Dritte Szene

[414] London. Vor dem Hause der Frau Hurtig in Eastcheap.


Pistol, Frau Hurtig, Nym, Bardolph und der Bursch kommen.


FRAU HURTIG. Ich bitte dich, mein honigsüßer Mann, laß mich dich bis Staines begleiten.

PISTOL.

Nein, denn mein männlich Herz klopft weh.

Bardolph, getrost! Nym, weck' die Prahler-Ader!

Bursch, krause deinen Mut! Denn Falstaff, der ist tot,

Und uns muß weh drum sein.

BARDOLPH. Ich wollte, ich wäre bei ihm, wo er auch sein mag, im Himmel oder in der Hölle.

FRAU HURTIG. Nein, gewiß, er ist nicht in der Hölle; er ist in Arthurs Schoß, wenn jemals einer in Arthurs Schoß gekommen ist. Er nahm ein so schönes Ende und schied von hinnen, als wenn er ein Kind im Westerhemdchen gewesen wäre. Just zwischen zwölf und eins fuhr er ab, grade wie es zwischen Flut und Ebbestand; denn wie ich ihn die Bettlake zerknüllen sah und mit Blumen spielen und seine Fingerspitzen anlächeln, da wußte ich, daß ihm der Weg gewiesen wäre; denn seine Nase war so spitz wie eine Schreibfeder, und er faselte von grünen Feldern. »Nun, Sir John?« sagte ich; »ei Mann, seid gutes Muts!« Damit rief er aus: »Gott! Gott! Gott!« ein Stücker drei- oder viermal. Ich sagte, um ihn zu trösten, er möchte nicht an Gott denken, ich hoffte, es täte ihm noch nicht not, sich mit solchen Gedanken zu plagen. Damit bat er mich, ihm mehr Decken auf die Füße zu legen. Ich steckte meine Hand in das Bett und befühlte sie und sie waren so kalt wie ein Stein; darauf befühlte ich seine Knie, und so immer weiter und weiter hinauf, und alles war so kalt wie ein Stein.

NYM. Sie sagen, er hätte über den Sekt einen Ausruf getan.

FRAU HURTIG. Ja, das tat er auch.

BARDOLPH. Und über die Weibsbilder.

FRAU HURTIG. Ne, das tat er nicht.

BURSCH. Ja, das tat er wohl, und sagte, sie wären eingefleischte Teufel.[414]

FRAU HURTIG. Ja, was ins Fleisch fiel, das konnte er nicht leiden; die Fleischfarbe war ihm immer zuwider.

BURSCH. Er sagte einmal, der Teufel würde seiner noch wegen der Weibsbilder habhaft werden.

FRAU HURTIG. Auf gewisse Weise hantierte er freilich mit Weibsbildern: aber da war er rheumatisch und sprach von der Hure von Babylon.

BURSCH. Erinnert Ihr Euch nicht, wie er einen Floh auf Bardolphs Nase sitzen sah, daß er sagte: es wäre ein schwarze Seele, die im höllischen Feuer brennte?

BARDOLPH. Nun, das Brennholz ist zu Ende, das dies Feuer unterhielt: das ist der ganze Reichtum, den ich in seinem Dienst erworben habe.

NYM. Sollen wir abziehn? Der König wird von Southampton schon weg sein.

PISTOL.

Kommt, laßt uns fort! – Mein Herz, gib mir die Lippen!

Acht' auf den Hausrat und mein fahrend Gut.

Laß Sinne walten; »zecht und zahlt!« so heißt's.

Trau' keinem:

Ein Eid ist Spreu, und Treu' und Glaube Waffeln,

Pack' an, das ist der wahre Hund, mein Täubchen;

Drum laß caveto dir Ratgeber sein.

Geh, trockne deine Perlen. – Waffenbrüder,

Laßt uns nach Frankreich! wie Blutigel, Kinder,

Zu saugen, saugen, recht das Blut zu saugen!

BURSCH. Und das ist eine ungesunde Nahrung, wie sie sagen.

PISTOL. Rührt ihren sanften Mund noch und marschiert.

BARDOLPH. Leb wohl, Wirtin. Küßt sie.

NYM. Ich kann nicht küssen, und das ist der Humor davon, aber lebt wohl.

PISTOL. Laß walten Hauswirtschaft! Halt' fest, gebiet' ich dir!

FRAU HURTIG. Leb wohl! Adieu! Ab.[415]


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 3, Berlin: Aufbau, 1975, S. 414-416.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
König Heinrich V.
Shakespeares dramatische Werke
King Henry V/ König Heinrich V. [Zweisprachig]
König Heinrich V.
King Henry V / König Heinrich V.: Englisch-deutsche Studienausgabe (Engl. / Dt.) Englischer Originaltext und deutsche Prosaübersetzung
König Heinrich V. / King Henry V (Gesamtausgabe, Band 22)