Zweite Szene

[844] Vor Lord Hastings Hause.


Ein Bote tritt auf.


BOTE klopft.

Mylord! Mylord!

HASTINGS von innen.

Wer klopft?

BOTE.

Jemand von Lord Stanley.

HASTINGS von innen.

Was ist die Uhr?

BOTE.

Vier auf den Schlag.


Hastings tritt auf.


HASTINGS.

Kann nicht dein Herr die langen Nächte schlafen?

BOTE.

So scheint's, nach dem, was ich zu sagen habe.

Zuerst empfiehlt er sich Eu'r Herrlichkeit.

HASTINGS.

Und dann?

BOTE.

Und dann läßt er Euch melden, daß ihm träumte,

Der Eber stoße seinen Helmbusch ab.

Auch, sagt er, werde doppelt Rat gehalten,

Und daß man leicht beschließen könn' im einen,

Was ihn und Euch bekümmern könnt' im andern.

Drum schickt er, Eu'r Belieben zu erfahren,

Ob Ihr sogleich mit ihm aufsitzen wollt

Und ohne Säumen nach dem Norden jagen,

Um die Gefahr zu meiden, die ihm schwant.

HASTINGS.

Geh, geh, Gesell, zurück zu deinem Herrn,

Heiß' ihn nicht fürchten den getrennten Rat:[844]

Sein' Edeln und ich selbst sind bei dem einen,

Catesby, mein guter Freund, ist bei dem andern,

Woselbst nichts vorgehn kann, was uns betrifft,

Wovon mir nicht die Kundschaft würd' erteilt.

Sag ihm, die Furcht sei albern, sonder Anlaß;

Und wegen seines Traums, da wundr' es mich,

Wie er doch nur so töricht könne sein,

Zutraun der Neckerei unruh'gen Schlummers.

Den Eber fliehn, bevor der Eber nachsetzt,

Das hieß' den Eber reizen, uns zu folgen,

Und Jagd zu machen, wo er's nicht gemeint.

Heiß' deinen Herrn aufstehn und zu mir kommen,

Dann wollen wir zusammen hin zum Turm,

Wo, du sollst sehn, der Eber freundlich sein wird.

BOTE.

Ich geh', Mylord, und will ihm das bestellen.


Ab.


Catesby tritt auf.


CATESBY.

Vielmals guten Morgen meinem edlen Lord!

HASTINGS.

Guten Morgen, Catesby! Ihr seid früh bei Wege.

Was gibt's, was gibt's in unserm Wankestaat?

CATESBY.

Die Welt ist schwindlicht, in der Tat, Mylord,

Und, glaub' ich, wird auch niemals aufrecht stehn,

Bevor nicht Richard trägt des Reiches Kranz.

HASTINGS.

Wieso? des Reiches Kranz? Meinst du die Krone?

CATESBY.

Ja, bester Lord.

HASTINGS.

Man soll das Haupt mir schlagen von den Schultern,

Eh' ich die Krone seh' so schnöd' entwandt.

Doch kannst du raten, daß er darnach zielt?

CATESBY.

So wahr ich lebe, und er hofft, Euch wirksam

Für ihn zu finden, selb'ge zu gewinnen;

Und hierauf schickt er Euch die gute Botschaft,

Daß Eure Feinde diesen selben Tag,

Der Königin Verwandt', in Pomfret sterben.

HASTINGS.

Um diese Nachricht traur' ich eben nicht,

Denn immer waren sie mir Widersacher.

Doch daß ich stimmen sollt' auf Richards Seite,[845]

Den echten Erben meines Herrn zum Nachteil,

Gott weiß, das tu' ich nicht bis in den Tod.

CATESBY.

Gott schütz' Eu'r Gnaden bei dem frommen Sinn!

HASTINGS.

Doch das belach' ich wohl noch übers Jahr,

Daß ich erlebe deren Trauerspiel,

Die mich bei meinem Herrn verhaßt gemacht.

Hör', Catesby, eh' ein vierzehn Tag' ins Land gehn,

Schaff' ich noch ein'ge fort, die's jetzt nicht denken.

CATESBY.

Ein häßlich Ding, zu sterben, gnäd'ger Herr,

Unvorbereitet und sich nichts versehend.

HASTINGS.

O greulich! greulich! Und so geht es nun

Mit Rivers, Vaughan, Grey; und wird so gehn

Mit andern noch, die sich so sicher dünken

Wie du und ich, die dem durchlauchten Richard

Und Buckingham doch wert sind, wie du weißt.

CATESBY.

Die Prinzen beide achten Euch gar hoch. –


Beiseit.

Sie achten seinen Kopf schon auf der Brücke.

HASTINGS.

Ich weiß es wohl und hab's um sie verdient.


Stanley tritt auf.


Wohlan, wohlan! Wo ist Eu'r Jagdspieß, Freund?

Ihr scheut den Eber und geht ungerüstet?

STANLEY.

Mylord, guten Morgen! Guten Morgen, Catesby!

Ihr mögt nur spaßen, doch, beim heil'gen Kreuz,

Ich halte nichts von dem getrennten Rat.

HASTINGS.

Mylord,

Mein Leben halt' ich wert, wie Ihr das Eure,

Und nie in meinem Leben, schwör' ich Euch,

War es mir kostbarer als eben jetzt.

Denkt Ihr, wüßt' ich nicht unsre Lage sicher,

Ich wär' so triumphierend, wie ich bin?

STANLEY.

Die Lords zu Pomfret ritten wohlgemut

Aus London, glaubten ihre Lage sicher

Und hatten wirklich keinen Grund zum Mißtraun:

Doch seht Ihr, wie der Tag sich bald bewölkt.

Ich fürchte diesen raschen Streich des Grolls;

Gott gebe, daß ich notlos zaghaft sei!

Nun, wollen wir zum Turm? Der Tag vergeht[846]

HASTINGS.

Kommt, kommt, seid ruhig! Wißt Ihr was, Mylord?

Heut werden die erwähnten Lords enthauptet.

STANLEY.

Für Treu' stünd' ihnen besser wohl ihr Haupt,

Als manchen, die sie angeklagt, ihr Hut.

Kommt, Mylord, laßt uns gehn!


Ein Heroldsdiener tritt auf.


HASTINGS.

Geht nur voran,

Ich will mit diesem wackern Manne reden.


Stanley und Catesby ab.


He, Bursch, wie steht's mit dir?

HEROLDSDIENER.

Um desto besser,

Weil Eure Herrlichkeit geruht zu fragen.

HASTINGS.

Ich sag' dir, Freund, mit mir steht's besser jetzt

Als da du neulich eben hier mich trafst.

Da ging ich als Gefangner in den Turm

Auf Antrieb von der Königin Partei;

Nun aber sag' ich dir (bewahr's für dich!):

Heut werden meine Feinde hingerichtet,

Und meine Lag' ist besser als zuvor.

HEROLDSDIENER.

Erhalt' sie Gott nach Euer Gnaden Wunsch!

HASTINGS.

Großen Dank, Bursche! Trink' das auf mein Wohl!


Wirft ihm seinen Beutel zu.


HEROLDSDIENER.

Ich dank' Eu'r Gnaden.


Ab.


Ein Priester tritt auf.


PRIESTER.

Mylord, mich freut's, Eu'r Gnaden wohl zu sehn.

HASTINGS.

Ich danke dir von Herzen, mein Sir John.

Ich bin Eu'r Schuldner für die letzte Übung;

Kommt nächsten Sabbat, und ich will's vergüten.


Buckingham tritt auf.


BUCKINGHAM.

Ihr sprecht mit Priestern, wie, Herr Kämmerer?

Den Priester brauchen Eure Freund' in Pomfret,

Eu'r Gnaden hat mit Beichten nichts zu tun.

HASTINGS.

Fürwuhr, da ich den würd'gen Mann hier sah,

Da fielen die, wovon Ihr sprecht, mir ein.

Sagt, geht Ihr in den Turm?[847]

BUCKINGHAM.

Ja, Mylord, doch ich kann nicht lang da bleiben:

Ich geh' vor Euer Edeln wieder fort.

HASTINGS.

Vielleicht, weil ich zum Mittagessen bleibe.

BUCKINGHAM beiseit.

Zum Abendessen auch, weißt du's schon nicht. –

Kommt, wollt Ihr gehn?

HASTINGS.

Eu'r Gnaden aufzuwarten.


Ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 3, Berlin: Aufbau, 1975, S. 844-848.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
König Richard III.
Korol' richard 3 / Die Tragödie von König Richard III. / The Tragedy of King Richard the Third (in Russischer Sprache / Russisch / Russian / Buch / book / kniga)
König Richard III.
King Richard III / König Richard III. [Zweisprachig]
König Richard III.: Zweisprachige Ausgabe
Richard III / König Lear

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Nachkommenschaften

Nachkommenschaften

Stifters späte Erzählung ist stark autobiografisch geprägt. Anhand der Geschichte des jungen Malers Roderer, der in seiner fanatischen Arbeitswut sich vom Leben abwendet und erst durch die Liebe zu Susanna zu einem befriedigenden Dasein findet, parodiert Stifter seinen eigenen Umgang mit dem problematischen Verhältnis von Kunst und bürgerlicher Existenz. Ein heiterer, gelassener Text eines altersweisen Erzählers.

52 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon