Erste Szene

[34] Das Zelt des Königs von Frankreich, Constanze, Arthur und Salisbury treten auf.


CONSTANZE.

So sich vermählt! Den Frieden so geschworen!

Falsch Blut vereint mit falschem! Freunde nun!

Soll Louis Blanca haben? Sie die Länder?

Es ist nicht so: du hast verredt', verhört;

Besinne dich, sag den Bericht noch 'mal:

Es kann nicht sein; du sagst nur, daß es ist:

Ich traue drauf, daß nicht zu traun dir steht;

Dein Wort ist eines Menschen eitler Odem.

Ja, glaube, daß ich dir nicht glaube, Mann;

Ich hab' dawider eines Königs Eid.

Man soll dich strafen, daß du mich erschreckt:

Denn ich bin krank, empfänglich für die Furcht,

Von Leid bedrängt und also voller Furcht,

Bin Witwe, gattenlos, ein Raub der Furcht,

Ein Weib, geboren von Natur zur Furcht;

Und ob du nun bekennst, du scherztest nur,

Kommt doch kein Fried' in die verstörten Geister,

Daß sie nicht bebten diesen ganzen Tag.

Was meinst du mit dem Schütteln deines Kopfes?

Was blickst du so betrübt auf meinen Sohn?

Was meint die Hand auf dieser deiner Brust?

Warum tritt diese Salzflut in dein Auge,

Gleich einem Strom, der stolz dem Bett entschwillt?

Sind diese Zeichen deines Worts Beteurer?

So sprich! Nicht ganz die vorige Erzählung,

Dies Wort nur: ob sie wahr sei oder nicht?[34]

SALISBURY.

So wahr, wie Ihr gewiß für falsch die haltet,

Die schuld sind, daß Ihr wahr mein Wort erfindet.

CONSTANZE.

Oh, lehrst du mich, zu glauben dieses Leid,

So lehr' du dieses Leid, mich umzubringen!

Laß Glauben sich und Leben so begegnen

Wie zwei verzweiflungsvoller Menschen Wut,

Wo jeder fällt und stirbt beim ersten Stoß.

Louis vermählt mit Blanca! Kind, wo bleibst du?

Frankreich mit England Freund? Was wird aus mir?

Fort, Mensch! Dein Anblick ist mir unerträglich:

Wie häßlich hat die Zeitung dich gemacht!

SALISBURY.

Was tat ich denn für Harm Euch, gute Fürstin,

Als daß ich sprach vom Harm, den andre tun?

CONSTANZE.

Der Harm ist so gehässig in sich selbst,

Daß, wer davon nur spricht, nicht harmlos bleibt.

ARTHUR.

Beruhigt Euch, ich bitte, liebe Mutter!

CONSTANZE.

Wärst du, der mich beruhigt wünscht, abscheulich.

Häßlich und schändend für der Mutter Schoß!

Voll widerwärt'ger Flecke, garst'ger Makeln,

Lahm, albern, bucklicht, mißgeboren, schwarz.

Mit ekelhaften Mälern ganz bedeckt:

Dann fragt' ich nichts danach, dann wär' ich ruhig

Dann würd' ich dich nicht lieben, und du wärst

Nicht wert der hohen Abkunft noch der Krone.

Doch du bist schön, dich schmückten, lieber Knabe,

Natur und Glück vereint bei der Geburt.

Von Gaben der Natur prangst du mit Lilien

Und jungen Rosen; doch Fortuna – oh!

Sie ist verführt, verwandelt, dir entwandt.

Sie buhlt mit deinem Oheim stündlich, hat

Mit goldner Hand Frankreich herbeigerissen,

Der Hoheit Anspruch in den Grund zu treten,

Daß seine Majestät ihr Kuppler wird.

Er ist Fortunas Kuppler und Johanns,

Der Buhlerin mit ihm, dem Kronenräuber. –

Sag mir, du Mann, ist Frankreich nicht meineidig?

Vergift' ihn mir mit Worten, oder geh,[35]

Und laß allein dies Weh, das ich allein

Zu tragen bin bestimmt.

SALISBURY.

Verzeiht mir, Fürstin.

Ich darf ohn' Euch nicht zu den Kön'gen gehn.

CONSTANZE.

Du darfst, du sollst: ich will nicht mit dir gehn.

Ich will mein Leiden lehren, stolz zu sein;

Denn Gram ist stolz, er beugt den Eigner tief.

Um mich und meines großen Grames Staat

Laßt Kön'ge sich versammeln; denn so groß

Ist er, daß nur die weite, feste Erde

Ihn stützen kann; den Thron will ich besteigen,

Ich und mein Leid; hier laßt sich Kön'ge neigen!


Sie wirft sich auf den Boden.


König Johann, König Philipp, Louis, Blanca, Eleonore, der Bastard, Österreich und Gefolge treten auf.


KÖNIG PHILIPP.

Ja, holde Tochter: diesen Segenstag

Soll man in Frankreich festlich stets begehn.

Um ihn zu feiern, wird die hehre Sonne

Verweilen und den Alchymisten spielen,

Verwandelnd mit des kostbar'n Auges Glanz

Die magre Erdenscholl' in blinkend Gold.

Der Jahres-Umlauf, der ihn wiederbringt,

Soll ihn nicht anders denn als Festtag sehn. –

CONSTANZE aufstehend.

Ein Sündentag und nicht ein Feiertag!

Was hat der Tag verdient und was getan,

Daß er mit goldnen Lettern im Kalender

Als eins der hohen Feste sollte stehn?

Nein, stoßt ihn aus der Woche lieber aus,

Den Tag der Schande, der Gewalt, des Meineids,

Und bleibt er stehn, laßt schwangre Weiber beten,

Nicht auf den Tag der Bürde frei zu werden,

Daß keine Mißgeburt die Hoffnung täusche;

Der Seemann fürcht' an keinem sonst den Schiffbruch,

Kein Handel brech', als der an ihm geschlossen;

Was dieser Tag beginnt, schlag' übel aus,

Ja, Treue selbst verkehr' in Falschheit sich![36]

KÖNIG PHILIPP.

Beim Himmel, Fürstin, Ihr habt keinen Grund,

Dem schönen Vorgang dieses Tags zu fluchen.

Setzt' ich Euch nicht die Majestät zum Pfand?

CONSTANZE.

Ihr troget mich mit einem Afterbild,

Das glich der Majestät: allein berührt, geprüft,

Zeigt es sich ohne Wert; Ihr seid meineidig,

Ihr wolltet meiner Feinde Blut vergießen,

Und nun vermischt Ihr Eures mit dem ihren.

Die Ringer-Kraft, das wilde Drohn des Krieges

Kühlt sich in Freundschaft und geschminktem Frieden,

Und unsre Unterdrückung schloß den Bund.

Straf, Himmel, straf' die eidvergess'nen Kön'ge!

Hör' eine Witwe, sei mir Gatte, Himmel!

Laß nicht die Stunden dieses sünd'gen Tags

In Frieden hingehn; eh' die Sonne sinkt,

Entzweie diese eidvergess'nen Kön'ge!

Hör' mich, o hör' mich!

ÖSTERREICH.

Frau Constanze, Friede!

CONSTANZE.

Krieg! Krieg! Kein Friede! Fried' ist mir ein Krieg.

O Östreich! o Limoges! du entehrst

Die Siegstrophäe: du Knecht, du Schalk, du Memme!

Du klein an Taten, groß an Büberei!

Du immer stark nur auf der stärkern Seite!

Fortunas Ritter, der nie ficht, als wenn

Die launenhafte Dame bei ihm steht

Und für ihn sorgt! Auch du bist eidvergessen

Und dienst der Größe. Welch ein Narr bist du,

Gespreizter Narr, zu prahlen, stampfen, schwören

Für meine Sache! Du kaltblüt'ger Sklav',

Hast du für mich wie Donner nicht geredet?

Mir Schutz geschworen? mich vertrauen heißen

Auf dein Gestirn, dein Glück und deine Kraft?

Und fällst du nun zu meinen Feinden ab?

Du in der Haut des Löwen? Weg damit,

Und häng' ein Kalbsfell um die schnöden Glieder!

ÖSTERREICH.

O daß ein Mann zu mir die Worte spräche!

BASTARD.

Und häng' ein Kalbsfell um die schnöden Glieder![37]

ÖSTERREICH.

Ja, untersteh dich das zu sagen, Schurke!

BASTARD.

Und häng' ein Kalbsfell um die schnöden Glieder!

KÖNIG JOHANN.

Wir mögen dies nicht, du vergißt dich selbst.


Pandulpho tritt auf.


KÖNIG PHILIPP.

Hier kommt der heilige Legat des Papstes.

PANDULPHO.

Heil euch, gesalbte Stellvertreter Gottes!

König Johann, dir gilt die heil'ge Botschaft.

Ich, Pandulph, Kardinal des schönen Mailand

Und von Papst Innocenz Legat allhier,

Frag' auf Gewissen dich in seinem Namen,

Warum du unsre heil'ge Mutter Kirche

So störrig niedertrittst und Stephan Langton,

Erwählten Erzbischof von Canterbury,

Gewaltsam abhältst von dem heil'gen Stuhl?

In des genannten heil'gen Vaters Namen,

Papst Innocenz, befrag' ich dich hierum!

KÖNIG JOHANN.

Welch ird'scher Name kann wohl zum Verhör

Geweihter Kön'ge freien Odem zwingen?

Kein Nam' ist zu ersinnen, Kardinal,

So leer, unwürdig und so lächerlich,

Mir Antwort abzufodern, als der Papst.

Sag den Bericht ihm, und aus Englands Mund

Füg' dies hinzu noch: daß kein welscher Priester

In unsern Landen zehnten soll und zinsen.

Wie nächst dem Himmel wir das höchste Haupt,

So wollen wir auch diese Oberhoheit

Nächst ihm allein verwalten, wo wir herrschen,

Ohn' allen Beistand einer ird'schen Hand.

Das sagt dem Papst, die Scheu bei Seit' gesetzt

Vor ihm und seinem angemaßten Ansehn.

KÖNIG PHILIPP.

Bruder von England, damit lästert Ihr!

KÖNIG JOHANN.

Ob alle Könige der Christenheit

Der schlaue Pfaff' so gröblich irre führt,

Daß Ihr den Fluch, den Geld kann lösen, scheut

Und um den Preis von schnödem Gold, Kot, Staub

Verfälschten Ablaß kauft von einem Mann,

Der mit dem Handel ihn für sich verscherzt;[38]

Ob Ihr und alle, gröblich mißgeleitet,

Die heil'ge Gaunerei mit Pfründen hegt,

Will ich allein, allein, den Papst nicht kennen

Und seine Freunde meine Feinde nennen.

PANDULPHO.

Dann durch die Macht, die mir das Recht erteilt,

Bist du verflucht und in den Bann getan:

Gesegnet soll der sein, der los sich sagt

Von seiner Treue gegen einen Ketzer;

Und jede Hand soll man verdienstlich heißen,

Kanonisieren und gleich Heil'gen ehren,

Die durch geheime Mittel aus dem Weg

Dein feindlich Leben räumt.

CONSTANZE.

O sei's erlaubt,

Daß ich mit Rom mag eine Weile fluchen!

Ruf' Amen, guter Vater Kardinal,

Zu meinem Fluch; denn ohne meine Kränkung

Hat keine Zunge Kraft, ihm recht zu fluchen.

PANDULPHO.

Mein Fluch gilt durch Gesetz und Vollmacht, Fürstin.

CONSTANZE.

Und meiner auch: schafft das Gesetz kein Recht,

So sei's gesetzlich, nicht dem Unrecht wehren.

Mein Kind erlangt sein Reich nicht vom Gesetz,

Denn, der sein Reich hat, bindet das Gesetz.

Weil das Gesetz denn höchstes Unrecht ist,

Verbiet' es meiner Zunge nicht zu fluchen.

PANDULPHO.

Philipp von Frankreich, auf Gefahr des Fluchs,

Laß fahren dieses argen Ketzers Hand,

Und Frankreichs Macht entbiete wider ihn,

Wenn er nicht selber Rom sich unterwirft!

ELEONORE.

Wirst du blaß, Frankreich? Zieh' die Hand nicht weg!

CONSTANZE.

Gib, Teufel, acht, daß Frankreich nicht bereut!

Der Hände Trennung raubt dir eine Seele.

ÖSTERREICH.

Hört auf den Kardinal, erlauchter Philipp!

BASTARD.

Hängt ihm ein Kalbsfell um die schnöden Glieder!

ÖSTERREICH.

Gut, Schurk', ich muß dies in die Tasche stecken Weil –

BASTARD.

Eure Hosen weit genug dazu.[39]

KÖNIG JOHANN.

Philipp, was sprichst du zu dem Kardinal?

CONSTANZE.

Wie spräch' er anders als der Kardinal?

LOUIS.

Bedenkt Euch, Vater, denn der Unterschied

Ist: hier Gewinn des schweren Fluchs von Rom,

Dort nur Verlust von Englands leichter Freundschaft.

Wagt das Geringre denn!

BLANCA.

Das ist Roms Fluch.

CONSTANZE.

O Louis, steh! Der Teufel lockt dich hier

In einer jungen schmucken Braut Gestalt.

BLANCA.

Constanze spricht nach Treu' und Glauben nicht,

Sie spricht nach ihrer Not.

CONSTANZE.

Gibst du die Not mir zu,

Die einzig lebt, weil Treu' und Glauben starb,

So muß die Not notwendig dies erweisen,

Daß Treu' und Glauben auflebt, wenn sie stirbt.

Tritt nieder meine Not, und Treue steigt;

Halt' aufrecht sie, und Treue wird zertreten.

KÖNIG JOHANN.

Der König steht bestürzt und gibt nicht Antwort.

CONSTANZE.

O tritt zurück von ihm! Antworte gut!

ÖSTERREICH.

Tu's, König Philipp, häng' nicht nach dem Zweifel!

BASTARD.

Häng' um ein Kalbsfell, schönster, dummer Teufel!

KÖNIG PHILIPP.

Ich bin verwirrt und weiß nicht, was zu sagen.

PANDULPHO.

Was du auch sagst, es wird dich mehr verwirren,

Wenn du verflucht wirst und in Bann getan.

KÖNIG PHILIPP.

Setzt Euch an meine Stell', ehrwürd'ger Vater,

Und sagt mir, wie Ihr Euch betragen würdet.

Die königliche Hand und meine hier

Sind neu verknüpft, die innersten Gemüter

Vermählt zum Bund, verschlungen und umkettet

Von aller frommen Kraft geweihter Schwüre.

Der letzte Hauch, der Ton den Worten gab,

War fest geschworne Treue, Fried' und Freundschaft

Für unser beider Reich und hohes Selbst.

Und eben vor dem Stillstand, kurz zuvor, –[40]

So lang', daß wir die Hände waschen konnten,

Um auf den Friedenshandel einzuschlagen, –

Der Himmel weiß es, waren sie betüncht

Von des Gemetzels Pinsel, wo die Rache

Den furchtbar'n Zwist erzürnter Kön'ge malte;

Und diese Hände, kaum von Blut gereinigt,

In Liebe neu vereint, in beidem stark,

Sie sollen lösen Druck und Freundes-Gruß?

Die Treu' verspielen? mit dem Himmel scherzen?

So wankelmüt'ge Kinder aus uns machen,

Nun wiederum zu reißen Hand aus Hand,

Uns loszuschwören von geschworner Treu'

Und auf des holden Friedens Ehebett

Mit blut'gem Heer zu treten, einen Aufruhr

Zu stiften auf der ebnen milden Stirn

Der graden Offenheit? O heil'ger Herr!

Ehrwürd'ger Vater! Laßt es so nicht sein!

In Eurer Huld ersinnt, beschließt, verhängt

Gelindre Anordnung: so wollen wir

Euch froh zu Willen sein und Freunde bleiben.

PANDULPHO.

Unordentlich ist jede Anordnung,

Die gegen Englands Liebe nicht sich wendet.

Drum zu den Waffen! Sei der Kirche Streiter!

Sonst werfe ihren Fluch die Mutter Kirche,

Der Mutter Fluch, auf den empörten Sohn!

Frankreich, du kannst die Schlange bei der Zunge,

Den Leu'n im Käfig bei der furchtbar'n Tatze,

Beim Zahn den gier'gen Tiger sichrer halten,

Als diese Hand in Frieden, die du hältst.

KÖNIG PHILIPP.

Ich kann die Hand, doch nicht die Treue lösen.

PANDULPHO.

So machst du Treu' zum Feinde deiner Treu'.

Du stellst, wie Bürgerkrieg, Eid gegen Eid

Und deine Zunge gegen deine Zunge.

O daß dein Schwur, dem Himmel erst getan,

Dem Himmel auch zuerst geleistet werde!

Er lautet: Streiter unsrer Kirche sein.

Was du seitdem beschworst, ist wider dich

Und kann nicht von dir selbst geleistet werden.[41]

Wenn du verkehrt zu tun geschworen hast,

So ist es nicht verkehrt, das Rechte tun,

Und wo das Tun zum Übel zielt, da wird

Durch Nichttun Recht am besten ausgeübt.

Das beste Mittel bei verfehltem Vorsatz

Ist, ihn verfehlen: ist dies ungerade,

So wird dadurch doch Ungerades grade,

Und Falschheit heilet Falschheit, wie das Feuer

In den versengten Adern Feuer kühlt.

Religion ist's, was den Eid macht halten,

Doch du schworst gegen die Religion:

Wobei du schwörst, dawider schwörest du;

So machst du Eid zum Zeugen wider Eid

Für deine Treu', da Treue, die nicht sicher

Des Schwures ist, nur schwört, nicht falsch zu schwören.

Welch ein Gespötte wäre Schwören sonst?

Du aber schwörst, meineidig nur zu sein,

Meineidig, wenn du hältst, was du beschworst.

Die spätern Eide gegen deine frühern

Sind drum in dir Empörung wider dich;

Und keinen bessern Sieg kannst du erlangen,

Als wenn du dein standhaftes edles Teil

Bewaffnest wider diese lose Lockung;

Für welches Beßre wir Gebete tun,

Wenn du genehm sie hältst: wo nicht, so wisse,

Daß unsrer Flüche Drohn dich trifft, so schwer,

Daß du sie nie sollst von dir schütteln; nein,

Verzweifelnd sterben unter schwarzer Last.

ÖSTERREICH.

Kein Zaudern! Offne Fehde!

BASTARD.

Immer noch?

Wird denn kein Kalbsfell deinen Mund dir stopfen?

LOUIS.

Auf, Vater! Krieg!

BLANCA.

An deinem Hochzeittag.

Und gegen das mit dir vermählte Blut?

Wie? Sollen unser Fest Erschlagne feiern?

Soll schmetternde Trompet' und laute Trommel,

Der Hölle Lärm, begleiten unsern Zug?

O Gatte, hör' mich! – ach, wie neu ist Gatte[42]

In meinem Munde! – um des Namens willen,

Den meine Zunge niemals sprach bis jetzt,

Bitt' ich auf meinen Knie'n, ergreif' die Waffen

Nicht gegen meinen Oheim!

CONSTANZE.

Oh, auf meinen Knie'n,

Vom Knieen abgehärtet, bitt' ich dich,

Du tugendhafter Dauphin, ändre nicht

Den Ausspruch, den der Himmel hat verhängt.

BLANCA.

Nun werd' ich deine Liebe sehn: was kann

Dich stärker rühren als der Name Weib?

CONSTANZE.

Was deine Stütze stützet: seine Ehre.

O deine Ehre, Louis, deine Ehre!

LOUIS.

Wie scheint doch Eure Majestät so kalt,

Da sie so hohe Rücksicht treibt zu handeln?

PANDULPHO.

Ich will den Fluch verkünden auf sein Haupt.

KÖNIG PHILIPP.

Du brauchst nicht. – England, ich verlasse dich.

CONSTANZE.

O schöne Rückkehr echter Fürstlichkeit!

ELEONORE.

O schnöder Abfall fränk'scher Flüchtigkeit!

KÖNIG JOHANN.

Frankreich, dich reut die Stund', eh' sie verstreicht.

BASTARD.

Der alte Glöckner Zeit, der kahle Küster,

Beliebt es ihm? Gut denn, so reut es Frankreich.

BLANCA.

Die Sonn' ist blutig: schöner Tag, fahr' hin!

Mit welcher der Parteien soll ich gehen?

Mit beiden: jedes Heer hat eine Hand,

Und ihre Wut, da ich sie beide halte,

Reißt auseinander und zerstückelt mich.

Gemahl, ich kann nicht flehn, daß du gewinnst;

Oheim, ich muß wohl flehn, daß du verlierst;

Vater, ich kann nicht wünschen für dein Glück;

Großmutter, deine Wünsche wünsch' ich nicht;

Wer auch gewinnt, ich habe stets Verlust,

Er ist mir sicher, eh' das Spiel beginnt.

LOUIS.

Bei mir, Prinzessin, ist dein Glück und Hort.

BLANCA.

Wenn hier mein Glück lebt, stirbt mein Leben dort.

KÖNIG JOHANN.

Geht, Vetter, zieht zusammen unsre Macht! –


Bastard ab.[43]


Frankreich, mein Innres zehrt entbrannter Zorn;

Die Hitze meiner Wut ist so beschaffen,

Daß nichts sie löschen kann, nein, nichts als Blut,

Das Blut, das köstlichste, das Frankreich hegt.

KÖNIG PHILIPP.

Die Wut soll dich verzehren, und du wirst

Zu Asch', eh' unser Blut das Feuer löscht.

Sieh nun dich vor! Ich mache dir zu schaffen. –

KÖNIG JOHANN.

Und ich dem Droher auch. – Fort zu den Waffen!

Alle ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 3, Berlin: Aufbau, 1975, S. 34-44.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
König Johann
King John / König Johann: Englisch-deutsche Studienausgabe (Engl. / Dt.) Englischer Originaltext und deutsche Prosaübersetzung
William Shakespeare's Dramatische Werke: König Johann (German Edition)

Buchempfehlung

Strindberg, August Johan

Inferno

Inferno

Strindbergs autobiografischer Roman beschreibt seine schwersten Jahre von 1894 bis 1896, die »Infernokrise«. Von seiner zweiten Frau, Frida Uhl, getrennt leidet der Autor in Paris unter Angstzuständen, Verfolgungswahn und hegt Selbstmordabsichten. Er unternimmt alchimistische Versuche und verfällt den mystischen Betrachtungen Emanuel Swedenborgs. Visionen und Hysterien wechseln sich ab und verwischen die Grenze zwischen Genie und Wahnsinn.

146 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon