Erste Szene

[22] Vor dem Hause.


Es treten auf Antipholus von Ephesus, Dromio von Ephesus, Angelo und Balthasar.


ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Werter Herr Angelo, Ihr müßt entschuldigen;

Wenn ich die Zeit versäume, zankt mein Weib.

Sagt, daß ich in der Werkstatt zögerte,

Zu sehn, wie ihr Geschmeide ward gefertigt,

Und daß Ihr's morgen früh uns bringen wollt. –

Denkt nur! der Schelm da schwört mir ins Gesicht,

Ich hätt' ihn auf dem Markt vorhin geprügelt

Und tausend Mark in Gold von ihm verlangt,

Und daß ich Frau und Haus vor ihm verleugnet: –

Du Trunkenbold, was dacht'st du dir dabei? –

DROMIO VON EPHESUS.

Sagt, Herr, was Euch gefällt; ich weiß doch, was ich weiß;

Von Eurer Marktbegrüßung trag' ich noch den Beweis:

Wär' Pergament mein Rücken, und Tinte jeder Schlag,

So hätt' ich Eure Handschrift, so gut man's wünschen mag.

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Hör', Kerl, du bist ein Esel!

DROMIO VON EPHESUS.

Ich habe nichts dagegen;

Vollauf hatt' ich zu tragen, an Schimpf so wie an Schlägen.

Hätt' ich nur mit den Hufen Euch tüchtig eins versetzt,

So hätt' Euch wohl der Esel mehr in Respekt gesetzt.

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Seid nicht so ernst, Herr Balthasar!

Ich wünsche nur, das Essen

Möge mit meinem Willkomm und Freundesgruß sich messen![22]

BALTHASAR.

Oh, über Eure Freundlichkeit kann ich das Mahl vergessen.

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

O nein, die Freundschaft reicht nicht aus, die schafft nicht Fleisch noch Fisch;

Ein ganzes Haus voll Willkomm füllt nicht den kleinsten Tisch.

BALTHASAR.

Gut Essen ist gemein, Herr, das kauft man aller Orten!

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Und Willkomm viel gemeiner; denn der besteht aus Worten.

BALTHASAR.

Hauskost und rechter Willkomm, so, dünkt mich, ist's am besten.

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

So gönn' ich's geiz'gen Wirten und magenschwachen Gästen.

Doch gibt's Gerichte wenige, nehmt heut vorlieb im stillen: –

Ihr trefft wohl beßre Küche, doch nimmer bessern Willen. –

Wie nun, das Tor verriegelt? Geh, rufe, wir sind da!

DROMIO VON EPHESUS.

Brigitte, Lucie, Rosine, Cäcilie, Barbara!

DROMIO VON SYRAKUS drinnen.

Tropf, Esel, Rindvieh, Karrngaul, was treibst du für Gespuke?

Gleich pack' dich von der Tür, setz' dich auf die Kellerluke!

Was für 'nen Schwarm von Dirnen rufst du zusammen hier,

Da eine schon zu viel ist? Fort, pack' dich von der Tür! –

DROMIO VON EPHESUS.

Welcher Lümmel ist hier Pförtner? Gleich wird der Herr dich schelten!

DROMIO VON SYRAKUS.

Geh' er hin, wo er herkam, sonst möcht' er sich erkälten!

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Wer spricht denn so da drinnen? Heda! Mach' auf die Tür!

DROMIO VON SYRAKUS.

Recht, Herr! Ich sag' Euch wann, wenn Ihr mir sagt, wofür! –

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Wofür? Nun, um zu essen; ich will in den Speisesaal!

DROMIO VON SYRAKUS.

Der bleibt Euch heut verschlossen; versucht's ein andermal!

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Wer bist du, frecher Schlingel, der mir mein Haus verbietet?[23]

DROMIO VON SYRAKUS.

Euch aufzuwarten: Dromio, der heut die Pforte hütet.

DROMIO VON EPHESUS.

Was Kerl, an meinen Namen und an mein Amt dich wagen,

Die mir noch nie Kredit, nur Prügel stets getragen?

Ach, hätt'st du doch die Maske heut morgen schon geborgt,

Du hätt'st dich mit 'nem Namen und 'nem Eselskopf versorgt!

LUCIE drinnen.

Was für ein Lärmen, Dromio? Sag, wer da draußen steht?

DROMIO VON EPHESUS.

Lucie, laß ein den Herrn!

LUCIE.

Ei was, er kommt zu spät,

Das sag du deinem Herrn nur!

DROMIO VON EPHESUS.

Was muß uns hier begegnen!

Es heißt ja doch im Sprichwort: »Woll' unsern Eingang segnen!« –

LUCIE.

Kennst du wohl auch das andre: »Zu Pfingsten auf dem Eise?«

DROMIO VON SYRAKUS.

Heißest du Lucie? Lucie, so war die Antwort weise.

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Nun, machst du Anstalt, Schätzchen? Du läßt uns, hoff' ich, ein?

LUCIE.

Ich wollt' Euch eben fragen.

DROMIO VON SYRAKUS.

Und Eu'r Bescheid war: Nein!

DROMIO VON EPHESUS.

Nur zu, wir helfen Euch pochen; so recht, schlag immer drein! –

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Du Weibsstück, laß mich hinein doch!

LUCIE.

Ja, wenn ich wüßte, warum?

DROMIO VON EPHESUS.

Klopft tüchtig an die Pforte! –

LUCIE.

Ei, klopft sie schief und krumm!

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Schlag' ich erst die Türe ein, so sollst du heulen, Drache!

LUCIE.

Viel kürzer, daß Ihr krumm liegt heut abend auf der Wache!

ADRIANA drinnen.

Wer lärmt denn so da draußen? ich denke, die Welt geht unter! –

DROMIO VON SYRAKUS.

Die Straßenbuben, Ihr Gnaden, sind heut besonders munter.

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Wie, Weib, bist du da drinnen? Was kamst du nicht schon lange?[24]

ADRIANA.

Dein Weib, verwünschter Schurke? Lauf, daß man dich nicht fange!

DROMIO VON EPHESUS.

Kommt Ihr mit Not hinein, wird's um den Schurken ihr bange.

ANGELO.

Hier gibt's nicht Mahl noch Willkomm; wir rechneten doch auf eins!

BALTHASAR.

Wir stritten, was das beste sei, und nun bekommen wir keins!

DROMIO VON EPHESUS.

Find't Ihr Gefallen an solchem Spaß? Wenn Ihr mich fragt, ich vernein's.

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Hier weht der Wind zu scharf, wir müssen wo anders essen.

DROMIO VON EPHESUS.

So sprächt Ihr, Herr, mit Recht, hättet Ihr den Mantel vergessen.

Wir stehn hier draußen und frieren, und drinnen dampft der Braten;

Das nenn' ich seinen eignen Herrn verkaufen und verraten!

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Geh' einer und hol' ein Werkzeug zum Brechen mir herbei!

DROMIO VON SYRAKUS.

Ja, brecht nur, was Ihr könnt, ich brech' Euch den Hals entzwei! –

DROMIO VON EPHESUS.

Das brecht Ihr wohl vom Zaun! Mag's biegen oder brechen,

Ich brech' 'ne Lanze mit Euch: das will ich Euch versprechen.

DROMIO VON SYRAKUS.

Ihr liebt das Brechen, merk' ich! Bleibt nur da draus, ihr Frechen! –

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Ich käme lieber hinein, das Draußen hab' ich satt.

DROMIO VON SYRAKUS.

Wenn erst der Bock keinen Bart, der Baum keine Blätter hat! –

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Wir müssen die Türe sprengen; ist hier kein Baum zur Hand?

DROMIO VON EPHESUS.

Oho! nun sollst du dich wundern! Der Baum ohne Blatt sich fand;

Der wird uns tapfer beistehn, trotz allen deinen Possen;

Und was den Bock betrifft, den hast du selbst geschossen.[25]

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Geh, mach' dich auf, schaff' mir 'nen Hebebaum!

BALTHASAR.

O nicht doch, Herr: gebt der Geduld noch Raum!

Ihr strittet gegen Euern guten Ruf

Und zöget selbst in des Verdachts Bereich

Die unbescholtne Ehre Eurer Frau. –

Bedenkt nur: ihre lang' erprobte Tugend,

Ihr klug Benehmen, reife Sittsamkeit

Verbürgt, hier sei ein Grund, den Ihr nicht kennt;

Und zweifelt nicht, rechtfert'gen wird sie sich,

Warum die Tür Euch heut verschlossen blieb.

Folgt meinem Rate: räumen wir das Feld,

Und laßt im Tiger uns zu Mittag essen;

Und gegen Abend geht allein nach Haus,

Den Grund so seltner Weig'rung zu erfahren.

Wenn Ihr Euch anschickt, jetzt Gewalt zu brauchen,

Am hellen Tag, wo alles kommt und geht,

So wird der Handel gleich zum Stadtgespräch;

Des Volksgemeine Lästerung ersinnt

(Nicht achtend Euer nie verletztes Ansehn),

Was allzu leicht sich schnöden Eingang schafft

Und selbst auf Eurem Grabe noch verweilt;

Denn die Verleumdung, wie ein Erbvermächtnis,

Bleibt stets dem Haus und schändet sein Gedächtnis.

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Ich geb' Euch nach; ich will mich ruhig halten,

Und – geht's auch nicht von Herzen – lustig sein.

Ich kenn' ein Mädchen, witzig im Gespräch,

Hübsch und gescheit, wild und gefällig doch;

Dort woll'n wir speisen. – Dieses Mädchens halb

Hat meine Frau – doch wahrlich ohne Grund –

Schon manchmal eifersüchtig mich geschmält;

Bei dieser laßt uns speisen.


Zu Angelo.


Geht nach Haus,

Und holt die Kette; fertig wird sie sein;

Die bringt mir dann ins Stachelschwein, ich bitt' Euch. –

So heißt das Haus; die goldne Kette schenk' ich,

Und wär's auch nur, um meine Frau zu ärgern,

An unsre Wirtin. Eilt Euch, lieber Herr;[26]

Da mir die eigne Pforte widerstehn will,

So klopf' ich an, wo man uns nicht verschmähn will.

ANGELO.

Ein Stündchen noch vergönnt, und ich bin Euer.

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Habt Dank! – Doch kommt der Spaß mir etwas teuer! –


Sie gehn ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 1, Berlin: Aufbau, 1975, S. 22-27.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die Komödie der Irrungen
Komödie der Irrungen
The Comedy of Errors / Die Komödie der Irrungen [Zweisprachig]
The Comedy of Errors / Die Komödie der Irrungen: Englisch-deutsche Studienausgabe (Engl. / Dt.) Englischer Originaltext und deutsche Prosaübersetzung
Die Komödie der Irrungen
Komödie der Irrungen / The Comedy of Errors (Gesamtausgabe, Band 1)

Buchempfehlung

Hoffmann, E. T. A.

Die Elixiere des Teufels

Die Elixiere des Teufels

Dem Mönch Medardus ist ein Elixier des Teufels als Reliquie anvertraut worden. Als er davon trinkt wird aus dem löblichen Mönch ein leidenschaftlicher Abenteurer, der in verzehrendem Begehren sein Gelübde bricht und schließlich einem wahnsinnigen Mönch begegnet, in dem er seinen Doppelgänger erkennt. E.T.A. Hoffmann hat seinen ersten Roman konzeptionell an den Schauerroman »The Monk« von Matthew Lewis angelehnt, erhebt sich aber mit seiner schwarzen Romantik deutlich über die Niederungen reiner Unterhaltungsliteratur.

248 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon