[416] Frankreich. Ein Saal im Palast des Königs.
König Karl mit Gefolge, der Dauphin, Herzog von Burgund, der Connetable und andre.
KÖNIG KARL.
So nahn die Englischen mit Heereskraft,
Und über alle Sorgen liegt uns ob,
Zu unsrer Wehr uns königlich zu stellen.
Drum soll Herzog von Berry, von Bretagne,
Von Orleans und Brabant ziehn ins Feld,
Und Ihr, Prinz Dauphin, mit der schnellsten Eil',
Um unsre Kriegesplätze neu zu rüsten
Mit tapfern Männern und mit wehrbar'm Zeug.
Denn England ist in seinem Andrang rasch,
Wie Wasser, das ein Wirbel in sich saugt.
Es ziemt uns denn, die Vorsicht so zu üben,
Wie Furcht uns lehrt an manchem frischen Beispiel,
Das Englands heillos und versäumtes Volk
Auf unsern Feldern ließ.
DAUPHIN.
Großmächt'ger Vater,
Es ist gar recht, uns auf den Feind zu rüsten;
Denn Friede selbst muß nicht ein Königreich
So schläfrig machen (wenn auch nicht die Rede
Von Kriege wär' und ausgemachtem Streit),
Daß Landwehr, Musterung und Rüstung nicht
Verstärkt, gehalten und betrieben würde,
Als wäre die Erwartung eines Kriegs.
Drum heiß' ich's billig, daß wir alle ziehn,
Die schwachen Teile Frankreichs zu besehn;
Das laßt uns tun mit keinem Schein von Furcht,
Ja, mit nicht mehr, als hörten wir, daß England
Sich schick' auf einen Mohrentanz zu Pfingsten.
Denn, bester Herr, so eitel prangt sein Thron,
Und seinen Szepter führet so phantastisch
Ein wilder, seichter, launenhafter Jüngling,
Daß ihm kein Schrecken folgt.
CONNETABLE.
O still, Prinz Dauphin![416]
Ihr irrt Euch allzusehr in diesem König.
Frag' Eure Hoheit die Gesandten nur,
Mit welcher Würd' er ihre Botschaft hörte,
Wie wohl mit edlen Räten ausgestattet,
Wie ruhig im Erwidern, und zugleich
Wie schrecklich in entschloßner Festigkeit:
Ihr werdet sehn, sein vorig eitles Wesen
War nur des röm'schen Brutus Außenseite,
Vernunft in einen Torenmantel hüllend,
Wie oft mit Kot der Gärtner Wurzeln deckt,
Die früh und zart vor allen treiben sollen.
DAUPHIN.
Herr Connetable, ei, dem ist nicht so,
Doch nehmen wir's so an, es schadet nicht.
Im Fall der Gegenwehr ist es am besten,
Den Feind für mächt'ger halten, als er scheint:
So füllet sich das Maß der Gegenwehr,
Die sonst, bei schwachem, kärglichem Entwurf,
Gleich einem Filz, ein wenig Tuch zu sparen,
Den Rock verdirbt.
KÖNIG KARL.
Gut! Halten wir den König Heinrich stark,
Und Prinzen, rüstet stark euch wider ihn.
Denn sein Geschlecht hat unser Fleisch gekostet,
Und er stammt ab von dieser blut'gen Reih',
Die auf den heim'schen Pfaden uns verfolgt.
Des zeugt der zu gedächtniswürd'ge Tag,
Als Cressys Schlacht verderblich ward geschlagen
Und unsre Prinzen alle in die Hände
Dem schwarzen Namen Eduard fielen,
Dem Schwarzen Prinz von Wales, indes sein Vater,
Des Berges Fürst, auf einem Berge stehend,
Hoch in der Luft, gekrönt von goldner Sonne,
Den Heldensprößling sah, und ihn mit Lächeln
Die Werke der Natur verstümmeln sah
Und Bildnisse verlöschen, welche Gott
Und fränk'sche Väter zwanzig Jahr hindurch
Geschaffen hatten. Dieser ist ein Zweig[417]
Von jenem Siegerstamm: und laßt uns fürchten
Die angeborne Kraft und sein Geschick!
Ein Bote tritt auf.
BOTE.
Gesandte Heinrichs, Königes von England,
Begehren Zutritt zu Eu'r Majestät.
KÖNIG KARL.
Wir geben ihnen gleich Gehör. – Geht, holt sie.
Bote und einige Herren vom Hofe ab.
Ihr seht, die Jagd wird heiß betrieben, Freunde.
DAUPHIN.
Macht Halt und bietet Stirn! Denn feige Hunde
Sind mit dem Maul am freisten, wenn ihr Wild
Schon weit vorausläuft. Bester Fürst, seid kurz
Mit diesen Englischen und laßt sie wissen,
Von welcher Monarchie das Haupt Ihr seid.
Selbstliebe, Herr, ist nicht so schnöde Sünde
Als Selbstversäumnis.
Die Herren kommen mit Exeter und Gefolge zurück.
KÖNIG KARL.
Von unserm Bruder England?
EXETER.
Von ihm; so grüßt er Eure Majestät.
Er heischt in des Allmächt'gen Gottes Namen,
Daß Ihr Euch abtun und entkleiden sollt
Erborgter Hoheit, die durch Gunst des Himmels,
Durch der Natur und Völker Recht ihm zusteht
Und seinen Erben; namentlich die Krone
Und aller Ehren weiten Kreis, den Sitte
Und Anordnung der Zeiten zugeteilt
Der Krone Frankreichs. Daß Ihr wissen mögt,
Dies sei kein loser ungereimter Anspruch,
Entdeckt im Wurmfraß längst verschwundner Tage,
Vom Staube der Vergessenheit gescharrt,
Schickt er Euch diese höchst denkwürd'ge Reih',
überreicht ein Papier
In jedem Zweige wahrhaft überzeugend,
Und heißt Euch diesen Stammbaum überschaun.
Und wenn Ihr grade abgestammt ihn findet
Vom rühmlichsten der hochberühmten Ahnen,[418]
Eduard dem Dritten, heißt er Euch Verzicht
Auf Kron' und Reich tun, die Ihr unrechtmäßig
Ihm als gebornen Eigner vorenthaltet.
KÖNIG KARL.
Sonst, was erfolgt?
EXETER.
Der blut'ge Zwang; denn wenn ihr selbst die Krone
In euren Herzen bürg't, er stört nach ihr.
Deswegen kommt er an in wildem Sturm,
In Donner und Erdbeben, wie ein Zeus,
Auf daß er nöt'ge, wenn kein Mahnen hilft;
Und heißt Euch, beim Erbarmen Gott des Herrn,
Die Krone abstehn und der armen Seelen,
Für welche dieser gier'ge Krieg den Rachen
Schon öffnet, schonen; und auf Euer Haupt
Wälzt er der Waisen Schrei, der Witwen Tränen,
Der Toten Blut, verlaßner Mädchen Ächzen
Um Gatten, Väter und um Anverlobte,
Die diese Zwistigkeit verschlingen wird.
Dies ist sein Ruf, sein Drohn und meine Botschaft,
Wo nicht der Dauphin gegenwärtig ist,
Den ich ausdrücklich zu begrüßen habe.
KÖNIG KARL.
Was uns betrifft, wir wollen dies erwägen;
Wir geben morgen den Bescheid Euch mit
An unsern Bruder England.
DAUPHIN.
Was den Dauphin,
So steh' ich hier für ihn: was schickt ihm England?
EXETER.
Des Trotzes, der Verachtung und des Hohns
Und alles des, was nicht mißziemen mag
Dem großen Sender, schätzet er Euch wert.
So spricht mein Fürst; wenn Eures Vaters Hoheit
Nicht durch Gewährung aller Foderungen
Den bittern Spott versüßt, den Ihr an ihn gesandt,
Wird er zu heißer Rechenschaft Euch ziehn,
Daß Frankreichs bauchige Gewölb' und Höhlen
Euch schelten sollen und den Spott zurück
In seiner Stücke zweitem Hall Euch geben.
DAUPHIN.
Sagt, wenn mein Vater freundlich Antwort gibt,
Sei's wider meinen Willen; denn mir liegt
An nichts als Zwist mit England: zu dem Ende,[419]
Als seiner eitlen Jugend angemessen,
Sandt' ich ihm die Pariser Bälle zu.
EXETER.
Dafür wird Eu'r Pariser Louvre zittern,
Wär's auch Europas hoher Oberhof.
Und glaubt, Ihr werdet einen Abstand finden
(Wie wir, sein Volk, erstaunt gefunden haben)
Von der Verheißung seiner jüngern Tage
Und denen, die er jetzt zu meistern weiß.
Er wägt die Zeit jetzt auf ein Körnchen ab,
Was Ihr in Euren eignen Niederlagen
Erfahren sollt, wenn er in Frankreich bleibt.
KÖNIG KARL.
Auf morgen sollt Ihr unsre Meinung wissen.
EXETER.
Entlaßt uns eilig, daß nicht unser König
Nach dem Verzug zu fragen selber komme,
Denn Fuß hat er im Lande schon gefaßt.
KÖNIG KARL.
Ihr sollt entlassen werden alsobald
Mit einem bill'gen Antrag; eine Nacht
Ist nur ein Odemzug und kurze Frist,
Um auf so wicht'ge Dinge zu erwidern.
Alle ab.[420]
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