[71] Troja. Eine Straße.
Es treten auf Äneas und ein Diener mit einer Fackel, von der einen Seite; von der andern Paris, Antenor, Deiphobus und Diomedes nebst Gefolge und Fackeln.
PARIS.
Heda, wer kommt hier?
DEIPHOBUS.
Fürst Äneas, Herr.
ÄNEAS.
Wie, Paris, seid Ihr's wirklich?
Hätt' ich so schönen Anlaß, lang' zu schlafen,
Als Ihr, mein Prinz, – nur heil'ge Pflichten hielten
Von meiner Bettgenossin mich entfernt.
DIOMEDES.
So denk' ich auch. Guten Morgen, Fürst Äneas!
PARIS.
Ein tapfrer Griech', Äneas; reicht die Hand ihm;
Erinnert Euch, wie oft Ihr uns erzählt,
Daß Diomed Euch eine ganze Woche
Täglich im Kampf gesucht.
ÄNEAS.
Ich biet' Euch Gruß,
Solang' der Stillstand währt und Waffenruh';
Doch treff' ich Euch im Feld, so finstern Trotz,
Wie nur das Herz ihn denkt, ausführt der Mut! –
DIOMEDES.
Freundschaft wie Kampf erwidert Diomed;
Nun wallt das Blut uns kühl, drum Gruß und Heil!
Doch trifft Gelegenheit und Schlacht zusammen,
Beim Zeus, dann mach' ich auf dein Leben Jagd
Mit aller Kraft, Verschlagenheit und List.
ÄNEAS.
Und jagen sollst du einen Leu'n, der flieht
Mit rückgewandtem Haupt. Jetzt sei gegrüßt
In Freundlichkeit: ja, bei Anchises' Leben,
Herzlich willkommen! Bei Venus' Hand beteur' ich,[71]
Kein Mann auf Erden kann in solcher Weise
Den Feind mehr lieben, den er wünscht zu töten! –
DIOMEDES.
Wir fühlen gleich. Zeus, laß Äneas leben,
Wenn meinem Schwert sein Tod nicht Ruhm erkauft,
Bis tausend Sonnenläufe sich erfüllen –
Doch mir zu Preis und Ehre laß ihn sterben,
Verwundet jedes Glied, und morgen schon! –
ÄNEAS.
Wir kennen uns einander gut.
DIOMEDES.
Und wünschen auch im Bösen uns zu kennen.
PARIS.
Das ist so schmähend trotz'ger Feindesgruß,
So edler Liebeshaß, als je geboten. –
Warum so früh geschäftig, edler Fürst?
ÄNEAS.
Der König
Hat mich verlangt, doch weiß ich nicht, warum.
PARIS.
Ich kann's Euch melden. Diesen Griechen führt
In Kalchas' Haus: dort für Antenors Freiheit
Sollt Ihr die schöne Cressida erstatten.
Laßt uns zusammen gehn; sonst, wenn Ihr wollt,
Eilt jetzt vor uns zu ihm. Ich glaube sicher –
Vielmehr, mein Glaub' ist ein bestimmtes Wissen –
Dort weilt mein Bruder Troilus zu Nacht.
Weckt ihn und meldet ihm, daß wir uns nahn,
Und Kunde gebt, weshalb; ich fürchte sehr,
Wir sind ihm nicht willkommen.
ÄNEAS.
Sicher nicht! –
Eh' wünscht erTroja hin nach Griechenland,
Als Cressida aus Troja.
PARIS.
Wer kann's ändern!
Der Zeit gebiet'rische Notwendigkeit
Verlangt es so: geht, Fürst, wir folgen Euch.
ÄNEAS.
Guten Morgen allerseits!
Er geht ab.
PARIS.
Nun sagt mir, edler Diomed, sagt frei,
Im echten Geist aufricht'ger Brüderschaft –
Wer würd'ger sei der schönen Helena,
Ich oder Menelaus?
DIOMEDES.
Beide gleich! –
Wert ist er, sie zu haben, der sie sucht,
Für gar nichts achtend ihrer Ehre Fleck,[72]
Mit solcher Welt von Qual und Höllenpein; –
Du wert, sie zu behalten, der sie schützt
(Mit stumpfem Gaum nicht ihre Schande schmeckend),
Mit solchem teuern Preis von Gut und Blut.
Er, ein schwachmüt'ger Hahnrei, tränke willig
Die Neig' und Hefe abgestandnen Weins;
Dich Lüderlichen freut's, aus Hurenleib
Dir deine künft'gen Erben zu erzeugen:
Drum wiegt ihr gleich, wie man die Pfunde setze,
Hat einer mehr Gewicht, ist's um 'ne Metze.
PARIS.
Zu herbe seid Ihr Eurer Landsmännin.
DIOMEDES.
Herb ist sie ihrem Lande. Hört mich, Paris:
Für jeden Tropfen ihres schnöden Bluts
Zahlt eines Griechen Leben; jeder Skrupel
Des pesterfüllten, buhlerischen Leibes
Erschlug 'nen Troer. Seit sie stammeln konnte,
Sprach sie der guten Worte nicht so viel,
Als griechisch Volk und troisch für sie fiel.
PARIS.
Freund Diomed, Ihr macht's wie kluge Käufer
Und schmäht das Gut, das Ihr zu markten wünscht; –
Doch wir sind Euch voraus und schweigen still;
Man rühmt nicht, was man nicht verkaufen will.
Hier geht der Weg. –
Sie gehn ab.
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