[65] Ebendaselbst. Vor der Burg.
Arthur erscheint auf den Mauern.
ARTHUR.
Die Mau'r ist hoch, ich springe doch hinab:
Sei milde, guter Boden, schone mich! –
Fast niemand kennt mich; täten sie es auch,
Die Schifferjungen-Tracht verstellt mich ganz.
Ich fürchte mich, und doch will ich es wagen.
Komm' ich hinab und breche nicht den Hals.
So weiß ich, wie ich Raum zur Flucht erwerbe:
So gut, ich sterb' und geh', als bleib' und sterbe.
Er springt hinunter.
Weh! Meines Oheims Geist ist in dem Stein, –
Nimm, Gott, die Seel', und England mein Gebein!
Er stirbt.
Pembroke, Salisbury und Bigot treten auf.[65]
SALISBURY.
Ihr Herrn, ich treff' ihn zu Sankt Edmunds-Bury.
Dies stellt uns sicher, und man muß ergreifen
Den Freundes-Antrag der bedrängten Zeit.
PEMBROKE.
Wer brachte diesen Brief vom Kardinal?
SALISBURY.
Der Graf Melun, ein edler Herr von Frankreich,
Des mündlich Zeugnis von des Dauphins Liebe
Viel weiter geht, als diese Zeilen sagen.
BIGOT.
So laßt uns also morgen früh ihn treffen!
SALISBURY.
Nein, auf den Weg uns machen; denn es sind
Zwei starke Tagereisen bis zu ihm.
Der Bastard tritt auf.
BASTARD.
Noch einmal heut gegrüßt, erzürnte Herrn!
Der König läßt durch mich euch zu sich laden.
SALISBURY.
Der König hat sich unser selbst beraubt.
Wir wollen seinen dünnen, schmutz'gen Mantel
Mit unsern reinen Ehren nicht verbrämen,
Noch folgen seinem Fuß, der Stapfen Bluts,
Wo er nur wandelt, nachläßt; kehrt zurück
Und sagt ihm das: wir wissen schon das Schlimmste.
BASTARD.
Wie schlimm ihr denkt, denkt doch auf gute Worte!
SALISBURY.
Der Unmut, nicht die Sitte spricht aus uns.
BASTARD.
Doch eurem Unmut fehlt es an Vernunft,
Drum wär's vernünftig, daß ihr Sitte hättet.
PEMBROKE.
Herr, Herr! hat Ungeduld ihr Vorrecht doch.
BASTARD.
Ja, ihrem Herrn zu schaden, keinem sonst.
SALISBURY indem er Arthur erblickt.
Dies ist der Kerker: wer ist's, der hier liegt?
PEMBROKE.
O Tod! auf reine Fürstenschönheit stolz!
Die Erde hat kein Loch, die Tat zu bergen.
SALISBURY.
Der Mord, als haßt' er, was er selbst getan,
Legt's offen dar, die Rache aufzufodern.
BIGOT.
Oder, dem Grabe diese Schönheit weihend,
Fand er zu fürstlich reich sie für ein Grab.
SALISBURY.
Sir Richard, was denkt Ihr? Saht Ihr wohl je,
Last oder hörtet oder konntet denken,
Ja, denkt Ihr jetzt beinah', wiewohl Ihr's seht,
Das, was Ihr seht? Wer könnte dies erdenken,[66]
Läg' es vor Augen nicht? Es ist der Gipfel,
Der Helm, die Helmzimier am Wappenschild
Des Mordes; ist die blutigste Verruchtheit,
Die wildste Barbarei, der schnödste Streich,
Den je felsäugige, starrseh'nde Wut
Des sanften Mitleids Tränen dargeboten.
PEMBROKE.
Kein Mord geschah, den dieser nicht entschuldigt;
Und dieser hier, so einzig unerreichbar,
Wird eine Heiligkeit und Reinheit leihn
Der ungebornen Sünde künft'ger Zeiten;
Ein tödlich Blutvergießen wird zum Scherz,
Hat es zum Vorbild dies verhaßte Schauspiel.
BASTARD.
Es ist ein blutig und verdammtes Werk,
Ein frech Beginnen einer schweren Hand,
Wenn irgend eine Hand das Werk vollbracht.
SALISBURY.
Wenn irgend eine Hand das Werk vollbracht?
Wir hatten eine Spur, was folgen würde:
Es ist das schnöde Werk von Huberts Hand,
Der Anschlag und die Eingebung vom König, –
Aus dessen Pflicht ich meine Seel' entziehe,
Vor diesen Trümmern süßen Lebens knieend
Und atmend der entseelten Trefflichkeit
Den Weihrauch eines heiligen Gelübdes:
Niemals zu kosten Freuden dieser Welt,
Nie angesteckt zu werden vom Genuß,
Mich nie auf Muß' und Trägheit einzulassen,
Bis ich mit Ruhm verherrlicht diese Hand,
Indem ich ihr den Schmuck der Rache gebe.
PEMBROKE UND BIGOT.
Inbrünstig stimmen unsre Seelen bei.
Hubert tritt auf.
HUBERT.
Herrn, ich bin heiß vor Eil', euch aufzusuchen:
Prinz Arthur lebt, der König schickt nach euch.
SALISBURY.
Oh, er ist frech, der Tod beschämt ihn nicht!
Fort, du verhaßter Schurke! Heb' dich weg!
HUBERT.
Ich bin kein Schurke.
SALISBURY den Degen ziehend.
Muß ich die Beute den Gerichten rauben?[67]
BASTARD.
Eu'r Schwert ist blank, Herr, steckt es wieder ein.
SALISBURY.
Wenn ich's in eines Mörders Leib gestoßen.
HUBERT.
Zurück, Lord Salisbury! zurück, sag' ich!
Mein Schwert, beim Himmel, ist so scharf als Eures:
Ich möchte nicht, daß Ihr Euch selbst vergäßt
Und meiner Gegenwehr Gefahr erprobtet;
Ich möchte sonst, auf Eure Wut nur merkend,
Vergessen Euren Wert und Rang und Adel.
BIGOT.
Was, Kot, du trotzest einem Edelmann?
HUBERT.
Nicht um mein Leben; doch verteid'gen darf ich
Mein schuldlos Leben gegen einen Kaiser.
SALISBURY.
Du bist ein Mörder.
HUBERT.
Macht mich nicht dazu,
Noch bin ich's nicht. Wes Zunge fälschlich spricht,
Der spricht nicht wahr, und wer nicht wahr spricht, lügt.
PEMBROKE.
Haut ihn in Stücke!
BASTARD.
Haltet Friede, sag' ich!
SALISBURY.
Bei Seit'! Sonst werd'ich schlagen, Faulconbridge.
BASTARD.
Schlag' du den Teufel lieber, Salisbury!
Sieh mich nur finster an, rühr' deinen Fuß,
Lehr' deinen raschen Zorn, mir Schmach zu tun,
So bist du tot. Steck' ein das Schwert bei Zeiten,
Sonst bläu' ich dich und deinen Bratspieß so,
Daß Ihr den Teufel auf dem Hals Euch glaubt.
BIGOT.
Was willst du tun, berühmter Faulconbridge?
Beistehen einem Schelm und einem Mörder?
HUBERT.
Lord Bigot, ich bin keiner.
BIGOT.
Wer schlug diesen Prinzen?
HUBERT.
Gesund verließ ich ihn vor einer Stunde,
Ich ehrt' ihn, liebt' ihn, und verweinen werd' ich
Mein Leben um des seinigen Verlust.
SALISBURY.
Traut nicht den schlauen Wassern seiner Augen,
Denn Bosheit ist nicht ohne solches Naß;
Und der, der ausgelernt ist, läßt wie Bäche
Des Mitleids und der Unschuld sie erscheinen.
Hinweg mit mir, ihr alle, deren Seelen
Den eklen Dunst von einem Schlachthaus fliehn!
Denn mich erstickt hier der Geruch der Sünde.[68]
BIGOT.
Hinweg! Nach Bury, zu dem Dauphin dort!
PEMBROKE.
Dort, sagt dem König, kann er uns erfragen.
Die Edelleute ab.
BASTARD.
Nun, das geht schön! – Ihr wußtet um dies Stückchen?
So endlos weit die Gnade reichen mag,
Die Tat des Todes, wenn du sie getan,
Verdammt dich, Hubert.
HUBERT.
Hört mich doch nur, Herr!
BASTARD.
Ha, laß mich dir was sagen:
Du bist verdammt, so schwarz, es gibt nichts Schwärzres;
Verdammt noch tiefer als Fürst Lucifer;
So scheußlich gibt's noch keinen Geist der Hölle,
Als du wirst sein, wenn du dies Kind erschlugst.
HUBERT.
Bei meiner Seele, –
BASTARD.
Stimmtest du nur ein
Zu dieser Greueltat, o so verzweifle!
Fehlt dir ein Strick, so reicht der dünnste Faden,
Den eine Spinn' aus ihrem Leibe zog,
Dich zu erdrosseln hin; ein Strohhalm wird zum Balken,
Dich dran zu hängen; willst du dich ertränken,
Tu' etwas Wasser nur in einen Löffel,
Und es wird sein so wie der Ozean,
Genug, um solchen Schurken zu ersticken. –
Ich habe schweren Argwohn gegen dich.
HUBERT.
Wenn ich durch Tat, durch Beifall, ja Gedanken
Am Raub des süßen Odems schuldig bin,
Den diese schöne Staubhüll' in sich hielt,
So sei für mich die Höll' an Qualen arm!
Gesund verließ ich ihn.
BASTARD.
So geh und trag' ihn weg auf deinen Armen! –
Ich bin wie außer mir; mein Weg verliert sich
In Dornen und Gefahren dieser Welt. –
Wie leicht nimmst du das ganze England auf!
Aus diesem Stückchen toten Königtums
Floh dieses Reiches Leben, Recht und Treu'
Zum Himmel auf, und bleibt für England nichts,
Als Balgen, Zerren, mit den Zähnen packen[69]
Das herrenlose Vorrecht stolzer Hoheit.
Nun sträubet um den abgenagten Knochen
Der Majestät der Krieg den zorn'gen Kamm
Und fletscht dem Frieden in die milden Augen.
Nun treffen fremde Macht und heim'scher Unmut
Auf einen Punkt, und die Verheerung wartet,
So wie der Rab' auf ein erkranktes Vieh,
Auf nahen Fall des abgerungnen Prunks.
Nun ist der glücklich, dessen Gurt und Mantel
Dies Wetter aushält. Trag' das Kind hinweg
Und folge mir mit Eil'; ich will zum König:
Denn viele tausend Sorgen sind zur Hand,
Der Himmel selbst blickt dräuend auf das Land.
Ab.[70]
Ausgewählte Ausgaben von
König Johann
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