Erste Szene

[237] Im Park.


Es treten auf die Prinzessin von Frankreich, Rosaline, Maria, Katharine, Boyet, Lords und Gefolge.


BOYET.

Nun, Fürstin, regt die feinsten Geister auf;

Denkt, wen der König, Euer Vater, sendet;

Zu wem er sendet; was sein Auftrag sei:

Ihr, kostbar in den Augen aller Welt,

Sollt unterhandeln mit dem einz'gen Erben

Jeglichen Vorzugs, des ein Mann sich rühmt,

Navarras Stolz: und das Gesuch nichts minder

Als Aquitanien, einer Kön'gin Mitgift. –

Verschwende nun so allen Zauberreiz,

Wie einst Natur den Reiz verschwendete,

Als sie der ganzen Welt ihn vorenthielt,

Um überreich nur dich damit zu schmücken.

PRINZESSIN.

Wie arm, Lord Boyet, meine Schönheit sei,

Braucht sie doch nicht der Schminke Eures Lobes.

Schönheit wird nur vom Kennerblick gekauft,

Nicht angebracht durch des Verkäufers Prahlen.

Ich höre minder stolz mein Lob Euch künden,

Als Ihr Euch vordrängt, weise zu erscheinen

Und Euern Witz, mich rühmend, auszuspenden.

Doch nun dem Mahner zur Ermahnung: Ihr,

Freund Boyet, wißt, wie der geschwätz'ge Ruf

Verbreitet, daß Navarra sich verpflichtet,

Eh' mühvoll Studium nicht drei Jahr verzehrt,

Soll keine Frau dem stillen Hofe nahn.

Deshalb scheint uns notwend'ge Vorbereitung,[237]

Eh' wir betreten sein verbotnes Tor,

Zu hören seinen Willen; und deshalb

Erlasen wir, wohlkundig Eures Werts,

Euch als beredten Anwalt unsrer Bitte.

Sagt ihm, die königliche Tochter Frankreichs,

In ernstem, Eile foderndem Geschäft,

Müss' ein Gespräch mit Seiner Hoheit heischen.

Eilt ihm dies mitzuteilen; wir erwarten,

Klienten gleich, in Demut seinen Ausspruch.

BOYET.

Stolz Eures Auftrags geh' ich willig, Teure!


Er geht ab.


PRINZESSIN.

Nur will'ger Stolz ist Stolz, und so der Eure!

Wer sind, ihr lieben Herrn, die Schwurgenossen,

Die mit dem frommen Herzog dies gelobt? –

LORD.

Der ein' ist Longaville.

PRINZESSIN.

Kennt Ihr den Mann?

MARIA.

Ich kenn' ihn wohl. Auf einem Hochzeitfest,

Wo dem Lord Perigord die schöne Erbin

Des Jakob Faulconbridge ward anvermählt,

In Normandie, sah ich den Longaville.

Man rühmt ihn einen Mann von edlen Gaben,

Geschickt in Kunst, in Waffen hoch gepriesen;

Nichts steht ihm schlecht, was er mit Ernst versucht.

Der einz'ge Fleck in seiner Tugend Glanz

(Kann je ein Fleck den Glanz der Tugend trüben)

Ist kecker Witz mit allzudreistem Willen;

Er schneidet scharf und will mit Willen keinen

Verschonen, der in seine Macht geriet.

PRINZESSIN.

Ein lust'ger Spötter also: nicht, mein Kind?

MARIA.

Wer meist ihn kennt, hält meist ihn so gesinnt.

PRINZESSIN.

Witz, schnell geboren, wächst und welkt geschwind.

Wer sind die andern? –

KATHARINE.

Dumain, ein wohlerzogner junger Mann:

Wer Tugend liebt, muß ihn um Tugend lieben;

Zu schaden kräftig, doch dem Bösen fremd:

Denn er hat Witz, selbst Unform zu verschönen,

Und Schönheit, die auch ohne Witz bestäche.

Ich sah ihn einst beim Herzog Alençon,[238]

Und zu gering, dem, was ich sah, verglichen,

Ist diese Schild'rung seines hohen Werts.

ROSALINE.

Noch einer dieser Akademiker

War dort mit ihm, sofern ich recht vernahm:

Biron genannt; mit einem lust'gern Mann

(Doch in den Grenzen wohlanständ'gen Scherzes)

Hab' ich noch nie ein Stündchen weggeschwatzt.

Sein Aug' erzeugt Gelegenheit für Witz;

Denn jeglich Ding, das jenes nur erfaßt,

Verwandelt dieser gleich in heitern Scherz,

Den die gewandte Zunge, seines Scharfsinns

Auslegerin, so fein und artig formt,

Daß selbst das Alter seinem Schwatzen horcht

Und Jugend ganz von ihm bezaubert wird:

So hold und leicht beschwingt ist sein Gespräch.

PRINZESSIN.

Gott helf' Euch! Seid ihr alle denn verliebt?

Daß jede so den Ihren hat geschmückt

Mit solchem Farbenaufwand prächt'gen Lobes? –

Boyet kommt zurück.


MARIA.

Hier kommt Boyet.

PRINZESSIN.

Nun sagt, was für Empfang? –

BOYET.

Navarra weiß von Eurer Hoheit Nähe,

Und er, samt den Genossen seines Eides,

Sie waren all' Euch zu empfahn bereit,

Bevor ich kam. So viel hab' ich gehört:

Er meint, Ihr solltet eh im Felde wohnen,

Als kämt Ihr zu belagern seinen Hof,

Eh' er Entbindung sucht von seinem Eid

Und Euch herbergt in seinem öden Hause.

Hier kommt Navarra.


Der König, Longaville, Biron und Dumain treten auf.


KÖNIG. Willkomm'n am Hof Navarras, schöne Fürstin!

PRINZESSIN. Schön geb' ich Euch zurück, und Willkommen hab' ich noch nicht. Das Gewölbe dieses Hofs ist zu hoch, um das Eure zu sein, und ein Willkommen auf offnem Felde zu niedrig, um mir zu geziemen.[239]

KÖNIG. Ihr sollt willkommen sein an meinem Hof!

PRINZESSIN. Ich will's denn sein: geleitet mich dahin!

KÖNIG.

Hört mich nur an: bei Gott hab' ich geschworen, –

PRINZESSIN.

So helf' Euch Gott, denn Ihr habt falsch geschworen.

KÖNIG.

Nicht um die Welt mit meinem Willen, Fürstin!

PRINZESSIN.

Nun, Wille bricht ihn, Will', und anders nichts.

KÖNIG.

Eu'r Hoheit ist unwissend seines Inhalts.

PRINZESSIN.

Und wär't Ihr so, wär't Ihr unwissend weise,

Da Kenntnis jetzt Unwissenheit verrät.

Ich hör', mein Fürst verschwur es, Haus zu halten;

Todsünde ist's, den Eid zu halten, Fürst,

Und Sünde, ihn zu brechen.

Allein verzeiht! – Zu bald erschein' ich kühn:

Den Lehrer lehren wollen, ziemt mir schlecht.

Geruht zu lesen, weshalb ich gekommen,

Und schnelle Antwort gebt auf mein Gesuch!

KÖNIG.

Das will ich, wenn es kann so schnell geschehn.

PRINZESSIN.

Ihr tut's so schneller, daß ich nur mag gehn;

Mein Bleiben kann nicht mit dem Eid bestehn.

BIRON.

Tanzt' ich mit Euch nicht in Brabant einmal?

ROSALINE.

Tanzt' ich mit Euch nicht in Brabant einmal?

BIRON.

Ja, ganz gewiß.

ROSALINE.

Wie überflüssig dann

Die Frag' an mich! –

BIRON.

O seid doch nicht so rasch! –

ROSALINE.

Ihr habt mit solchem Fragen mich gespornt!

BIRON.

Eu'r Witz rennt allzuscharf, Ihr jagt ihn stumpf.

ROSALINE.

Nicht bis er ließ den Reiter in dem Sumpf.

BIRON.

Was hat die Uhr geschlagen?

ROSALINE.

Die Stunde, wo Narren fragen.

BIRON.

Beglückt solch Maskentragen! –

ROSALINE. Glück den Gesichtern drunter!

BIRON.

Gott send' Euch Freier munter! –

ROSALINE.

Amen, und beßre als Euch!

BIRON.

Dann geh' ich lieber gleich.

KÖNIG.

Prinzessin, Euer Vater nennt uns hier

Die Zahlung von einhunderttausend Kronen,[240]

Was nur die Hälfte jener ganzen Summe,

So ihm mein Vater vorschoß für den Krieg.

Doch setzt, er oder ich – was nie geschah –

Empfing dies Geld, so bleibt doch unbezahlt

Einhunderttausend noch, wofür als Pfand

Ein Teil von Aquitanien mir haftet,

Obschon es nicht der Summe Wert beträgt.

Will denn Eu'r Vater uns zurückerstatten

Nur jene Hälfte, die uns noch gebührt,

So lassen wir ihm Aquitanien gern

Und bleiben Freund mit Seiner Majestät.

Doch dazu, scheint es, hat er wenig Lust;

Denn hier verlangt er wiederum die Zahlung

Der hunderttausend Kronen, und entsagt,

Nach Zahlung jener hunderttausend Kronen,

All seinem Recht auf Aquitaniens Herrschaft,

Das ich weit lieber aus den Händen gäbe,

Und nähme, was mein Vater vorgestreckt,

Als Aquitanien, so erschöpft es ist.

Wär' seine Fod'rung nicht so fern, o Fürstin,

Von billiger Willfahrung, – Eurer Schönheit

Willfahrte mehr, als billig, wohl mein Herz,

Daß Ihr vergnügt nach Frankreich wiederkehrtet.

PRINZESSIN.

Ihr tut dem König, meinem Vater, Unrecht,

Und Unrecht Eures Namens würd'gem Ruf,

Wenn Ihr beharrt, zu leugnen den Empfang

Von dem, was doch so treulich ward gezahlt.

KÖNIG.

Ich schwöre, daß ich nie davon gehört;

Beweist Ihr mir's, so zahl' ich Euch: wo nicht,

Ist Aquitanien Eu'r.

PRINZESSIN.

Es bleibt beim Wort.

Boyet, Ihr könnt die Quittungen ihm zeigen

Für jene Summe, von den Staatsbeamten

Karls, seines Vaters.

KÖNIG.

Stellt mich so zufrieden!

BOYET.

Erlaub' Eu'r Hoheit, das Paket blieb aus,

Das dies und andre Dokument' enthält:

Auf morgen wird Euch alles vorgelegt.[241]

KÖNIG.

Der Augenschein, o Fürstin, soll genügen;

Ich will mich allen bill'gen Gründen fügen.

Indes empfange solcherlei Willkommen,

Wie Ehre, sonder Bruch der Ehr', ihn darf

Anbieten deiner edlen Würdigkeit.

Ich kann, o Schönste, nicht mein Tor dir öffnen;

Doch draußen sollst du so empfangen werden,

Daß du im Herzen mir zu wohnen denkst,

Obschon ich dir des Hauses Gastrecht weigre.

Dein edler Sinn entschuld'ge mich, leb wohl!

Wir werden morgen wieder dich besuchen.

PRINZESSIN.

Wohlsein und Heil begleit' Eu'r Majestät! –

KÖNIG.

Dir wünsch' ich, was dein eigner Wunsch erfleht.


Der König geht ab.


BIRON.

Euch, Dam', empfehl' ich meinem eignen Herzen.

ROSALINE.

Ich bitt' Euch, Herr, bestellt ihm mein Empfehlen.

Ich säh' es gern einmal.

BIRON.

Ich wollt', Ihr hörtet's ächzen.

ROSALINE.

Ist's Närrchen krank?

BIRON.

Von Herzen krank.

ROSALINE.

Ei, so laßt ihm Blut!

BIRON.

Wäre das ihm gut?

ROSALINE.

Meine Heilkunst sagt, es tauge.

BIRON.

So stich's mit deinem Auge!

ROSALINE.

Non point! Mit dem Messer.

BIRON.

Gott mache dich besser! –

ROSALINE.

Dich mach' er vernünftig!

BIRON.

Den Dank sag' ich künftig.

DUMAIN.

Mein Herr, ein einz'ges Wort: Sagt an, wer ist die Dame? –

BOYET.

Die Erbin Alençons und Rosalin' ihr Name.

DUMAIN.

Sehr reizend ist sie. Nun, mein Herr, lebt wohl!


Er geht ab.


LONGAVILLE.

Laßt mich um ein Wort Euch bitten: Wer ist in Weiß die da?

BOYET.

Manchmal ein Frauenzimmer, wenn man bei Licht sie sah.[242]

LONGAVILLE.

Vielleicht bei Lichte leicht; nur ihren Namen will ich.

BOYET.

Sie hat nur einen für sich: den wollen, wär' nicht billig.

LONGAVILLE.

Ich bitte, wessen Tochter?

BOYET.

Ihrer Mutter, wie man sagt.

LONGAVILLE.

Was so ein Bart nicht wagt! –

BOYET.

Lieber Herr, nur nicht so wild:

Erbin des Faulconbridge.

LONGAVILLE.

Nun ist mein Zorn gestillt.

Sie zeigt sehr schönen Anstand.

BOYET.

Wie's auch schon mancher Mann fand.


Longaville geht ab.


BIRON.

Wie heißt in der Mütze die?

BOYET.

Katharine, Gott schütze sie!

BIRON.

Ist sie vermählt oder nicht?

BOYET.

Wie just die Laune sie sticht.

BIRON.

Willkommen, mein Herr, lebt wohl zugleich! –

BOYET.

Lebt wohl, für mich; willkommen für Euch!


Biron geht ab.


MARIA.

Der letzte ist Biron, der tolle, lust'ge Lord.

Kein Wort, das nicht ein Scherz ist.

BOYET.

Und jeder Scherz nur ein Wort.

PRINZESSIN.

Drum war es gut getan, als Ihr ihn faßtet beim Wort.

BOYET.

Ich war so rasch zu entern, als er zu nahn dem Bord.

MARIA.

Zwei tapfre Schafe, wahrlich!

BOYET.

Nein, Schiffe, meine Beste;

Nur Schafe, Lamm, sind wir auf deinen Lippen Gäste.

MARIA.

Ihr Schaf' und ich die Weide; endigt der Spaß nun hier? –

BOYET.

Wenn Ihr mir zu weiden erlaubt.

MARIA.

Nicht so, mein zartes Tier:

Meine Lippen sind kein Gemeinfeld, wenn gleich offen Revier.

BOYET.

Und wem denn zugehörig?

MARIA.

Nun, meinem Glück und mir.

PRINZESSIN.

Die Witz'gen lieben Zank; doch sei der Streit geendet,[243]

Der Bürgerkrieg des Witzes ist besser angewendet

Auf Navarras Bücherhelden; hier wär' er nur verschwendet.

BOYET.

Wenn meine Seherkunst, und diese irrt wohl nicht,

Des Herzens stumme Rhetorik, die aus den Augen spricht,

Mir richtig deutete, versank Navarras Mut ...

PRINZESSIN.

In was?

BOYET.

Ei nun, wir Kenner betiteln's Liebesglut.

PRINZESSIN.

Eu'r Grund?

BOYET.

Zum Hofhalt seines Auges entflohn Gebärd' und Sinnen,

Und schauten durchs Verlangen aus dem Verstecke drinnen.

Sein Herz glich einem Agat, auf den Eu'r Bild gedrückt;

Stolz glüht' in seinem Auge, er trug Eu'r Siegel entzückt.

Die Zunge, ganz erzürnt, zu reden, statt zu sehn,

Sie stolpert' übereilt und möcht' im Auge stehn.

Zum Sinn des Auges drängte der andern Sinne Gewühl,

Die Schönste der Schönen zu sehn, das war ihr einzig Gefühl;

Sein Auge, wie ein Schrein, dünkt mich, umschloß sie alle,

Wie man dem Fürsten beut Juwelen im Kristalle;

Der, nicht durchs Glas bestochen, der Steine Wert erspäht,

Und sie zu kaufen winkt, wie er vorübergeht.

Auf seiner Stirne Rand las ich in klaren Lettern

Der Glosse Schrift: er schien Euch schauend zu vergöttern.

Ich bürg' Euch Aquitanien und seines Reichs Genuß,

Gebt Ihr um meinetwillen ihm einen lieblichen Kuß.

PRINZESSIN.

Kommt, gehn wir in unser Zelt: Boyet ist aufgeweckt, –

BOYET.

Nur das in Worte zu fassen, was längst sein Aug' entdeckt.

Ich wußte seinem Auge den Mund hinzuzufügen,

Und lieh der Zunge Worte, die, glaubt mir fest, nicht lügen.

PRINZESSIN.

Dich alten Liebeshändler wird keiner leicht betrügen!

MARIA.

Er ist Amors Großvater, der muß ihm alles entdecken.

ROSALINE.

Dann gleicht Venus der Mutter; ihr Vater ist zum Erschrecken.

BOYET.

Hört ihr, ihr tollen Dirnen?[244]

MARIA.

Nein.

BOYET.

Könnt ihr auch nicht sehn?

ROSALINE.

O ja, den Weg nach Hause.

BOYET.

Ihr mögt in Frieden gehn! –


Alle ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 1, Berlin: Aufbau, 1975, S. 237-245.
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