein grausamer Tyrann gegen die Kinder der Verheißung,« sagte Isaak seufzend.
»Nichts rührt ihn,« fuhr Nathan fort. »Andre Templer lassen sich durch Sinnenlust bewegen und durch Gold und Silber bestechen; er haßt die Sinnlichkeit, verschmäht das Gold und strebt nur nach der Krone der Märtyrer. Möge der Gott Jakobs sie ihm eiligst senden!«
»Trotzdem muß ich selbst nach Tempelstowe, und wenn sein Antlitz der siebenmal geheizte Ofen Baals wäre,« sagte Isaak, und theilte dem Freunde den Grund seiner Reise mit, der nun nicht länger widersprach, sondern vielmehr zur Eile trieb. In einer Stunde hatte der Jude Tempelstowe erreicht.
Der Großmeister war ein Mann von vorgerückten Jahren, wie sein langer greiser Bart und die langen grauen Augenbrauen bezeugten, welche ein Paar Augen beschatteten, deren Feuer keineswegs die Jahre im Stande gewesen waren auszulöschen. Seine finstern Züge ließen in ihm einen gefürchteten Krieger erkennen, seine ascetische Magerkeit sowie sein geistlicher Hochmuth einen bigotten eingebildeten Priester. Er war von hohem Wuchse, sein Gang, von Jahren und Anstrengungen nicht niedergedrückt, stattlich und gerade. Dies verlieh seiner Haltung etwas Edles. Sein weißer Mantel war streng nach der Form des heiligen Bernhard geschnitten; er war genau für seine Statur gemacht, und zeigte[380] auf der linken Schulter das dem Orden eigenthümliche achteckige Kreuz aus rothem Tuche. Kein Hermelin oder Zobel zierte seine Kleidung, nur wegen seines Alters und seiner Würde als Großmeister war sein Gewand mit dem zartesten Lammesfelle gefüttert und besetzt, wobei die Wolle nach außen gekehrt war. In der Hand trug er den eigenthümlichen abacus oder Amtsstab, womit die Templer oft abgebildet werden, und der am oberen Ende eine runde Platte zeigte, auf die das Ordenskreuz eingegraben war, umgeben von einem Zirkel oder Wappensaume, wie es die Heraldiker nennen. Der Begleiter, der dieser hohen Persönlichkeit aufwartete, trug fast genau dieselbe Kleidung, nur zeigte er durch die Rücksichten gegen seinen Obern, daß keine andere Gleichheit zwischen ihnen bestehe. Der Präceptor, denn das war er, ging nicht in einer Linie mit dem Großmeister, sondern gerade so weit hinter ihm, daß Beaumanoir mit ihm reden konnte, ohne sich umzuwenden.
»Conrad,« sagte der Großmeister, »theurer Gefährte meiner Schlachten und Mühen, Deiner treuen Brust allein kann ich meinen Gram und Kummer vertrauen. Dir allein kann ich sagen, wie ich bei meinem Eintritte in dieses Reich gewünscht habe zu sterben und bei den Gerechten zu schlummern, unter den Gewölben der Tempelkirche in jener stolzen Hauptstadt. Ach, Bruder, wie streng habe ich stets gelebt, wie genau die Vorschriften unseres heiligen Ordens befolgt! Wie hat diese Strenge das Mark meiner Gebeine verzehrt! Denke Dir, was ich empfinden muß bei dem Anblick all der Ausschweifungen, in die ich die Brüder unseres Bundes hier versunken sehe! Es ist eine Schande, es auszusprechen, eine Schmach, daran zu denken, wie die Verderbniß gleich einer Fluth über uns hereingebrochen ist. Aber ich will den Tempel wieder reinigen und alle verunreinigten Steine des großen Baues ausstoßen, damit nirgends Ansteckung hafte!«
»Aber bedenkt, ehrwürdiger Vater,« sagte sein Begleiter, »die Ansteckung ist durch Zeit und Gewohnheit schon tief eingewurzelt. Seid daher behutsam in Eurer gerechten und weisen Reform.«
»Nein, Conrad, sie muß durchgreifend und plötzlich sein. Der Orden steht auf dem Punkte der Entscheidung seines Schicksals; die Mäßigung, Selbstbeherrschung und Frömmigkeit unserer Vorfahren schaffte uns mächtige Freunde; unsere Anmaßung, unser[381] Reichthum, unsere Schwelgerei hat uns mächtige Feinde erweckt. Wir müssen diese Reichthümer von uns werfen, welche eine Versuchung für die Fürsten sind, wir müssen die Anmaßung ablegen, die sie beleidigt, wir müssen die ausschweifenden Sitten verbessern, welche der ganzen Christenheit zum Aergerniß dienen! Oder – gedenke meiner Worte – der Orden des Tempels wird von Grund aus zerstört werden, und seine Stätte selbst wird nicht mehr bekannt sein unter den Völkern.«
»Möge Gott ein solches Unheil abwenden!« sagte der Präceptor.
»Amen!« versetzte der Großmeister feierlich, »aber wir müssen auch seine Hilfe verdienen. Wir müssen umkehren und wiederum würdige Kämpfer des Kreuzes sein.«
In diesem Augenblick trat ein Knappe in einem abgetragenen Kleide, denn die Aspiranten des Ordens trugen während ihres Noviziats die abgelegten Kleider der Ritter, in den Garten, und indem er sich demuthsvoll vor dem Großmeister neigte, blieb er schweigend stehen und erwartete die Erlaubniß, seinen Auftrag mitzutheilen.
»Ist es nicht schicklicher,« sagte der Großmeister, »diesen Damian in das Gewand christlicher Demuth gekleidet zu sehen, und schweigend, ehrerbietig vor seinem Obern, als so, wie er vor ein paar Tagen erschien, in einem gestickten Wamse, so bunt und hoffärtig wie ein Papagei? Sprich, Damian, wir erlauben es Dir, was hast Du vorzubringen?«
»Ein Jude steht vor dem Thor, edler und ehrwürdiger Vater,« sagte der Knappe, »der mit dem Bruder Brian de Bois-Guilbert zu reden wünscht.«
»Du hast Recht gethan, mir Kenntniß davon zu geben,« sagte der Großmeister; »in unserer Anwesenheit ist ein Präceptor nur ein gewöhnliches Mitglied unseres Ordens, das nicht nach eigenem Belieben gehen kann, wohin es will, sondern nach dem des Meisters.« – Und zu seinem Gefährten gewendet, setzte er hinzu: »Es liegt mir viel daran, das Benehmen dieses Bois-Guilbert kennen zu lernen.«
»Der Ruf nennt ihn brav und tapfer,« sagte Conrad.
»Und nennt ihn mit Recht so,« sagte der Großmeister; »in unserer Tapferkeit allein sind wir von unsern Vorfahren, den Helden des Kreuzes, nicht ausgeartet. Allein Bruder Brian trat[382] in den Orden als ein unzufriedener, eigenwilliger Mensch, angetrieben, wie ich glaube, unsere Gelübde anzunehmen und der Welt zu entsagen nicht von aufrichtig reuigem Herzen, sondern als einer, den ein bloßes Mißvergnügen zur Reue gewandt hat. Seitdem ist er ein thätiger Aufrührer, Unruhestifter und Anführer derer geworden, die unser Ansehen bestreiten und anfechten, nicht bedenkend, daß die Regierung dem Meister verliehen ist durch das Symbol des Stabes und der Ruthe: des Stabes, um den Schwachen zu stützen, der Ruthe, um die Fehler der Irrenden zu strafen. – Damian,« fuhr er fort, »führe den Juden vor uns.«
Der Knappe entfernte sich mit tiefer Ehrfurcht und kehrte nach einigen Minuten mit dem Juden von York zurück. Kein nackter Sklave, wenn er vor einen mächtigen Fürsten geführt wird, kann sich seinem Throne mit tieferer Ehrerbietung und größerer Angst nähern, als der Jude in Gegenwart des Großmeisters empfand. Als er ihm bis auf drei Schritte nahe gekommen war, machte Beaumanoir ein Zeichen mit dem Stabe, daß er nicht weiter gehen solle. Der Jude knieete nun nieder und küßte die Erde zum Zeichen der Verehrung, dann erhob er sich und trat vor die Templer, die Hände über die Brust gefaltet, den Kopf gesenkt, mit der vollen Unterwürfigkeit orientalischer Knechtschaft.
»Damian,« sagte der Großmeister, »entferne Dich, sei aber bereit, auf unsern Ruf sogleich wieder zu erscheinen. Laß niemand in den Garten, bis wir es erlauben.« – Der Knappe verbeugte sich und ging. »Jude,« fuhr nun der hohe Greis fort, »sieh mich an! Es schickt sich nicht für unsern Stand, eine lange Unterredung mit Dir zu halten, auch pflegen wir Worte und Zeit an niemand zu verschwenden. Sei daher kurz in Deinen Antworten auf die Fragen, die wir an Dich richten werden, und rede zugleich die Wahrheit; denn wenn Deine Zunge falsch gegen mich ist, so lasse ich sie Dir aus dem ungläubigen Halse reißen.«
Der Jude wollte antworten, doch der Großmeister fuhr fort:
»Still, Ungläubiger! Nicht ein Wort in unserer Gegenwart, außer den Antworten auf unsere Fragen. Was hast Du für ein Geschäft mit unserm Bruder Brian de Bois-Guilbert?«
Isaak konnte kaum athmen vor Schreck und Verlegenheit. Trug er seine Angelegenheit vor, so konnte dies so ausgelegt[383] werden, als wollte er den Orden beschimpfen, und doch, wenn er dies nicht that, welche Hoffnung konnte er haben, seiner Tochter Befreiung zu bewirken? Beaumanoir bemerkte seine tödtliche Angst und ließ sich herab, ihm einige Beruhigung zu gewähren.
»Du hast nichts zu fürchten für Deine elende Person, Jude,« sagte er, »wenn Du nur in dieser Sache aufrichtig bist. Ich frage Dich nochmals nach Deinem Geschäft mit Brian de Bois-Guilbert.«
»Ich bin der Ueberbringer eines Briefes an diesen edlen Ritter,« stammelte der Jude, »von dem Prior Aymer aus der Abtei Jorvaulx.«
»Sagt ichs nicht, es sind schlechte Zeiten, Conrad,« bemerkte der Großmeister; »ein Cisterzienserabt sendet einen Brief an einen Krieger des Tempels und kann keinen besseren Boten finden als einen ungläubigen Juden! – Gib mir den Brief!«
Mit zitternden Händen legte der Jude die Falten seiner armenischen Mütze auseinander, wo er der größeren Sicherheit wegen die Schreibtafel verborgen, auf die der Prior den Brief geschrieben hatte, und eben war er im Begriff, mit ausgestreckter Hand und gekrümmtem Leibe sich zu nähern, und den Brief in den Bereich des grimmigen Fragers zu bringen, als der Großmeister rief: »Zurück, Du Hund! ich berühre nie Ungläubige, außer mit dem Schwerte. Conrad, nimm Du den Brief von dem Juden und gib ihn mir!«
Als Beaumanoir die Schreibtafel erhalten hatte, besah er das Aeußere aufs genaueste, und wollte dann den Faden ablösen, womit sie zusammen gebunden war. »Ehrwürdiger Vater,« sagte Conrad mit vieler Ehrfurcht dazwischen redend, »willst Du das Siegel erbrechen?«
»Warum nicht?« versetzte Beaumanoir mit gerunzelter Stirn; »steht denn nicht im zweiundzwanzigsten Kapitel de lectione litterarum, daß ein Templer keinen Brief empfangen soll, selbst nicht von seinem Vater, ohne ihn dem Großmeister mitzutheilen und in seiner Gegenwart zu lesen?«
Er durchlief nun den Brief mit dem Ausdruck des Erstaunens und Entsetzens; er las ihn nochmals langsamer, dann hielt er ihn mit der einen Hand Conradin hin, während er ihn mit der andern leicht berührte, und rief: »Das ist ein schöner Stoff zu einem[384] Schreiben eines Christen an den andern, und beide sind Mitglieder, und zwar nicht unansehnliche Mitglieder geistlicher Orden. Wann,« setzte er feierlich hinzu, indem er zum Himmel aufblickte, »wann wirst Du kommen, mit Deiner Schwinge die Tenne zu fegen?«
Conrad Mont-Fichet nahm den Brief aus den Händen seines Obern und war im Begriff ihn zu lesen. »Lies ihn laut, Conrad,« sagte der Großmeister, »und Du, Jude, gib genau Achtung, denn wir werden Dich darüber befragen.«
Conrad las nun den Brief, welcher folgendermaßen lautete:
»Aymer, durch Gottes Gnade Prior des Cisterzienserklosters der heiligen Maria von Jorvaulx, wünscht Sir Brian de Bois-Guilbert, Ritter des heiligen Tempelordens, Gesundheit nebst den Gaben des Königs Bacchus und der Frau Venus in Fülle! Unsere gegenwärtige Lage betreffend, theurer Bruder, so sind wir als Gefangener in den Händen einiger gesetz- und gottloser Menschen, welche sich nicht entblödet haben, sich unserer Person zu bemächtigen und Lösung dafür zu fordern, wobei wir auch Front de Boeufs[385] trauriges Schicksal erfuhren, und daß Du mit der schönen jüdischen Zauberin, deren schwarze Augen Dich in Fesseln gelegt haben, entkommen bist. Wir freuen uns zwar herzlich über Deine Rettung, dessenungeachtet aber bitten wir Dich auf Deiner Hut zu sein in Ansehung dieser zweiten Hexe von Endor; denn wir haben privatim erfahren, daß Euer Großmeister, der sich nicht im geringsten um rothe Wangen und schwarze Augen kümmert, von der Normandie herüberkommen wird, Eurer Lust ein Ziel zu setzen, und Eure Missethaten zu züchtigen. Daher bitten wir Euch herzlich, auf der Hut zu sein, wie die heilige Schrift sagt: Invenientur vigilantes. Da mich nun der reiche Jude, ihr Vater, ersucht hat, ihm einen Brief mitzugeben, so thue ich es hiemit, und ermahne Dich ernstlich, das Mädchen auf Lösegeld zu setzen, denn er wird Dir von seinem Reichthum so viel zahlen, daß Du Dir dafür fünfzig Mädchen viel sicherer verschaffen kannst. Ich hoffe, Du wirst mir schon auch meinen Antheil davon zukommen lassen, wenn wir lustig zusammen sind, als treue Brüder, auch des Weines nicht zu vergessen; denn was sagt die Schrift? Vinum laetificat cor hominis. – Lebe denn wohl bis zu froher Zusammenkunft. – Gegeben in dieser Diebeshöhle in der Morgenstunde.
Aymer, Prior von Jorvaulx.
Postscriptum. Deine goldene Kette hat nicht lange bei mir ausgehalten; ein landflüchtiger Wilddieb trägt sie am Halse, und hängt seine kleine Pfeife daran, mit welcher er die Hunde ruft.«
»Was sagst Du dazu, Conrad?« begann jetzt der Großmeister. – »Diebshöhle? Für einen solchen Abt ist eine Diebshöhle ein passender Aufenthalt. Kein Wunder, daß die Hand Gottes schwer auf uns liegt, und daß im heiligen Lande ein Ort nach dem andern verloren geht. – Und was meint er denn mit der Hexe von Endor?« fragte er ein wenig abseits seinen Vertrauten.
Conrad war vielleicht aus Erfahrung etwas besser mit der Sprache der Galanterie bekannt als sein Vorgesetzter, und erklärte die Stelle, die der Großmeister nicht verstand, für eine Redensart, deren sich weltlich gesinnte Leute gegen ihre Geliebten bedienten; doch diese Erklärung genügte dem bigotten Beaumanoir nicht.
»Dahinter steckt mehr, als Du vermuthest, Conrad; Deine Einfalt durchdringt diesen Abgrund der Verworfenheit nicht. Diese[386] Rebekka von York wurde von jener Miriam erzogen, von der Du wohl gehört hast. Der Jude wird es Dir sogleich selber bekennen.«
Nun wendete er sich zu Isaak und sagte laut: »Deine Tochter ist also in Gefangenschaft des Brian de Bois-Guilbert?«
»Ja, ehrwürdiger, tapferer Herr,« stammelte der arme Isaak, »und welches Lösegeld auch immer von einem armen Manne gefordert werden mag« –
»Schweig!« sagte der Großmeister. »Diese Deine Tochter übt die Heilkunst aus, nicht wahr?«
»Ja, gnädiger Herr,« antwortete der Jude mit mehr Zuversicht, »und Ritter und Landmann, Knappe und Vasall werden das Geschenk segnen, welches ihr der Himmel mit dieser Kunst gemacht hat. O wie mancher muß es bezeugen, daß er nur durch ihre Kunst wieder hergestellt worden ist, nachdem alle andere menschliche Hilfe vergebens gewesen. Der Segen des Gottes Jakobs ruht sichtbar auf ihr.«
Beaumanoir wandte sich mit grimmigem Lächeln an Mont-Fichet. »Siehst Du, Bruder,« sagte er, »die Lockungen des alles verschlingenden Feindes? Siehst Du die Netze, womit er die Seelen umgarnt, indem er ihnen einen kurzen Zeitraum irdischen Lebens für ihre ewige Seligkeit anbietet? Sehr richtig sagt unsere geheiligte Ordensregel: Semper percutiatur leo vorans. – Drauf auf den Löwen! Nieder mit dem Zerstörer!« rief er, und schwang dabei seinen geheimnißvollen Stab, gleichsam als wolle er sich damit gegen die Macht der Finsterniß schützen. Dann fuhr er zum Juden gewendet fort: »Gewiß bewirkt Deine Tochter ihre Kuren durch Worte und Siegel und allerlei cabbalistische Geheimnisse?«
»Nein, verehrter und tapferer Ritter,« entgegnete Isaak, »sondern durch einen Balsam von bewunderungswürdiger Kraft.«
»Woher hat sie das Geheimniß seiner Bereitung?« fragte Beaumanoir.
»Von Miriam,« entgegnete der Jude widerstrebend, »einer weisen Matrone unseres Stammes.«
»Ha, falscher Jude!« sagte der Großmeister, »also von der Hexe Miriam, deren Zaubereien in allen Christenlanden mit Abscheu und Verwünschungen genannt werden?« – Bei diesen Worten bekreuzte sich der Großmeister. – »Ihr Körper wurde auf dem[387] Scheiterhaufen verbrannt und ihre Asche in alle vier Winde zerstreut! Und so geschehe mit mir und meinem Orden, wenn ich nicht ebenso an ihrem Zögling thue, und noch mehr! Ich will sie lehren Zauberformeln aussprechen über die Streiter des heiligen Tempels! Sogleich jage den Juden aus dem Thore, Damian, und schieß ihn nieder, wenn er sich widersetzt oder umkehrt. Mit seiner Tochter werden wir verfahren, wie es das christliche Gesetz und unser heiliges Amt befiehlt.«
Der arme Isaak wurde fortgetrieben, und alle seine Bitten und Anerbietungen blieben ungehört und unbeachtet. Er konnte nichts Besseres thun, als nach der Wohnung des Rabbiners zurückkehren und versuchen, ob er durch seine Vermittlung erfahren könne, was mit seiner Tochter vorgenommen werden solle. Bis dahin hatte er für ihre Ehre gefürchtet, jetzt zitterte er auch für ihr Leben. Inzwischen ließ der Großmeister dem Präceptor von Tempelstowe befehlen, vor ihm zu erscheinen.
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