[37] Zimmer.
Adriana und Luciana, treten auf.
ADRIANA.
So stürmisch, Schwester, drang er auf dich ein?
War dir sein Aug' ein feierlicher Deuter?
Warb er in vollem Ernst? Ja oder nein?
Rot oder blaß? trübsinnig oder heiter?
Sind dir im Kampf der Leidenschaft erschienen
Des Herzens Meteor' auf seinen Mienen?
LUCIANA.
Er sprach zuerst, dir bind' ihn keine Pflicht.
ADRIANA.
Weil er sie nie erfüllt; o Bösewicht!
LUCIANA.
Er schwur: hier sei er Fremdling ganz und gar.
ADRIANA.
Da schwur er recht, obgleich es Meineid war.
LUCIANA.
Für dich dann sprach ich ...
ADRIANA.
Und was sagt' er dir?
LUCIANA.
Was ich ihn bat für dich, fleht' er von mir.
ADRIANA.
Mit was für Künsten wollt' er dich verführen?
LUCIANA.
War's treu gemeint, so konnt' er fast mich rühren:
Die Schönheit rühmt' er, dann der Rede Huld.
ADRIANA.
Sprachst du so huldreich?
LUCIANA.
Bitte dich, Geduld!
ADRIANA.
Die hab' ich nicht! Ich will den Zorn nicht stillen;
Der Zunge mind'stens lass' ich ihren Willen.
Er ist unförmlich, widrig, krumm und alt,
Wüst von Gesicht, von Körper mißgestalt';
Verderbt, unfreundlich, fern von aller Güte,
Ruchlos im Tun, und mehr noch im Gemüte.
LUCIANA.
Kann Eifersucht um solchen Mann uns plagen?
Wenn er entfloh, ich würd' es nicht beklagen.
ADRIANA.
Ach, Liebste! dennoch dünkt er mir der beste;
Säh'n ihn die andern nur mit scheelem Blick!
Der Kiebitz schreit nur, wenn er fern vom Neste:
Schmäht gleich mein Mund, mein Herz erfleht ihm Glück,
Dromio von Syrakus kommt.
DROMIO VON SYRAKUS.
Heda! das Pult! den Beutel! Sucht, geschwinde![37]
LUCIANA.
So atemlos?
DROMIO VON SYRAKUS.
Ich lief ja gleich dem Winde.
ADRIANA.
Wo ist dein Herr? Sprich, er ist doch gesund?
DROMIO VON SYRAKUS.
O nein! er steckt im tiefsten Höllenschlund.
Ihn packt ein Gnom, des Wams nicht zu verwüsten,
Des hartes Herz in Eisen eingeknöpft;
Ein Elf, ein Kobold, ohne Trost und Rührung;
Ein Wolf, ein Kerl in lederner Montierung;
Ein Spion, ein Schulterklopfer; ein Feind, der an den Mauern,
In Gäßchen, Winkeln, Schluchten und Buchten pflegt zu lauern;
Ein Spürhund, der die Quere läuft und kommt doch von der Stelle,
Und vor dem Jüngsten Tage die Seelen führt zur Hölle.
ADRIANA.
Nun, Mensch, was gibt's?
DROMIO VON SYRAKUS.
Was es gegeben, weiß ich nicht; genug, er ist in Haft.
ADRIANA.
In Haft? Wer hat ihm das nur angetan?
DROMIO VON SYRAKUS.
Ich weiß nicht, wer's ihm angetan, daß er jetzt sitzt im Block,
Doch weiß ich, war der angetan in einem Büffelrock.
Wollt Ihr als Lösung senden den Beutel dort im Pult?
ADRIANA.
Geh, hol' ihn, Schwester!
Luciana geht.
Seltsam, in der Tat,
Daß er vor mir verborgne Schulden hat!
Sprich, war's vielleicht wohl einer Bürgschaft Band?
DROMIO VON SYRAKUS.
Es war kein Band, es hielt ihn wohl noch stärker;
'ne goldne Kette bracht' ihn in den Kerker. –
– Hört Ihr sie klingen?
ADRIANA.
Was? die goldne Kette?
DROMIO VON SYRAKUS.
Nicht doch! Die Glocke mein' ich! Wie könnt Ihr nur mich plagen?
Zwei war es, da ich ging: nun hat's schon eins geschlagen.[38]
ADRIANA.
Gehn jetzt die Stunden rückwärts? Ei, hört mir doch den Gecken!
DROMIO VON SYRAKUS.
Ja, wenn die Stunde Häscher sieht, so kehrt sie um vor Schrecken.
ADRIANA.
Als ob die Zeit verschuldet wär'! Wie das nun ganz verkehrt ist!
DROMIO VON SYRAKUS.
Zeit ist bankrott und schuldet mehr dem Zufall, als sie wert ist.
Dann ist die Zeit ein Dieb auch; habt auf den Spruch nur acht:
Die Zeit stiehlt sich von dannen, bei Tage wie bei Nacht;
Wenn sie nun stiehlt und Schulden hat, und ein Häscher sie fangen mag,
Hat sie nicht recht, zurück zu gehn eine Stunde jeden Tag?
Luciana kommt zurück.
ADRIANA.
Hier, Dromio, ist das Gold; gleich trag' es hin,
Und kehrt zurück, sobald ihr könnt, ihr beiden!
Tausend Gedanken kreuzen mir den Sinn,
Gedanken, bald zum Trost mir, bald zum Leiden.
Sie gehn ab.
Ausgewählte Ausgaben von
Die Komödie der Irrungen
|
Buchempfehlung
Ohnerachtet Schande und Laster an ihnen selber verächtlich / findet man doch sehr viel Menschen von so gar ungebundener Unarth / daß sie denenselben offenbar obliegen / und sich deren als einer sonderbahre Tugend rühmen: Wer seinem Nächsten durch List etwas abzwacken kan / den preisen sie / als einen listig-klugen Menschen / und dahero ist der unverschämte Diebstahl / überlistige und lose Räncke / ja gar Meuchelmord und andere grobe Laster im solchem Uberfluß eingerissen / daß man nicht Gefängnüsse genug vor solche Leute haben mag.
310 Seiten, 17.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro